Von Daniel Albig und Sebastian Lüning
Die Gegend rund um das Mittelmeer gilt als eine der Regionen, die sehr sensibel auf Klimaschwankungen reagiert. Der Anstieg der Temperaturen werde dort besonders stark ausfallen, heißt es in bestimmten Modellierungsstudien. Im Jahr 2007 prophezeiten Wissenschaftler sogar, künftig bestehe im Mittelmeer die Gefahr, dass sich tropische Zyklone bilden. Aber was sagt die vorindustrielle Klimageschichte zu derartigen Vorstellungen? Gibt es wirklich einen Zusammenhang zwischen Sturmtätigkeit und Temperatur im Mittelmeergebiet?
Ein französisches Forscherteam um den Geologen Pierre Sabatier hat nun detailliert untersucht, wie sich Stürme und Erderwärmung in der Region historisch zueinander verhalten haben. In einer Studie, die im Januar 2012 in der Zeitschrift Quaternary Research erschien, betrachteten sie dazu die vergangenen 7.000 Jahre. Basis ihrer Untersuchung war ein insgesamt fast acht Meter langer Sedimentkern, der im März 2006 in der Pierre Blanche Lagune im südfranzösischen Golf von Lion, etwa zehn Kilometer südlich von Montpellier aus dem Meeresboden gezogen wurde. Die Wissenschaftler untersuchten Veränderungen an den Ablagerungen der Lagune, in der heute das Wasser rund 60 Zentimeter tief steht. An Variationen der Korngröße des Sandes, der Lehmzusammensetzung und der eingelagerten Fossilien lasen sie Veränderungen in den Sturmmustern der Region ab. Analysiert wurde zum Beispiel die Häufigkeit verschiedener Arten von Wasserschnecken: So lebt die Bauchige Wattschnecke (lat.: hydrobia acuta) in Brackwasser, die Kleine Gitterschnecke (lat.: bittium reticulatum) hingegen in offenem Meer. Ein plötzlicher Anstieg der Ablagerungen der Gitterschnecke deutet auf vermehrte Sturmaktivität hin, weil die Lagune offensichtlich häufiger vom Meer überschwemmt wurde.
Anhand verschiedener solcher Indikatoren identifizierten die französischen Wissenschaftler sieben Perioden erhöhter Sturmaktivität vor 6300-6100 Jahren, vor 5650-5400 Jahren, vor 4400-4050 Jahren, vor 3650-3200 Jahren, vor 2800-2600 Jahren, vor 1950-1400 Jahren und vor 400-50 Jahren. Die Sturmaktivität schwoll also im Verlauf der letzten Jahrtausende immer wieder an, um dann zwischenzeitlich auch wieder abzuflauen.
Was könnte diese Schwankungen in der Sturmtätigkeit an der französischen Mittelmeerküste nun ausgelöst haben? Auf der Suche nach möglichen Zusammenhängen, verglichen die französischen Forscher ihre Sturmentwicklung mit der Temperaturentwicklung im Nordatlantik. Diese war vor mehr als zehn Jahren von einem Team um Gerard Bond anhand von Eisbergschutt an Tiefseebohrkernen rekonstruiert und im Fachjournal Science publiziert worden. Die Bond-Gruppe konnte damals nachweisen, dass sich die Temperaturzyklen synchron zur Sonnenaktivität vollzogen.
Und was zeigte der Vergleich? Die Stürme im nordwestlichen Mittelmeer traten bevorzugt in Kälteperioden auf. Die Sonnenaktivität spielte dabei eine wichtige Rolle: Immer wenn die Sonne schwächelte, wurde es kalt und stürmisch. Wenn die Sonne wieder aufdrehte, stiegen die Temperaturen und der Wind flaute wieder ab (Abbildung 1). Haupt-Antrieb waren offensichtlich die solaren Bondzyklen. Hinzu kommen noch einige sonnenunabhängige, klimasysteminterne Schwankungen, die das Bild letztendlich komplett machen.