Im Sommer 2012 wurden die Vereinigten Staaten von einer schlimmen Hitzewelle heimgesucht, über die Spiegel Online am 8. August 2012 berichtete:
Eine solche Hitzewelle gab es in den USA noch nie. […] Der zurückliegende Juli [2012] war in weiten Teilen des Landes der wärmste Monat seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1895. Das teilte die Behörde für Wetter und Ozeanographie am Mittwoch [8.8.2012] in Washington mit. In den 48 zusammenhängenden US-Staaten des nordamerikanischen Kontinents wurde im vergangenen Monat [Juli 2012] eine Durchschnittstemperatur von 25,3 Grad Celsius gemessen. Das brach den bisherigen Wärmerekord vom Juli 1936. Zudem lag der Juli gut 1,8 Grad über dem im 20. Jahrhundert gemessenen Mittelwert. Gemessen an den ersten sieben Monaten ist das Jahr 2012 für die USA zudem das wärmste seit Beginn der Klimaaufzeichnungen. Das gleiche gilt für die zwölfmonatige Periode von August 2011 bis Juli 2012. Zudem sei deutlich weniger Regen gefallen als üblich, mittlerweile herrscht laut Wissenschaftlern in fast 63 Prozent des Festlandes eine Dürre.
Der NASA-Klimatologe James Hansen ist sich nahezu sicher, dass die nordamerikanische Hitzewelle von 2012 sowie Hitzewellen in Texas (2011), Russland (2010) und Europa (2003) mit dem Klimawandel zusammenhängen. Er kann sich jedenfalls keine andere Erklärung vorstellen, wird er in einem Beitrag in The Telegraph im August 2012 zitiert. Seine Überzeugung nimmt er aus einer Studie, die er kurz zuvor in den Proceedings der US-Akademie der Wissenschaften (PNAS) zusammen mit Kollegen veröffentlicht hatte. Das pdf ist dort übrigens kostenlos herunterladbar, da es sich um einen sogenannten Open-Access-Artikel handelt. In der Arbeit untersuchten die Forscher die Temperaturen der letzten 60 Jahre und verglichen sie mit den Hitzewellen.
Die Welt schrieb damals über die Studie:
Extrem heiße Sommer in den vergangenen Jahren sind höchstwahrscheinlich eine Folge des Klimawandels. Das berichten Forscher in den aktuellen «Proceedings» der US-Akademie der Wissenschaften («PNAS»). In den vergangenen drei Jahrzehnten habe es mehr und mehr Anomalien bei den saisonalen Durchschnittstemperaturen gegeben. Das Team um James Hansen von der Universität Columbia (US-Staat New York) spricht von «dramatischen» Änderungen. Die Wissenschaftler untersuchten, welche Schwankungen es bei den saisonalen Durchschnittstemperaturen in den vergangenen 30 Jahren gab – also dem Zeitraum, in dem sich die globale Erderwärmung besonders stark bemerkbar gemacht habe. Zum Vergleich zogen sie Daten aus der Zeit von 1951 bis 1980 heran – einer Periode mit «relativ stabilen globalen Temperaturen», so die Forscher. Neben dem generellen Trend der Erderwärmung sei vor allem ein neues Phänomen beobachtbar: extrem heiße Sommer. […]. «Wir können mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen, dass solche extremen Anomalien ohne die globale Erwärmung nicht vorgekommen wären», schreiben die Forscher.
Der Stern titelte noch mutiger „Hitzewellen sind Folge des Klimawandels“ und förderte sogleich weitere Unterstützer aus dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) zutage:
Mit dieser Einschätzung stehen die US-Amerikaner nicht alleine da. „Wenn die globale Erderwärmung weiter so zunimmt wie in den vergangenen drei, vier Jahrzehnten, dann können wir noch mehr dieser extrem heißen Sommer erwarten“, sagt Dim Coumou vom [PIK]. „Auch für Deutschland wird erwartet, dass es in Zukunft im Sommer mehr Temperatur-Ausreißer geben wird.“
Coumou hatte 2011 zusammen mit seinem Kollegen Stefan Rahmstorf – ebenfalls in PNAS – eine Studie veröffentlicht, in der sie die Russische Hitzewelle von 2010 mit 80% Wahrscheinlichkeit der Klimaerwärmung anlasten wollten. Ärgerlich nur, dass ein neunköpfiges Untersuchungsteam der US-amerikanischen National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) in Zusammenarbeit mit der University of Colorado at Boulder das genaue Gegenteil herausfand. In ihrer in den Geophysical Research Letters veröffentlichten Studie kommen sie zu dem klaren Schluss, dass der russische Hitzesommer von 2010 überwiegend auf natürliche Variabilität in der Atmosphäre zurückzuführen ist („We conclude that the intense 2010 Russian heat wave was mainly due to natural internal atmospheric variability. Slowly varying boundary conditions that could have provided predictability and the potential for early warning did not appear to play an appreciable role in this event”). Die Studie dieser Experten-Gruppe unterschlägt uns der Stern doch glatt. Nicht schön. Mittlerweile haben andere Forscher versucht, den russischen Hitzewellen-Streit zwischen NOAA und PIK zu schlichten. Eine kürzliche Studie von Kevin Trenberth und John Fasullo vom National Center for Atmospheric Research (NCAR) in Boulder, Colorado, ergab nun, dass die Ursache der russischen Hitzewelle 2010 und anderer Extremwetterereignisse im selben Jahr gar nicht feststellbar ist. Die Klimamodelle können Vorgänge wie Monsun, klimatische Fernverknüpfungen und Wetterblockaden noch gar nicht in ausreichender Genauigkeit nachbilden („Attribution is limited by shortcomings in models in replicating monsoons, teleconnections and blocking“). Die Studie erschien im September 2012 im Journal of Geophysical Research.
