Was waren die wahren Hintergründe der mitteleuropäischen Flut 2013?

Das Wasser kam, das Wasser ging. Zurück blieb die Ungewissheit: War es ein ganz normales Hochwasser, wie es seit Jahrtausenden in Deutschland und anderswo immer vorgekommen ist, oder geht die Überschwemmung vielmehr auf das Konto der berüchtigten Klimakatastrophe? Von letzterem scheint das klimatologische Fachblatt „Bildzeitung“ überzeugt zu sein, welche am 12. Juni 2013 in Zusammenarbeit mit Klimaprediger Mojib Latif lauthals verkündete:

Jahrhundertfluten – Klimawandel schlägt voll zu
Meteorologe Prof. Mojib Latif (58) von der Uni Kiel: „Die Häufung der Wetter-Extreme ist ein eindeutiges Indiz für den Klimawandel.“ Grund: der Treibhauseffekt! Latif: „Weil wir ungehemmt CO2 in die Luft pumpen, heizt sich die Atmosphäre auf.“ Die Folge: Immer mehr Wasser verdunstet in den Meeren. Die Luftfeuchtigkeit steigt, Wolken saugen sich mit Wasser voll und regnen sich über dem Festland ab. Es kommt zu Starkniederschlägen, zu immer heftigeren Überflutungen […] Auch der Deutsche Wetterdienst (DWD) führt die heftigen Wetter-Phänomene auf die Erderwärmung zurück. DWD-Wettermann Gerhard Lux (59): „Durch die Erwärmung werden wir in Zukunft immer mehr Extremwetter-Situationen haben.“ Starke Sommerstürme, Hagel-Attacken, Überflutungen und heftige Gewitter häufen sich.

Auch im Spiegel tobten die Fluten, wobei Jakob Augstein in einer Kolumne wild über Schuld und Sühne fabulierte:

Im Zweifel links: Wir sind schuldig!
Die Katastrophe klärt den Blick. Unsere Art zu leben kommt nicht ohne Kosten aus. Daran erinnert dieses Hochwasser – erneut. Es ist die zweite „Jahrhundertflut“ in gut zehn Jahren. Ob dieses eine Hochwasser auf die von Menschen gemachte Erderwärmung zurückgeht, wird sich nicht beweisen lassen. Die Frage ist: Welchen Beweis brauchen die Klimawandelleugner, bevor ihnen die Augen aufgehen? Was muss geschehen, damit die Wachstumsprediger dazulernen? Keiner von ihnen wird später sagen können, er habe nichts gewusst.

Auch das Potsdam-Institut zur Förderung der Klimakatastrophe (PIK) nutzte seine Chance und verbreitete via Berliner Zeitung munter Weltuntergangszenarien:

Klimawandel verstärkt Hochwasser
Potsdamer Forscher haben keinen Zweifel: Die Erderwärmung führt zu einer größeren Zahl an Überschwemmungen in Ostdeutschland. Dabei regnet es nicht etwa häufiger – sondern seltener. Wenn Klimaforscher nach Ursachen von Wetterkatastrophen suchen, dann vertiefen sie sich in Zahlen. So spüren die Experten des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) auch den derzeitigen Hochwassern in Ostdeutschland nach, indem sie Daten von Wettermessungen, zur Landschaft und zur Geografie analysieren. Im Trend zeigt sich dabei: Mehr als die Landnutzung an den Ufern und die Begradigung oder Vertiefung der Flüsse dürfte der Klimawandel hinter der Zunahme von starken Hochwassern stecken.

Da konnten die Potsdamer Neuesten Nachrichten nicht nachstehen und titelten verschwörerisch:

Ein interessanter Verdächtiger Der Klimawandel könnte Hochwasser hervorrufen
Die zweite Hochwasserkatastrophe in Deutschland in diesem Jahrhundert hat auch die Forschung auf den Plan gebracht. Die Frage, ob es durch den Klimawandel eine Häufung solcher Extremereignisse gibt, liegt auf der Hand. Am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) vermutet man zumindest einen Zusammenhang. 

