Wie der New Yorker Hurrikan Sandy zum Wahlhelfer von Barack Obama wurde: Rückblick zum ersten Jahrestag eines ganz normalen Sturms

Es muss eine Art siebter Sinn gewesen sein, die den MunichRe-Manager Peter Höppe am 24. August 2012 in der FAZ zu einer bemerkenswerten Prognose veranlasste (Auszug):

Risikoforscher Höppe: „Auch New York ist vor einem Hurrikan nicht sicher“
FAZ: Was wäre das schlimmste Szenario für einen Hurrikan in den Vereinigten Staaten?
HÖPPE: Es gibt drei Szenarien in den Vereinigten Staaten, die zu enorm hohen Schäden führen könnten: ein Hurrikan, der den Ballungsraum New York erwischt, ein Volltreffer auf die Großstadt Miami in Florida und ein Sturm, der nach Texas zieht und dort den Ballungsraum Houston trifft. 

FAZ: Die südlichen Metropolen Miami und Houston waren schon bisher bedroht. Aber New York scheint doch sehr weit im Norden zu liegen.

HÖPPE: 1938 gab es schon einmal einen starken Hurrikan, der über Long Island östlich von New York City in die Neuenglandstaaten zog und auch die Stadt traf. Es ist durchaus denkbar, dass ein Hurrikan der Kategorien zwei oder drei New York noch erreichen kann. Die im tropischen Atlantik entstehenden Hurrikane schwächen sich in der Regel auf ihrem Weg nach Norden zwar ab, weil das Wasser kälter wird und ihnen damit weniger Energie zugeführt wird. Wenn sich das Meerwasser wegen des Klimawandels aber langfristig erwärmt, könnten die Stürme auch im Norden stärker werden.

Zwei Monate später war es dann wirklich soweit. Höppes Prophezeiung war eingetreten: Ende Oktober 2012 verwüstete Hurrikan Sandy New York. Der MunichRe-Mann hatte seine Hausaufgaben gemacht. Es war nämlich nicht das erste Mal, dass die Stadt am Hudson von einem Wirbelsturm verwüstet wurde. Eine parapsychologische Untersuchung von Höppes seherischem Szenario ist daher wohl nicht notwendig. Roger Pielke Jr. listet neben dem von Höppe erwähnten Sturm von 1938 gleich neun weitere Hurrikane auf, die in den letzten 70 Jahren in der näheren Umgebung von New York an Land gegangen sind.

Bereits 2001 hatte ein Team der Brown University in Rhode Island um Jeffrey Donnelly eine Studie im Geological Society of America Bulletin veröffentlicht, in der auf Basis von Sedimentuntersuchungen die Hurrikanentwicklung im südlichen Neuengland für die vergangenen 700 Jahre rekonstruiert wurde. Die Forscher fanden Hinweise auf mindestens sieben starke Hurrikane. Fünf dieser Stürme fallen in die Zeit seit der europäischen Besiedelung (1635, 1638, 1815, 1869, und 1938). Zwei weitere Hurrikane ereigneten sich in prähistorischer Zeit im 13.-15. Jahrhundert. Steven Goddard erinnert zudem an einen Hurrikan, der 1775 noch weiter im Norden wütete und in Neufundland mindestens 4000 Menschen tötete und damit weit vorne in der Hurrikan-Opferstatistik rangiert.

Es ist daher wenig erstaunlich, dass es 2012 ein Hurrikan aus der karibischen Wiege bis nach New York geschafft hat. Bemerkenswert ist vielmehr der Durchmesser von Hurrikan Sandy. Mit 1500 Kilometern war Sandy der zweitgrößte Hurrikan der letzten 30 Jahre, seit Satelliten begannen, die Größe der Wirbelstürme systematisch zu vermessen. Zugegeben, ein relativ kurzer Messzeitraum. Lediglich Hurrikan Olga war 2001 mit 2000 Kilometern noch größer. In Punkto Intensität konnte Sandy eher wenig beeindrucken, wie Mojib Latif in einem Interview mit der Zeit einräumte:

ZEIT ONLINE: Herr Latif, an der Ostküste der USA herrscht vielerorts Ausnahmezustand, U-Bahntunnel sind überschwemmt, es stürmt und regnet, fast sieben Millionen Menschen haben keinen Strom. Mittlerweile ist der Wirbelsturm Sandy kein Hurrikan mehr. Viele nennen den Zyklon dennoch einen Jahrhundertsturm. Ist Sandy das wirklich?

LATIF: Von ihrer Stärke her sicherlich nicht. Für einen Hurrikan war Sandy sogar relativ schwach, sie hatte ja nur die Stärke Eins auf der Saffir-Simpson-Hurrikan-Skala . Der Hurrikan Katrina, der 2005 die amerikanischen Südstaaten getroffen hat, erreichte zeitweise die Fünf, also die höchste Stufe.

Die von Sandy ausgelöste Sturmflut erreichte einen Pegelstand von 4 m über dem Normalstand. Laut der erwähnten Donnelly-Studie fielen die Sturmfluten im Zusammenhang mit den Hurrikanen 1635 und 1638 sogar noch höher aus (Abbildung 1).

Abbildung 1: Sturmfluthöhen nach bedeutenden Hurrikanen sowie starken Winterstürmen im südlichen Neuengland während der letzten 400 Jahre. Ergänzt nach Donnelly et al. 2001.

