Der Meeresspiegel steigt, dies ist unbestritten. Jedes Jahr kommen momentan etwa 1,8 mm dazu. Und das ist auch wenig verwunderlich, denn wir befinden uns in einer klimatisch warmen Phase – der Modernen Wärmeperiode – die kräftig an den großen Eisschilden in den Polargebieten sowie den vielen Gebirgsgletschern nagt. Das hier produzierte Schmelzwasser gelangt dann ins Meer. Aber die warmen Temperaturen besorgen noch einen zweiten Effekt. Warmes Wasser nimmt nämlich mehr Platz ein als kaltes, so dass sich das Volumen des in den Ozeanen gespeicherten Meerwassers erhöht. Da das Ozeanbecken nach unten und zu den Seiten begrenzt ist, kann sich der Wasserkörper nur nach oben ausdehnen und trägt so ebenfalls seinen Teil zum Meeresspiegelanstieg bei.
Die entsprechenden Anteile von Eisschmelze und Wasserausdehnung kann man berechnen, und genau dies hat der Weltklimarat in seinem letzten Bericht von 2007 auch getan. Überraschenderweise kamen die Forscher jedoch nicht auf einen Meeresspiegelanstieg von 1,8 mm pro Jahr, sondern nur auf 1,1 mm. Irgendetwas schien also noch zu fehlen. Nun scheint das Rätsel gelöst und die fehlenden 0,7 mm pro Jahr gefunden zu sein. Der Focus berichtete am 20.5.2012:
Grund für den Anstieg der vergangenen Jahrzehnte sei neben dem Klimawandel vor allem die massive Nutzung von Grundwasser, berichteten japanischer Forscher in einer am [20.5.2012] veröffentlichten Studie. Die Wissenschaftler wollen das letzte Puzzlestück zum Mysterium „steigender Meeresspiegel“ gefunden haben. Das Grundwasser, so die These, werde aus unterirdischen Flüssen, Seen oder anderen Reservoirs abgepumpt und gelange so in die Ozeane. Die Reserven im Boden würden hingegen nicht mehr aufgefüllt, berichteten die Wissenschaftler um Yadu Pokhrel von der Universität von Tokio.
Die besagte Arbeit erschien im Fachmagazin Nature Geoscience. Pokhrel und seine Kollegen dokumentierten in der Studie, dass die nicht nachhaltige Grundwassernutzung, künstliche Wasserspeicherseen, Klimawandel-bedingte Änderungen in der terrestrischen Wasserspeicherung und der Verlust von Wasser aus isolierten Becken in der Zeit von 1961 bis 2003 zusammen etwa 42% des beobachteten Meeresspiegelanstiegs verursacht haben, was 0,77 mm pro Jahr entspricht. Von den genannten Faktoren kommt der nicht nachhaltigen Nutzung von Grundwasser mengenmäßig die größte Bedeutung zu (siehe auch Berichte in der Welt, Nature, der Augsburger Allgemeinen und junkscience).
Was bedeutet dies? Es sieht so aus, als wenn der klimabedingte Anteil des Meeresspiegelanstiegs in den Klimamodellen deutlich überschätzt worden ist. Der nicht zu vernachlässigende Beitrag der Grundwassernutzung wurde bislang von einigen Wissenschaftlern teilweise mit klimatischen Ursachen erklärt, was sich nun als fehlerhaft darstellt.
Natürlich waren Vertreter der beschleunigten Sintflut über die neue japanische Publikation gar nicht erfreut. Es dauerte nicht lange, bis sich der Potsdamer Stefan Rahmstorf in seinem Blog meldete und die Ergebnisse der Kollegen sogleich anzweifelte. Dazu muss man wissen, dass Rahmstorf einer der heftigsten Verfechter von zukünftig beschleunigten Meeresspiegelanstiegen ist und Erhöhungen von mehr als einem Meter bis zum Ende des Jahrhunderts für möglich hält. Dass der Klimawandel bisher nur ein Zehntel der von ihm für die Zukunft insgesamt angenommenen Anstiegsrate bewirkt haben soll, kann ihm nicht gefallen. Es hat schon einen leicht klimareligiösen touch, wenn Rahmstorf in seinem Blog über das neue Paper in Nature Geoscience urteilt: „Allein mir fehlt der Glaube.“
Rahmstorf schreibt in seinem Blogartikel: