Der Historiker Prof. Dr. Wolfgang Behringer lehrt Frühe Neuzeit an der Uni Saarbrücken. Einige werden ihn auch als Autor des 2007 erschienen Buches „Kulturgeschichte des Klimas“ kennen. Hierin hat er sich mit Kritik am Weltklimarat und Klimaalarmismus weitgehend zurückgehalten und lieber Fakten sprechen lassen. Die hysterische Berichterstattung zum sommerlichen Schmelzhöhepunkt des arktischen Meereises hin vielen Medien hat Behringer jedoch kürzlich offenbar so irritiert, dass er sich am 3. September 2012 auf Welt Online und in gewohnt besonnener Art den Kontext der Ereignisse in eindrucksvoller Weise in Erinnerung rief:
Mittlerweile haben wir uns an die Konjunkturen des Weltuntergangs gewöhnt. Wenn der Winter eisig ist oder der Sommer kühl und verregnet, dann gehen die Klima-Alarmisten in Deckung. Erst im Hochsommer, mit Beginn der Waldbrände im Mittelmeerraum und dem Anbruch der Hurrikan-Saison in der Karibik fühlen sie sich wieder zu volkspädagogischen Aktivitäten ermuntert.
Kommt der alljährliche Bericht über die sommerliche Eisschmelze in der Arktis heraus, gibt es kein Halten mehr. Nach dem Hurrikan „Katrina“ hieß es, jedes Jahr werde es jetzt mehr und größere tropische Wirbelstürme geben. Die globale Erwärmung führe zu einer zunehmenden Erhitzung der Ozeane, dies bilde den Motor für immer stärkere Wirbelstürme, das sei nur logisch.
Dummerweise folgte die Natur dieser Logik nicht, „Katrina“ blieb in seiner Vernichtungskraft einmalig, wohl nicht zuletzt aufgrund der Dammbrüche in New Orleans. Wenn man eine Stadt aber vier Meter unter dem Meeresspiegel baut, dann darf man mit entsprechenden Katastrophen rechnen. Bereits in einem Blues aus den 1920er-Jahren hieß es: „When the levee breaks…“.
Entgegen den Weltuntergangsszenarien gab es seit 2007 immer weniger Hurrikans. Jetzt hieß es etwas vorsichtiger, in Zukunft werde es vermutlich weniger tropische Wirbelstürme geben, doch diese fielen dafür besonders schlimm aus. Ein interessantes Argumentationsmuster: Die Prognose war falsch, aber wir haben trotzdem recht.
Meldungen dienen zum Füllen des Sommerlochs
Nun ist wieder die Eisschmelze dran. Nie sei sie so bedrohlich gewesen wie in diesem Jahr, heißt es wie in jedem der vergangenen Jahre. Und die Meldung dient zusammen mit unkritischen Kommentaren in vielen Medien zum Füllen des Sommerlochs. Zutreffend ist die Feststellung allerdings nur für die Zeit der Satellitenmessungen, also seit 1979. Für die Zeit vorher fehlen die Daten.
Etwas mehr als dreißig Jahre sind fast ein halbes Menschenleben, doch in der Erdgeschichte ist dies nicht einmal ein Wimpernschlag. Hier wechselten sich Zeiten, in denen die Erde ein völlig vereister „Schneeball“ (Snowball Earth) war mit solchen ab, in denen es keinerlei Eis an den Polen oder auf den Hochgebirgen gab.
Wir sind Kinder der Eiszeit
In der Nomenklatur der Geologie ist eine „Warmzeit“ dadurch definiert, dass die Pole komplett eisfrei sind. Nach dieser Terminologie leben wir seit einigen Millionen Jahren in einer Eiszeit. Auch innerhalb der Eiszeiten wechseln sich nach Ausweis der Gletscherforschung ständig wärmere und kältere Perioden ab.
Nach der Theorie des serbischen Geophysikers Milutin Milankowitsch basieren diese Fluktuationen auf den zyklischen Schwankungen der Umlaufbahn (Exzentrizität, Obliquität und Präzession) der Erde um die Sonne. Die langen Zyklen – heute Milankowitsch-Zyklen genannt – dauern etwa 100.000 Jahre. Nur etwa der zehnte Teil dieser Zyklen war innerhalb der letzten Million Jahre relativ warm. In so einem Interglazial – einer „Zwischeneiszeit“ – leben wir seit etwa 10.000 Jahren.
Und wenn wir Pech haben, neigt sich diese Zeit ihrem Ende zu. Davor war es zeitweise so kalt, dass große Massen an Wasser im polaren Eis und in Gebirgsgletschern gebunden waren. Der Meeresspiegel lag vor etwa 50.000 und erneut vor circa 20.000 Jahren über hundert Meter tiefer als heute.
Anstelle der nach dem dänischen Forscher Vitus Bering benannten Beringstraße gab es zwischen Sibirien und Alaska eine Landbrücke. Über diesen heute „Beringia“ genannten Halbkontinent wanderten Großwild sowie die Vorfahren der späteren „Indianer“ als eiszeitliche Jäger von Asien nach Amerika ein.
Globale Erwärmung macht Zivilisation erst möglich
Die globale Erwärmung des Holozäns hat aufgrund der Eisschmelze nicht nur solche Landbrücken zum Verschwinden gebracht, sondern sie hat das Sesshaftwerden der Jäger und die Entwicklung der Landwirtschaft ermöglicht. Alle menschliche Zivilisation, wie wir sie heute kennen, mit Landwirtschaft, Urbanisierung, Wissenschaft und Industrie, wurde erst ermöglicht durch diese lang anhaltende globale Erwärmung.
Anders als Max Frisch meinte, erschien zwar nicht der Mensch im Holozän, denn die Entwicklung des Homo sapiens nahm doch etwas länger in Anspruch – wohl aber alle höhere Zivilisation. Ohne Warmzeiten wären wir bei all unserer Wissenschaft und Technik kaum lebensfähig.
Dazu zwei Beispiele: Vor etwa zwölfhundert Jahren fanden die norwegischen Wikinger im Westen eine Insel, die so kalt war, dass man dort keine Landwirtschaft betreiben konnte. Sie nannten sie das „Eisland“. Doch während der „hochmittelalterlichen Warmzeit“ – also etwa vom Jahr 1000 an – hatten sich die Bedingungen verändert: Zwar wuchsen auf Island immer noch keine Bäume, aber doch Gras und Büsche, man konnte Ackerbau und Viehzucht betreiben. Nun begann die große isländische Landnahme.
Wenig später entdeckten Wikinger noch weiter im Westen eine große grüne Insel. Auch „Grönland“ wurde besiedelt, die Hauptsiedlung im Süden bekam einen römisch-katholischen Bischof. Und wagemutige Seefahrer entdeckten noch weiter im Westen Land, aus dem man Baumstämme und Weinbeeren beziehen konnte: „Markland“ und „Vinland“, das spätere Amerika. Dessen Besiedelung scheiterte allerdings am Widerstand der „Skraelinger“, wie die Wikinger die späteren Indianer nannten.
Weiterlesen auf Welt Online
Vielleicht haben Sie nun Lust auf Wolfgang Behringers Buch bekommen (wir gehen natürlich davon aus, dass Sie „Die kalte Sonne“ bereits besitzen)? Sebastian Lüning hat das Werk bereits 2009 mit fünf von fünf Sternen bewertet und wie folgt auf Amazon rezensiert:
Es muß für den Autor Wolfgang Behringer wie ein Schlag ins Gesicht gewesen sein, als der Weltklimarat IPCC die beiden Klimaanomalien der Mittelalterlichen Wärmeperiode (9.-14. Jh.)und der darauf folgenden Kleinen Eiszeit (15.-19. Jh.) nach und nach von 1990 bis 2001 aus seinen Klimakurven tilgte und schließlich nur noch die berühmt-berüchtigte (inzwischen diskreditierte) Hockeystick-Kurve im Programm hatte. Durch seine Forschung hatte Behringer nämlich Zugang zu unzähligen historischen Details, die zusammengenommen einen eindrucksvollen Beweis der Existenz beider Klimaextreme abgeben. Die Existenz von historischen Temperaturschwankungen bei gleichzeitig stablilem Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre ist dabei Auslöser für die Frage, wie wohl das wirkliche Verhältnis von anthropogener zu natürlicher Steuerung des aktuellen Temperaturanstiegs sein könnte. Mit Ausnahme von ein paar Zeilen in der Einleitung sowie dem Epilog hält sich jedoch der Autor aus der aktuellen Klimawandel-Diskussion weitgehend heraus und beschränkt sich auf die solide und eindrucksvolle Schilderung der historischen Klimaschwankungen der letzten paar Tausend Jahre. Lediglich in ein paar Abbildungen (z.B. 40 & 44) blitzt nochmal kurz Widerstand gegen die IPCC-„Konsensmeinung“ auf, ansonsten hält sich der Autor weitgehend dezent (und vielleicht klug?) zurück und läßt die Fakten sprechen.
Nach einer kurzen Einleitung beginnt das Buch mit der knappen Schilderung des Klimas der letzten paar hundert Millionen Jahre. Dann jedoch geht es schnell ins Holozän, also die letzten 12.000 Jahre. Es ist dies die Endphase der letzten Eiszeit sowie vor allem die nacheiszeitliche Erwärmung. Ein erster für mich sehr interessanter Punkt ist eine kurze Rückkehr eiszeitlicher Bedingungen (Jüngere Dryaszeit) während der allgemeinen Erwärmungsphase. Ein Beweis dafür, dass das Klima sich unter bestimmten Voraussetzungen sehr abrupt ändern kann. Vor 8000 Jahren dann das holozäne Klimaoptimum, wo es deutlich wärmer war als heute. Und all das bei relativ geringem CO2-Gehalt in der Atmosphäre. Der Autor schildert wie die Entwicklung von Zivilisationen oft an das Klima gekoppelt war. Fortschritte wurden überwiegend innerhalb von Wärmephasen erzielt.
So arbeitet sich Behringer allmählich durch die ständigen Klimawechsel der letzten paar tausend Jahre vor. Es gibt vieles Interessantes zu lernen. Manchmal verliebt sich der Autor jedoch so ins Detail, dass man sich ab und an beim Querlesen ertappt. Aber schon wenig später ist man dann wieder voll dabei. Bemerkenswert ist das Kapitel „Klimadeutung als neue Religion“ wo Behringer den Klima-Alarmismus anprangert und einen Vergleich mit der Sündenökonomie des Spätmittelalters anstellt.
Das Buch ist all denjenigen wärmstens zu empfehlen, die sich ein eigenes, Fakten-belegtes Bild zur natürlichen Klima-Variabilität der letzten paar Tausend Jahre machen möchten. Etliche Aha-Erlebnisse sind garantiert. Nach der Lektüre wird man das aktuelle Klimageschehen sehr viel differenzierter sehen und die dazugehörige Diskussion vermutlich mit etwas kritischeren Augen verfolgen.
Abbildungsquelle oben rechts: Universität des Saarlandes