Und auch die Zeit durfte da nicht fehlen:

Analyse: Klimawandel unter Verdacht
Ursache für das Hochwasser in Bayern und Ostdeutschland ist eine ungewöhnliche Großwetterlage – und der Klimawandel könnte eine Rolle dabei gespielt haben.

Latif auf allen Kanälen. Kaum ein Medium, das auf ihn in dieser wetterkatastrophalen Zeit verzichten wollte. Selbst der Focus mischte kräftig mit:

FOCUS Online: Inwiefern bedingt die Klimaerwärmung das Hochwasser?
Latif: Die Erderwärmung ist trotz kalter Winter global messbar. In einer wärmeren Welt verdunstet mehr Wasser. Das ist ein ganz einfaches Naturgesetz: Höhere Temperaturen führen zu dauerhaft mehr Wasserdampf in der Luft und deshalb auch zu mehr Niederschlägen.

Da ist es dann egal, dass die Erderwärmung in den letzten 15 Jahren gar nicht stattgefunden hat. Merkt eh keiner, hat sich Latif sicher gedacht. Ziemlich egal dürfte Latif auch die Ansicht seines Fachkollegen Eduardo Zoritas sein, der zu recht Plausibilitätsprobleme bemängelte. Auf der Klimazwiebel kommentierte Zorita, dass Europa gerade erst wieder einen der kältesten und längsten Winter der letzten Jahrzehnte erlebt hat und dass es daher schwer vorstellbar sei, die Klimaerwärmung in Deutschland habe jetzt plötzlich zu mehr Wasserdampf in der Atmosphäre geführt.

 

Fakten, Fakten, Fakten

Was war eigentlich passiert? Auf Spiegel Online fasste Axel Bojanowski die wichtigsten Fakten zum deutsch-österreichisch-tschechischen Hochwasser 2013 gut zusammen:

Wie kam es zum Hochwasser?
Der Deutsche Wetterdienst hat berechnet, wie viel Wasser in den vier fatalen Tagen Ende letzter Woche vom Himmel gefallen sind: Knapp 23 Billionen Liter Wasser seien auf Deutschland gestürzt. Diesmal sorgten mehrere Zufälle für extreme Regenmassen: Die Luft strömte ausgerechnet ins dicht besiedelte Mitteleuropa. Zwei Hochdruckgebiete im Osten und Westen klemmten die Tiefdruckzone über Mitteleuropa fest. Es handelte sich gleich um mehrere der gefürchteten Mittelmeer-Tiefs, die Meeresluft aus den Subtropen nach Norden lenkten, die besonders feucht war. Die nasse Mittelmeerbrise traf in Mitteleuropa auf kühle Luft, auf der sie aufstieg wie auf einer Rampe. In kühler Höhe kondensierte die Feuchtigkeit zu Wolken wie an einer kühlen Fensterscheibe. Ausgerechnet in dieser Zeit fehlten starre Luftmassengrenzen, die den Aufstieg der Luft stoppen. So wuchsen kilometerhohe Wolkentürme, die sich vor Gebirgen stauten. An Erzgebirge, Thüringer Wald, Bayerischem Wald, Schwarzwald, Harz und Alpen schüttete es deshalb besonders heftig.

Etliche neue Hochwasserrekorde wurden gebrochen. In Dresden hat es laut t-online jedoch nicht zur neuen Bestmarke gereicht:

Auf ihrem Scheitelpunkt hatte die Elbe [in Dresden] vergangene Woche einen Wasserstand von 8,76 Metern erreicht. Normal sind knapp 2 Meter, bei der Jahrhundertflut 2002 waren 9,40 Meter gemessen worden.

 

Die berühmt-berüchtigte 5b-Wetterlage

Man kann das Ganze auch noch etwas meteorologischer ausdrücken. Ulli Kulke tut es auf Donner + Doria:

Die derzeitige Flutwelle wurde durch eine meteorologische Besonderheit verursacht: Eine sogenannte V-b-Wetterlage (ausgesprochen: „Fünf b“), bei der Wolken große Wassermengen aus dem Mittelmeer um die Alpen herum nach Mitteleuropa transportieren und dort abregnen. Wird diese Wetterlage, wie jetzt wieder geschehen, durch einen stabilen Jetstream in gut 10.000 Meter Höhe geradezu festgenagelt, kommt es umso dicker von oben herunter. Es war eine Kombination aus den meteorologischen Phänomenen „V-b“ und „Omega“.

