Unsere Wissenschaft ist empirisch. Nur soweit Erfahrung möglich ist, ist Naturwissenschaft möglich. Erfahrung heißt, dass man aus der Vergangenheit für die Zukunft, aus dem Faktischen für das Mögliche lernt.
Carl Friedrich von Weizsäcker (1912-2007), deutscher Physiker, Wissenschafts-Philosoph und Friedensforscher
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Gerade im Bereich der Hochwasser-Forschung lohnt ein Blick in die Vergangenheit allemal. Wer das Muster der Vergangenheit nicht kennt, kann auch nicht die Zukunft korrekt vorhersagen. So einfach ist das. Eine französisch-schweizerische Forschergruppe um Boris Vannière veröfentlichte im September 2012 im Fachmagazin Climate of the Past Discussions aufschlussreiche neue Daten zur Hochwasser-Entwicklung in Norditalien. Anhand von Sedimentuntersuchungen konnten die Wissenschaftler eine Hochwasser-Statistik des Ledrosees für die letzten 10.000 Jahre erstellen. Wann gab es die meisten Hochwasser-Phasen, während warmer oder kalter Phasen? Was könnte der Auslöser für Fluktuationen in der Flut-Historie gewesen sein? Auf der Suche nach Antworten lesen wir hierzu zunächst die Kurzfassung der Arbeit (Fettsetzung ergänzt, siehe auch Abbildung 1):
Die Daten zeigen eine Entwicklung, die mit einer geringen Fluthäufigkeit im frühen und mittleren Holozän 10.000-4.500 Jahre vor heute beginnt. Leichte Anstiege in der Häufigkeit traten vor 8000, 7500 und 7100 Jahren auf. Das letzte Drittel des Holozäns ist durch eine Verlagerung hin zu einer erhöhten Hochwasser-Häufigkeit verbunden, die 4500 bis 4000 Jahre vor heute einsetzte. Mit Ausnahme von kurzen Intervallen 2900-2500 und 1800-1400 Jahre vor heute, als etwas weniger Hochwasser auftraten, hält dieser Trend mit häufiger werdenden Fluten bis ins 20. Jahrhundert an. Das Maximum liegt zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert.
Die kurzen Anstiege in der Hochwasser-Häufigkeit im frühen und mittleren Holozän sind durch Kältephasen ausgelöst worden. In einem Maßstab von hunderten von Jahren können Veränderungen in der Hochwasser-Häufigkeit mit langandauernden Klimawechseln wie etwa dem Neoglazial und der Kleinen Eiszeit in Verbindung gebracht werden, die wiederum durch Milankovitsch Zyklen und möglicherweise Sonnenaktvitätsschwankungen bedingt sind.
Abbildung 1: Hochwasser-Häufigkeit am Ledrosee in Norditalien während der vergangenen 10.000 Jahre. Aus Vannière et al. 2012.
Interessant. Die schlimmsten Hochwasser in Norditalen gab es also während der Kleinen Eiszeit, vor Beginn der globalen Industrialisierung. Seitdem sind die Fluten wieder weniger häufig geworden. Zoomen wir uns jetzt etwas näher in dieses Intervall hinein (Abbildung 2). Die Autoren schreiben in ihrem Paper:
Der langfristige Trend mit einer Zunahme der Flut-Häufigkeit während des letzten Jahrtausends umfasst zwei aufeinanderfolgende Perioden mit geringer und hoher Häufigkeit, die mit der Mittelalterlichen Wärmeperiode und der Kleinen Eiszeit (1500-1850) zusammenfallen.
Das sieht man sehr schön, wenn man Abbildung 2 betrachtet, ebenso den Absturz nach Ende der Kleinen Eiszeit. Nun wissen wir, dass die Mittelalterliche Wärmeperiode, Kleine Eiszeit und Moderne Wärmeperiode weitgehend synchron zur Entwicklung der Sonnenaktivität erfolgte. Könnte vielleicht, aber nur vielleicht, die Sonnenaktivität auch einen Einfluss auf die Hochwasser-Entwicklung genommen haben? Lesen wir hierzu, was Boris Vannière und seine Kollegen herausgefunden haben:
weiter lesenHochwasser in Norditalien ereigneten sich bevorzugt zu Zeiten geringer Sonnenaktivität