Interessant ist bei der ganze Hitzewellen-Diskussion, dass die Vertreter der anthropogenen Klimakatastrophenseite kein unbeschriebenes Blatt sind. Die Welt deutete dieses Problem in ihrem Beitrag ganz vorsichtig an:
„Das ist nicht irgendeine wissenschaftliche Theorie“, sagte Hansen der Nachrichtenagentur AP. Die Welt erlebe nun viel mehr eine wissenschaftliche Tatsache. Hansen ist eine unter Klimaexperten geachtete Person, gleichwohl betätigt er sich auch als Aktivist, der sich für die Reduzierung von Treibhausgasen stark macht.
In unserem kürzlichen Blogbeitrag „Wer ist James Hansen?“ sind wir auf Hansens schillende Vergangenheit näher eingegangen („So setzte er die anthropogene Erwärmung mit 400.000 Hiroshima-Atombomben pro Tag gleich und sah in Kohletransporten auf der Schiene die Todeszüge aus der Nazizeit wieder aufleben“). Und auch Stefan Rahmstorf ist bekanntlich nicht unumstritten. So wurde Rahmstorf 2011 vom Landgericht Köln wegen einer Blog-Attacke gegen eine Journalistin verurteilt, da er laut Gericht Unwahres behauptet hat (siehe Beitrag im Spiegel). Erst kürzlich fiel Rahmstorf wieder mit Klimakurven auf, die in krasser Weise von denen im Entwurf des gerade entstehenden 5. Klimazustandsberichts abwichen (siehe Blogbeitrag „Rätsel Rahmstorf“). Der Geesthachter Klimawissenschaftler Eduardo Zorita hatte in der Vergangenheit gefordert, Stefan Rahmstorf aus dem IPCC-Betrieb zu entfernen, da er seine wissenschaftlichen Einschätzungen als nicht mehr glaubhaft ansah (siehe unseren Blogbeitrag „Eduardo Zorita vom Helmholtz-Zentrum Geesthacht: IPCC-Zusammenfassungen sind Resultat obskurer Verhandlungen“). Und in der Tat, Rahmstorf ist im neuen IPCC-Bericht als Autor nicht mehr mit dabei (siehe Autorenliste), ebenso wie James Hansen, der jedoch noch nie ins IPCC-Autorenkollegium aufgenommen wurde.
Kommen wir jetzt aber mal zurück zur nordamerikanischen Hitzewelle 2012 und James Hansens Studie. Wie kann sich Hansen so sicher sein, dass der heiße US-Sommer 2012 und die Dürre in Texas 2011 ein Produkt der Klimakatastrophe ist? Er sagt, er hätte eine solide Grundlage mit Temperaturdaten, die bis 1951 zurückreichen. Ach ja. Hat sich schon mal jemand Gedanken gemacht, warum Hansen nicht noch weiter zurückgegangen ist? Einigermaßen verlässliche Temperaturdaten gibt es doch seit mindestens 1850.