Das sieht im Übrigen auch Mojob Latif so, wie er der Deutschen Welle erklärte:

Klimaforscher Mojib Latif vom Kieler Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung führt das Hochwasser, das derzeit so vielen Städten und Gemeinden zu schaffen macht, in erster Linie auf die „berüchtigte 5b-Wetterlage“ zurück. „Das ist das sogenannte Mittelmeertief, das sich über dem Mittelmeer bildet, dort mit Wasser vollsaugt und um die Alpen herum, vom Osten über Polen und Tschechien auf Deutschland zugreift.“

Das mit Vb leuchtet irgendwie ein. Nun deutete Latif aber an, dass es in Zukunft immer mehr Hochwasser in Deutschland geben wird, die Vb-Wetterlagen also zwangsläufig häufiger werden sollen. Das kann man nun glauben oder nicht. Wir wählen den dritten Weg und studieren lieber die Fachliteratur. Dabei stoßen wir auf eine Arbeit eines deutschen Forscherteams um Katrin Nissen von der Freien Universität Berlin. Im April 2012 hatten die Forscher auf einer Tagung eine Prognose zur weiteren Entwicklung von Vb-Wetterlagen vorgestellt. Dabei fanden Nissen und Kollegen, dass bestehende Klimamodelle die Häufigkeit von Vb-Wetterlagen um das doppelte bis dreifache überschätzen. Zudem sagten die Forscher eine Abnahme der Häufigkeit dieses Phänomens vorher. Letztendlich bekommt man aus der Studie den Eindruck, dass die vollmundig von einigen Akteuren angedrohte Steigerung der Vb-Sintfluten von der seriösen Wissenschaft nicht geteilt wird.

 

Jetstream

Ulli Kulke hatte es bereits gesagt. Eine weitere wichtige Zutat zum Überschwemmungsmix ist der Jetstream. Wenn dieser mal wieder blockiert, sich also nicht hin- und herschlängelt, dann kann sich die überschwemmungsbringende Vb-Wetterlage regelrecht einnisten und wird vorerst durch nichts abgelöst. Lauschen wir einmal, was die Zeit zum Jetstream zu sagen hat:

„In der Regel wird unsere Großwetterlage vom Jetstream bestimmt, der in acht bis zehn Kilometern Höhe vom Atlantik Richtung Osten zieht“, erläutert der Leiter des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (Pik), Hans Joachim Schellnhuber. „Dieser Jetstream ist ziemlich stark gespannt und schlägt manchmal eine Falte nach Norden oder Süden, die aber in ein paar Tagen wieder ausgebügelt wird.“ Diesmal sei die Falte jedoch wie eingefroren wochenlang erhalten geblieben. Folge: „Im Mai 2013 lagen wie auf eine Perlenschnur gezogen, Tiefdruckgebiete über Zentraleuropa.“ Beult sich eine Jetstreamwelle, nach ihrem Entdecker auch Rossby-Welle genannt, nach Norden, dann strömt warme Luft nach Deutschland. Geht sie nach Süden, dann kommt kältere Luft von der Arktis hinein. Erst im Februar hatten Pik-Forscher um Vladimir Petoukhow jedoch das Phänomen der über lange Zeit „eingefrorenen“ Wellen in einer Studie beschrieben. Laut Schellnhuber gab es dieses auch 1997 bei der Oder- und 2002 bei der Elbeflut. „Beim Hitzesommer 2003 hatten wir dagegen eine solche ausgeprägte Welle nach Norden, so das subtropische Luft lange Zeit nach Europa einzog, 2010 geschah ähnliches über Russland.“ In den vergangenen Jahrzehnten habe es immer häufiger solche Situationen gegeben. Liegt das am Klimawandel? „Das lässt sich nicht eindeutig beantworten. 

 

Mehr Starkregen?

