Kritik an Mojib Latifs Artikel in der Financial Times Deutschland

Heute, am 27.2.2012 veröffentlichte die Financial Times Deutschland unseren Leserbrief, in dem wir auf Mojib Latifs kritischen Artikel zu unserem Buch „Die kalte Sonne“ eingehen. Die vollständige Kommentierung des Beitrags lautet wie folgt (ursprünglich erschienen im Medienecho Tag 13):

 

In der Financial Times Deutschland (FTD) meldete sich am 15.2.2012 der Kieler Klimawissenschaftler Prof. Mojib Latif mit seinem Aufsatz “Der Mensch ist überführt” zu unserem Buch. Nach wilden einleitenden Spekulationen über die Entstehungsgeschichte des Buches, beschreibt er den FTD-Lesern das angebliche Fazit des Buches Die kalte Sonne: “Die Schlussfolgerung des Buches: …Weiter so wie bisher!” Falsch geraten. Bitte nochmal genau im Kapitel 9 nachlesen.
Latif mag unser Buch nicht: “Wenn man das Buch liest, stehen einem als Wissenschaftler die Haare zu Berge. Es handelt sich um eine pseudowissenschaftliche Abhandlung.” Seltsam, unsere Haare liegen noch immer relativ glatt auf dem Kopf, obwohl wir als Autoren des Buches doch ebenfalls eine wissenschaftliche Ausbildung besitzen und die wissenschaftliche Herangehensweise gut kennen. Zudem hat Co-Autor Lüning eine nicht ganz kurze Liste von eigenen Publikationen in anerkannten, begutachteten, internationalen, geowissenschaftlichen Fachzeitschriften. Die sind vermutlich auch alle falsch.
Latif weiter: “Da werden längst widerlegte Theorien bemüht, die schon vor Jahren ihre verdiente Ruhe auf dem Friedhof von Absurdistan gefunden hatten. Aber das tun die Autoren in einer äußerst gefälligen Sprache. Kein Wunder, dass so vieles plausibel klingt.” Vahrenholt/Lüning im Stile des Rattenfängers von Hameln, was für eine nette Idee. Oder ist es vielmehr andersherum, also dass einige IPCC-Forscher die durchaus berechtigten, unbequemen Theorien zu den natürlichen Klimafaktoren vor etlichen Jahren vorschnell kaltgemacht hatten und es ihnen nun durchaus ungelegen kommt, dass diese wieder zum Vorschein kommen? Totgesagte leben länger!
Und Latif legt nach: “Man kann die Klimaentwicklung der letzten Jahrzehnte einfach nicht mehr ohne den Faktor Mensch erklären. Die Erwärmungsrate war so stark wie sie seit mindestens 1000 Jahren nicht mehr gewesen ist, zumindest auf der Nordhalbkugel. “ Hier hat sich Latif schließlich dann doch eher selbst überführt. Denn seine Aussage zur exzeptionellen Erwärmungsrate ist nachweislich falsch. Die Erwärmungsraten der Temperaturanstiege von 1860-1880 und 1910-1940 lassen sich statistisch nicht von der Erwärmung 1977-2000 unterscheiden (siehe Abb. 18 auf S. 105 in “Die kalte Sonne”). Genau dies musste Anfang 2010 der IPCC-Temperaturspezialist Phil Jones zähneknirschend im Nachklang zum Climategate-Skandal zugeben. Im IPCC-Bericht von 2007 sucht man noch vergeblich nach einer solch aufhellenden Erläuterung.

Deja vu: Die Erwärmungsrate der letzten Jahrzehnte ist alles andere als einzigartig.

Dann versucht Latif ein Totschlagargument (siehe auch Medienecho Tag 8), welches aber kräftig in die Hose geht. Latif: “[Das CO2] führt aber auch zu einer Abkühlung der Atmosphäre in großen Höhen, in den oberen Schichten der sogenannten Stratosphäre oberhalb von 30 Kilometer. Und genau das messen wir während der letzten Jahrzehnte. Nur das CO2 vermag diesen charakteristischen Unterschied zu erklären. Die Sonne kann es nicht. Deswegen ist es völlig abwegig, dass die Sonne eine wesentliche Rolle in der Klimaentwicklung der letzten Jahrzehnte gespielt hat.”
Schade nur, dass die stratosphärische Abkühlung gar nicht als Indiz für eine starke Klimawirksamkeit des CO2 herangezogen werden kann, denn:

1) Die Abkühlung der Stratosphäre ereignete sich überwiegend in der Phase 1980-1995 während derer sich die Ozonschicht durch FCKW-Emissionen ausdünnte (siehe Abbildung unten). Die Ozonausdünnung führte zu einer stetigen Abnahme der in der Stratosphäre absorbierten Sonnenenergie, was zu einer Abkühlung führte. In den 1990er Jahren gingen die FCKW Emissionen aufgrund des Montreal-Protokolls zurück und die Ozonschicht erholte sich seit 1995 langsam wieder. Seit 1995 ereigneten sich abgesehen vom solaren 11-Jahres-Zyklus keine signifikanten Temperaturveränderungen mehr, die Werte oszillieren seitdem auf einem Plateau.

Ozonkonzentration/Stratosphäre (links) und Temperaturen/Stratosphäre (rechts): Avajon et al. 2007, siehe auch Webpage von Prof. Scott Mandia und Webpage von Markus Gronotte.

2) Eine entgegengesetzte Temperaturentwicklung in Troposphäre und Stratosphäre kann durchaus durch die Sonne verursacht werden, nämlich über die solar beeinflusste tiefe Wolkenbedeckung (Svensmark-Modell). Hierbei führt eine schwächere Sonne zu mehr Wolken. Die von den Wolken vermehrt reflektierte Strahlung passiert erneut die Stratosphäre wo sie vermehrt absorbiert wird und zur Erwärmung führt. Eine erstarkende Sonne würde entsprechend zu einer Abkühlung der Stratosphäre führen.

Latifs Artikel in der FTD wird von zwei Graphiken begleitet, die den Anstieg der Temperatur und des CO2 zeigen. Leider war wohl kein Platz mehr für eine dritte Graphik, nämlich die Entwicklung der Sonnenaktivität während des gleichen Zeitraums. Seltsam, auch die Sonnenaktivität (z.B. dargestellt über die Stärke des Sonnenmagnetfeldes) ist seit 1900 stark angestiegen, hat sich in seiner Intensität glatt verdoppelt. Naja, aber wie gesagt, vermutlich war kein Platz mehr auf der Seite.

 

Starker Anstieg des Sonnenmagnetfeldes seit der Kleinen Eiszeit (Balmaceda, Krivova, Solanki 2007).