 

Anders als oftmals dargestellt, handelt es sich bei Sandy keinesfalls um einen einzigartigen Hurrikan, den es in dieser Art noch nie gegeben hätte. Wie bei solchen Extremwetterereignissen üblich, brachten Klimaaktivisten den Sturm reflexhaft mit einer durch den Menschen verschuldeten Klimakatastrophe in Zusammenhang. Zum Glück gibt es heute bereits sehr viel mehr Medienvertreter, die kritisch mitdenken. Die Zeiten als die IPCC-geprägte Sichtweise ungeprüft in religiöser Art und Weise von der gesamten Presse einfach übernommen wurde, sind zum Glück vorbei, wie die Diskussion im österreichischen Standard zum Hurrikan Sandy zeigt:

Wissenschaftler uneinig, ob der Supersturm, der auch New York schwer in Mitleidenschaft zog, eine Folge des Klimawandels ist
Rund um den Tropensturm „Sandy“ ist eine Diskussion darüber entbrannt, ob die Intensität und Reichweite auch in direktem Zusammenhang mit dem Klimawandel stehen. Für den WWF ist die Verbindung eindeutig: „Wenn die Erde dermaßen über fossile Brennstoffe mit Kohlendioxid aufgeladen wird, dann ist das so wie das Dopen eines Sportlers, der dadurch immer stärker wird“, sagt Karl Schellmann, Klimaexperte der Umweltorganisation. Diese Behauptung will Herbert Formayer vom Institut für Meteorologie der Wiener Universität für Bodenkultur allerdings nicht bestätigen. „Fakt ist, dass eine wärmere und feuchtere Atmosphäre mehr Energie hat. Ob das zu mehr Extremereignissen und insbesondere Hurrikans führt, lässt sich allerdings nicht untermauern“, so der Forscher, der am Zentrum für Globalen Wandel und Nachhaltigkeit tätig ist. Laut Formayer hat es immer wieder Phasen mit vielen Hurrikans gegeben, etwa 2004 und 2005.

Auch Die Welt berichtete in ausgewogener Weise über Sandy:

Doch Forscher betonen, dass Supersturm „Sandy“ mit der globalen Erwärmung nur wenig zu tun habe.

Und sogar Mojib Latif sieht bei Sandy keinen dringenden Fingerabdruck eines menschengemachten Tatbestandes, wie die Lausitzer Rundschau berichtete:

LR: War Sandy in dieser Mischung ein Ausreißer oder muss man jetzt häufiger mit solchen Extremen rechnen?
Klimaforscher Latif hält „Sandy“ für ein Einzelereignis. „Hier treffen einige Umstände zusammen, die sonst nicht aufeinandertreffen. Das ist eine Laune der Natur“, sagt er.

Wenn nicht als Warnschuss für eine menschengemachte Klimakatastrophe, wofür sollten wir Sandy dann in Erinnerung behalten? Genau, Sandy wurde kurzerhand als verdeckte Wahlhelferin von Barack Obama instrumentalisiert, wie die TAZ ihren Lesern verriet:

Wirbelsturm könnte die US-Wahl entscheiden
Gut möglich, dass zu guter Letzt Wirbelsturm „Sandy“ entschieden hat, wer in den kommenden vier Jahren die Vereinigten Staaten von Amerika regieren wird. Dass also eine Naturkatastrophe die Entscheidung des teuersten Wahlkampfes in der Geschichte markieren wird; ein Wahlkampf, der zum Ende hin immer dramatischere Wendungen nahm. Der Sturm hat Barack Obama zu den Bildern verholfen, die er so dringend braucht: Sie zeigen ihn als einen starken Mann, der handelt, die Dinge im Griff hat, richtige Entscheidungen trifft und diese auch umsetzen kann.

Das Ganze erinnert ein bisschen an Gerhard Schröder und die Elbe-Donau-Flut, die dem Niedersachsen 2002 nur wenige Wochen vor der Bundestagswahl die entscheidenden Prozente zum Sieg einbrachte. Auch in den USA war die politische Freude über Sandy entsprechend groß. So jubelte der US-amerikanische Fernsehmoderator und Gastgeber politischer Talkshows Chris Matthews über den unverhofften Sturm, der Obama für seine Kampagne kräftig Rückenwind brachte:

A good day for America. I’m so glad we had that storm last week …The storm brought in possibilities for good politics

Ebenso war der grüne Filmemacher Michael Moore ganz von den Socken und dankte „Mutter Natur“, dass sie Sandy vorbeischickte, um Obama zu helfen:

“And you, Mother Nature, with all your horrific damage, death and destruction you caused last week, you became, ironically, the undoing of a Party that didn’t believe in you or your climate changing powers.”

Schon immer instrumentalisierten die Menschen Naturphänomene für eigene Zwecke. Da macht die heutige Generation sicher keine Ausnahme. Die aufgeklärte Wissenschaft sollte sich jedoch mit aller Macht dagegen stemmen und mit Fakten Paroli bieten. Wissenschaft ist zur nüchternen, unabhängigen Analyse verpflichtet. Eine Verquickung mit politischen oder wirtschaftlichen Aspekten sollte vermieden werden.

 

Abbildung oben rechts: Spur von Hurrikan Sandy. Autor: Cyclonebiskit/ Lizenz: This work has been released into the public domain by its author, Cyclonebiskit. This applies worldwide. Wikipedia.