Das alles reicht aber noch nicht. Bei einer richtig heftigen Katastrophe müssen immer eine ganze Reihe von Pannen passieren, damit sich die Folgen multiplizieren. So verkündete Mojb Latif im Focus, dass starker Regen in Deutschland immer häufiger wird:

LATIF: In den Wetterdaten des Deutschen Wetterdienstes lässt sich ablesen, dass die Starkniederschläge ganz allmählich heftiger werden. Aber solche Trends sieht man nicht über die letzten zehn Jahre. Da muss man schon 100 Jahre oder mehr betrachten.

Klimaveteran Hartmut Grassl sieht dies wohl ähnlich und sagt auf klima(rats)retter.info:

GRASSL: Da heftige Niederschlagsereignisse in relativ großen Teilen Deutschlands im vergangenen halben Jahrhundert häufiger geworden sind, ist der Hochwasserschutz weiter zu verstärken.

Eine interessante Strategie: Einfach mal was behaupten und dann hoffen, dass das Gegenüber die Daten nicht kennt. Bei der Deutschen Welle hat man den Braten allerdings wohl gerochen und lässt Latifs Behauptung nicht unwidersprochen stehen:

Klimaforscher Latif: „Wenn wir die Messreihe für Deutschland bis 1871 zurückverfolgen, dann sehen wir in der Tat einen leichten Trend hin zu mehr Starkniederschlägen. Heute – wenn wir die letzten Jahrzehnte betrachten – sind Starkniederschläge schon ungefähr doppelt so häufig, wie sie es noch vor 100 Jahren waren.“ Wetterdienstexperte Gerhard Lux ist zurückhaltend, wenn es um statistische Belege hierfür geht. Eine Zunahme der Extremniederschläge könne man nicht so sicher nachweisen wie den Temperaturanstieg. Trotzdem geht auch er aufgrund der Klimamodelle von einer Zunahme aus.

In einer Pressemitteilung vom 6. Juni 2013 stellte es der Deutsche Wetterdienst ganz klar:

Analysen des DWD haben ergeben, dass sich zumindest in Deutschland aus dem Zeitraum 1951 bis 2000 kein eindeutiger Trend zu vermehrten extremen Niederschlagsereignissen ableiten lässt.

Dies ist keine neue Erkenntnis. Bereits vor mehr als zehn Jahren hatte der Deutsche Wetterdienst etwas Ähnliches gesagt:

„Bei extremen Wetterereignissen sind in Deutschland hingegen bisher keine signifikanten Trends zu beobachten gewesen. Auch solche Ereignisse wie die Hochwassersituation 2002 gehören zum normalen Repertoire unseres Klimas.”

 

Mehr Überschwemmungen?

Ok, mehr Starkregen war es also nicht. Aber Hochwasser ist doch in den letzten Jahrzehnten und Jahrhunderten häufiger geworden, oder etwa nicht? Der Spiegel redet nicht lange um den heißen Brei herum und berichtet Überraschendes:

Statistische Berechnungen zeigen, dass Hochwasser in Mitteleuropa in den vergangenen 500 Jahren nicht häufiger geworden zu sein scheinen. Weil immer mehr Menschen an die Ufer zogen, stiegen aber die Schäden durch Hochwasser. Zieht man diesen Wertzuwachs-Effekt jedoch ab, zeigt sich Berechnungen zufolge keine ungewöhnliche Zunahme in den vergangenen vier Jahrzehnten.

Sie können gerne mal auf die beiden im Spiegel-Text verlinkten Quellen klicken. Es handelt sich um seriöse, begutachtete Fachartikel, die Bild, Latif, Potsdam & Co einfach ignorieren. Passt nicht in die eigene Argumentation – Sie verstehen?