Und in der Tat, wenn wir uns die nordamerikanische Temperaturentwicklung anschauen, finden wir in den 1930er Jahren etwas überaus Interessantes. Zu dieser Zeit wurden die USA von einer Serie schlimmer Hitzewellen heimgesucht, mit vergleichbaren Temperaturen wie 2012. Dies ist die berühmte Zeit der „Dust Bowl“, vielleicht erinnern Sie sich an Ihren Erdkundeunterricht. Alle anderen dürfen auf Wikipedia spicken. Zu ärgerlich, Hansen hat einfach die letzte große Hitzewellenserie aus seinen Daten ausgeklammert. Da ist es dann kein Wunder, wenn das eigene Pferd siegreich über den Zielstrich galoppiert. Wenn man den ärgsten Konkurrenten vorher kaltstellt und dieser zum Rennen gar nicht antreten kann, steht der Sieger so gut wie vorher fest. Zu diesem Thema haben wir hier noch eine weitere Wikipedia-Empfehlung. Hansens Studie zog in der Folge zahlreiche Kritik auf sich (z.B. WUWT). Auch aus der NOAA-Gruppe, die sich mit der russischen Hitzewelle von 2010 beschäftigt hatte, hagelte es Kritik. So wurde der NOAA-Forscher Martin Hoerling in der New York Times zitiert, dass es sich bei der neuen Hansen-Arbeit nicht um seriöse Wissenschaft handelt. Es würde sich in dem Artikel vor allem um „Empfindung“ (perception) handeln, ein Wort das sogar im Titel der Arbeit auftaucht. Hansen würde zudem alle Dürren in einen Topf werfen, egal ob durch hohe Temperaturen oder mangelnden Regen verursacht. Hoerlings Kritik wurde auch im Fachmagazin Nature vorgestellt. Ironischerweise hatte Hansen 1999 noch erklärt, er würde keine Häufung von Hitzewellen und Dürren für die Zukunft erwarten. Wie wir heute wissen, ist die globale Temperatur nicht mehr angestiegen, seit Hansen dieses Statement gemacht hatte. War er nun doch auf die Hitzewellen plötzlich angewiesen, um die Klimaangst in Zeiten der fehlenden globalen Erwärmung weiter schüren zu können?
Schauen wir nun auf die Bilanz der US-Hitzewelle von 2012. Die Temperaturen liegen jetzt natürlich mittlerweile alle vor. Was glauben Sie wohl, in wie vielen der 50 US-Bundesstaaten neue Temperaturrekorde aufgestellt wurden? Schätzen Sie einfach mal. Vielleicht zehn, vielleicht zwanzig? Die NOAA hat die Daten jetzt veröffentlicht. Das Ergebnis überrascht: Kein einziger Bundesstaat hat im Rahmen der Hitzewelle 2012 einen neuen Temperaturrekord aufstellen können. Kein einziger. Die meisten Temperaturhöchstleistungen stammen immer noch aus den 1930er Jahren, aus der Dust Bowl-Zeit (siehe Abbildung 1).
Abbildung 1: Jahresangabe des im jeweiligen US-Bundesstaat registrierten Temperaturrekords. Quelle: WUWT basierend auf NOAA-Daten.
Wie sieht es nun mit den US-weit gemittelten Zahlen aus? Laut Angaben des US-amerikanischen National Climatic Data Center (NCDC) erreichte der Juni 2012 lediglich den 15. Platz auf der US-Temperaturhitliste. Die Spitzenplätze für diese Monat nehmen die Jahre 1933, 1918, 1952, 1931, 1934, 1911 und 1936 ein. Neben dem Spitzenreiter steuert die Dust Bowl gleich noch drei weitere Einträge in der genannten Top 7-Liste bei. Auch in der NOAA-Wertung nimmt der Juni 2012 keinen Spitzenplatz ein.
Den Juli 2012 sehen NCDC und NOAA jedoch ganz vorn, noch vor dem bisherigen Juli-Spitzenreiter aus dem Jahr 1936. Temperaturdaten-Spezialist Roy W. Spencer von der Universität Alabama in Huntsville gibt hingegen zu bedenken, dass die mittleren Tageshöchsttemperaturen im Juli 1936 deutlich höher waren als 2012. Da sich jedoch im Zuge der Klimaerwärmung der letzten 80 Jahre die Tagestiefsttemperaturen merklich erhöht haben, konnte der Juli 2012 schließlich nach Verrechnung von Tageshöchsttemperaturen und Tagestiefsttemperaturen knapp am Wert von 1936 vorbeiziehen. Wenn man dazu noch mögliche, unvollständig korrigierte städtische Wärmeinseleffekte berücksichtigt, die sich in die neueren Messungen eingeschlichen haben, dann sieht Spencer keine Grundlage dafür, den Juli 2012 als neuen Rekord zu bezeichnen.
Abbildung 2: Juli-Temperaturen in den USA. Quelle: Roy Spencer.
In der Presse wurde zudem von zahlreichen neuen Temperaturmarken der einzelnen Wetterstationen berichtet. Hier gilt jedoch zu berücksichtigen, dass viele Stationen erst lange nach den heißen Dust Bowl Sommern der 1930er in Dienst gestellt wurden. In solchen Fällen von Rekorden zu sprechen ist wie Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Auch der Direktor des Earth System Science Center an der University of Alabama in Huntsville, John Christy, sieht die Hitzewellen der 1930er Jahre zu wenig in die Bewertungen des Sommers 2012 einbezogen. Dies erklärte er in einer Anhörung vor einer Kommission des US-Senats:
Dust Bowl Foto oben rechts: Arthur Rothstein, for the Farm Security Administration / Lizenz: As a work of the U.S. federal government, the image is in the public domain.