Auf der 7. Deutschen Klimatagung im Oktober 2006 stellten Manfred Mudelsee und Gerd Tetzlaff Studienergebnisse vor, die ebenfalls keine Zunahme der Hochwasserereignisse in Deutschland sahen:

Hochwasserchronologien von Elbe und Oder über die letzten 800–1000 Jahre wurden von Mudelsee et al. (2003) konstruiert und veröffentlicht. Inhomogenität durch Dokumentenverlust ist für beide Flüsse für den Zeitraum nach 1500 vernachlässigbar. Mudelsee et al. (2003) schätzten Risikokurven extremer Elbe- und Oderhochwasser; diese dokumentieren keinen Anstieg (Sommerhochwasser) bzw. einen Abfall (Winter) für das 20. Jahrhundert. […] Eine Hochwasserchronologie für die Werra (1500–2003) und entsprechende Risikoschätzungen werden von Mudelsee et al. (2006) präsentiert. Seit 1760 nimmt das Sommerhochwasserrisiko der Werra ab; das Winterhochwasserrisiko zeigt signifikante Schwankungen und einen Aufwärtstrend für das 20. Jahrhundert. Der Schluß (Houghton et al., 2001), eine erhöhte regionale Temperatur bewirke „automatisch“ eine Erhöhung des Hochwasserrisikos (Clausius–Clapeyron-Gleichung), ist zu einfach.

Ulli Kulke gibt auf Donner + Doria weiterhin zu bedenken, dass man aus den Klimamodellen eigentlich etwas anderes schlussfolgern sollte:

Übersehen sollte man nicht, dass dieses Hochwasser weder zeitlich noch räumlich mit den Prognosen der Klimaforscher in Potsdam und Hamburg übereinstimmt. Eigentlich sollten ja gerade die Sommer trockener werden, und dies auch besonders im Osten. Die erste Woche des – meteorologisch gesehen – am 1. Juni begonnenen Sommers, hat mit heftigem Regen jedoch noch erheblich zur Flut im Osten beigetragen.

Und ganz frisch schneite gerade eine neue Studie herein, die u.a. für Ostdeutschland bis 2100 eher eine Abnahme der Hochwassergefahr prognostiziert (siehe unseren Blogartikel „Neue begutachtete Studie in Nature Climate Change: Klimawandel lässt Hochwasser in Europa wohl in Zukunft seltener werden“).

 

Ein langer Winter

Was hat nun wirklich zum kürzlichen Hochwasser beigetragen? Die Zeit führt einen wichtigen Punkt an:

Eine weitere Ursache für das Hochwasser sei der lange Winter und das nasse Frühjahr, so dass die Böden zu feucht waren, um das Wasser der Regenfälle Ende Mai aufzunehmen. […] Die Hochwasserkatastrophe sei wesentlich größer worden, weil die Böden „feuchtegesättigt“ waren, bestätigt auch das Deutsche Geoforschungszentrum in Potsdam (GFZ). „40 Prozent der Landesfläche Deutschlands wiesen Ende Mai neue Bodenfeuchterekorde auf“, schreibt das Zentrum mit Verweis auf eine Studie des Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology (Cedim/Potsdam). Der Boden habe einfach kein Wasser mehr aufgenommen, so dass mehr direkt in die Flüsse gelangt sei. „Vielerorts zählt der Mai zu den nassesten seit Aufzeichnungsbeginn vor teilweise mehr als hundert Jahren“, berichtet das Cedim, das vom GFZ und dem Karlsruher Institut für Technologie betrieben wird.

 

Abnahme der Überschwemmungsflächen, versiegelte Landschaften und Flussbegradigungen

Zwischenfazit: Wegen einer Vb-Wetterlage hat es viel geregnet. Ein blockierter Jetstream hat dieses Regenloch am Himmel festgenagelt. Der lange Winter hat einen total befeuchteten Boden hinterlassen, der kaum noch Wasser aufnehmen konnte. Der Starkregen hingegen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten nicht verändert. Er bewegt sich noch voll und ganz im Bereich der natürlichen Schwankungsbreite.

Was sich jedoch verändert hat, ist das Flussbett selbst sowie die Uferbereiche. Und hier scheint entgegen den Beteuerungen des PIK und anderer Unterstützer der Klimakatastrophe der Kern des Problems zu liegen. Die Tagesschau berichtete am 5. Juni 2013:

Wenig Überflutungsgebiete
80 Prozent der natürlichen Überflutungsräume an Deutschlands Flüssen sind durch Begradigungen und Deiche verloren gegangen. Eine Folge ist, dass die Hochwasserwelle viel schneller den Fluss hinunterrauscht. Nach Untersuchungen des WWF-Aueninstituts braucht sie für die Strecke Basel-Karlsruhe am Rhein heute 30 Stunden. 1955 waren es noch 65 Stunden. Es bleibt viel weniger Zeit für die Anwohner, zu reagieren. Zudem bäumt sich das Wasser in dem engen Bett höher auf.

Oh, oh. Das Wasser ist heute doppelt so schnell wie früher, allein wegen der Umbauten in der deutschen Fluss-Kulturlandschaft. Mit dem Klimawandel hat das nichts zu tun. Mittlerweile hat man den Denkfehler erkannt und versucht gegenzusteuern, was jedoch gar nicht so einfach ist, wie die Tagesschau erläutert:

Rückbau kommt nur langsam in Gang
1990 haben die Länder am Rhein vereinbart, wie viel Platz sie diesem Fluss wieder einräumen wollen. Aber nur die Hälfte dieser Planungen sind bisher umgesetzt worden. An der Elbe werden und wurden zwar auch Deiche zurückverlegt, etwa bei Lenzen in Brandenburg und bei Dessau in Sachsen-Anhalt. Aber alles zusammen macht das nur 1 Prozent der verlorenen natürlichen Überflutungsflächen aus.

Das sieht im Übrigen auch die TAZ so:

Nur 5 Prozent der Maßnahmen, die Hochwasserexperten nach der Elbeflut von 2002 empfohlen haben, wurden bislang umgesetzt. Das größte Projekt war eine 420 Hektar große Überflutungsfläche im Nordwesten Brandenburgs. Das nächste Großprojekt ist eines in Roßlau in Sachsen-Anhalt, wo bis zum Jahr 2018 eine Fläche von 600 Hektar dem Fluss zurückgegeben werden soll. Dennoch stehen der Elbe nur etwa 20 Prozent ihrer ursprünglichen Auenfläche zur Verfügung.

Auch Greenpeace will den Flüssen wieder mehr Platz zum Toben zur Verfügung stellen:

Online-Redaktion: Müssen wir höhere Deiche bauen?

Karsten Smid: Je höher die Deiche, desto höher ist das Risiko hinter den Deichen, wenn sie den Wassermassen nicht mehr Stand halten oder einfach überlaufen. Wir müssen Überflutungsflächen freihalten, wir müssen dem Wasser Raum geben.

Ähnlich äußerten sich Hartmut Grassl und Gerhard Lux, Meteorologe und Klimatologe beim Deutschen Wetterdienst. Auch im Ausland ist dieses Dilemma längst bekannt, wie der SWR meldete:

Aus Sicht Österreichs hat deutsches Missmanagement beim Hochwasserschutz die Katastrophe verstärkt. Der österreichische Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner übte indirekt Kritik an der Politik Deutschlands. Er wolle nicht direkt von Fehlern sprechen, aber: „Ich glaube, es waren langfristige Fehlentwicklungen, die auch teilweise vorher Experten mitgetragen haben“, sagte der Politiker der konservativen ÖVP vor dem Treffen der EU-Energieminister in Luxemburg .Dass es günstig sei, Flüsse in Korsette zu zwingen oder auf Auengebiete zu verzichten habe sich mittlerweile als „eher gewagte Überlegung“ herausgestellt, meinte der Minister. Die Expertenmeinung gehe jetzt in eine andere Richtung. Man müsse jetzt wirklich prüfen, „inwieweit man da jetzt auch vom Zeitpunkt her Rückbauten machen kann“, so der Minister.

Außer Flussbegradigungen und den geschrumpften Überflutungsflächen stellen auch betonierte Flussufer ein großes Problem dar, wie der Tagesschau zu entnehmen war:

Zugebaute Landschaften
Beton nimmt gar kein Wasser auf. Trotzdem werden jeden Tag in Deutschland 100 Hektar Land zugebaut. Bei einem starken Regen kommen von dieser Fläche alleine dann 100.000 Kubikmeter Wasser zusätzlich in die Kanalisation und in die Flüsse. Die Bundesregierung will zwar diesen Landschaftsverbrauch auf 30 Hektar am Tag senken, aber bislang sind die Erfolge gering. Je weniger verbaut wird, desto weniger Hochwasser. Eine praktikable Alternative wäre, Regenwasser in Neubaugebieten nicht mehr in den Kanal zu leiten, sondern in Zisternen, oder es versickern lassen.

 

Zu dicht am Wasser gebaut

Wer will nicht gerne am Fluss wohnen? Vom Wasser geht eine beruhigende Atmosphäre aus. Der Blick schweift über den majestätischen Strom, ein tolles Gefühl. In den letzten Jahrzehnten sind immer mehr Menschen an die Flüsse gezogen. Sie bauten Häuser und lagerten enorme Werte in dieser Landschaft. Wenn dann das Wasser kommt, ist der Aufschrei groß. Wer hätte das gedacht. Dieser liebliche Fluss, plötzlich so wild. Nun ja, wer sich ein wenig mit den Chroniken seiner Heimat beschäftigt hätte, dem wären die Flutkatastrophen der Vergangenheit möglicherweise nicht entgangen. Das Risiko war bekannt, und viele sind es bewusst eingegangen. Selbst Mojib Latif weist hierauf in seinen zahlreichen Medienauftritten hin, z.B. in diesem Beitrag im Nordkurier:

LATIF: Was sind die größten Versäumnisse beim Hochwasserschutz? Es wurde viel zu dicht an den Flüssen gebaut. Die Flüsse holen sich bei Hochwasser die Urstromtäler zurück. Es müssen mehr Flussabschnitte renaturiert werden. Leider haben sich einige Kommunen in zahlreichen Rechtsstreitigkeiten über den Hochwasserschutz verzettelt.

Da wundert es schon sehr, wenn dringend benötigte Hochwasserschutzmaßnahmen aus finanziellen Gründen oder aufgrund von Bürgerprotesten nicht vorgenommen werden können. Vorfahrt für den Hochwasserschutz, sagt daher FDP-Generalsekretär Gero Hocker in der Nordsee-Zeitung:

FDP-Generalsekretär Gero Hocker: Sicherungsmaßnahmen gegen Hochwasser müssten Priorität haben. Und an Rot-Grün gewandt verbat sich Hocker sogleich „schablonenhafte Erklärungen“ wie den Klimawandel. Dann wäre auch mehr Geld für den Hochwasserschutz da, statt Millionen mit zweifelhaften Klimaschutzprogrammen zu verschwenden, so Hocker.

Wenn das Hochwasser allmählich wieder zurück geht, kommt so manches Interessantes zutage. So äußerte sich Mojib Latif in einem Hochwasserinterview im Focus wie folgt:

Latif: Wir sprechen jetzt über eine Erderwärmung im 20. Jahrhundert von 0,7 Grad Celsius. Also ich denke mal, das werden vielleicht in den kommenden 30 Jahren noch einmal 0,2 bis 0,3 Grad Celsius sein. Das klingt wenig, aber weltweit gesehen ist es das nicht. Die globale Temperatur macht normalerweise in so kurzer Zeit nicht so große Sprünge.

Merkt der gute Mann eigentlich noch, was er da sagt? In den kommenden 30 Jahren sieht Latif eine Erwärmung von 0,2-0,3°C. Das würde etwa 0,07-0,1°C pro Jahrzehnt sein. Dies ist nur etwa halb so viel wie der Weltklimarat IPCC postuliert. Der IPCC fordert nämlich knapp 0,2°C Erwärmung pro Jahrzehnt. Warum sagt Latif nicht klar und deutlich, dass er die CO2-Klimasensitivität des IPCC für übertrieben hält? Warum kann Latif nicht eingestehen, dass er mit seiner Prognose im Prinzip die reduzierte Klimawirkung unterstützt, wie wir sie in unserem Buch „Die kalte Sonne“ präsentiert haben? Aus dem zurückweichenden Hochwasser kommen seltsame Dinge zutage…