Bereits mehrfach haben wir an dieser Stelle über einen ungelösten Interessenskonflikt berichtet, der bislang viel zu wenig in der Öffentlichkeit diskutiert wurde. Jahrelang wurden Studien der Versicherungsbranche von den Medien ungeprüft und unkritisch übernommen, in denen Ängste vor einer bevorstehenden Klimakatastrophe geschürt wurden. Dass damit gleichzeitig auch der Absatz und Wert von Extremwetterversicherungen gesteigert wurde, wurde weitgehend ausgeblendet (siehe z.B. unsere Blogartikel „Munich Re rührt wieder kräftig die Werbetrommel für Sturm- und Dürreversicherungen“ und „Die Versicherungswirtschaft und die Klimakatastrophe: Eine unheimliche Liaison“).
Allmählich dämmert den Redakteuren jetzt jedoch, das hinter den großzügig von den Versicherungsunternehmen gesponsorten Studien mehr stecken könnte als harmlose Wissenschaftsförderung. Auf Spiegel Online befasste sich Mitte Oktober 2012 Axel Bojanowski in seinem Artikel „Profitable Katastrophen-Prognosen: Forscher rügen Klimawarnungen von Versicherungen“ mit dem sensitiven Thema:
Stärkere Hurrikane, Gewitter, Niederschläge: Versicherungen verdienen am Wetter-Geschäft. Die Münchener Rückversicherung (MR) will den ersten Beweis dafür gefunden haben, dass der vom Menschen gemachte Klimawandel in Nordamerika immer mehr Wetterkatastrophen auslöst. Wissenschaftler sind entsetzt. […] Seit 1980 hätten sich die Sachschäden durch Wetterkatastrophen in Nordamerika verfünffacht, berichtet die Münchener Rück; nirgendwo auf der Welt habe es einen stärkeren Anstieg gegeben. Neben der wachsenden Bevölkerung und wachsenden Städten sei für die Zunahme auch der anthropogene, also vom Menschen verursachte, Klimawandel verantwortlich, teilt die Rückversicherung in einer Pressemitteilung mit, mit der sie ihre Studie zum Thema bekannt macht. „Eine derart starke Beweiskette für den Einfluss des Klimawandels hat es bislang noch nicht gegeben“, sagt der Leiter des Fachbereichs Geoforschung bei der MR, Peter Höppe.
Wissenschaftler jedoch vermissen Beweise: „In der Studie stehen sie nicht“, wundert sich der Umweltforscher Roger Pielke Junior von der University of Colorado in Boulder, USA. „Das meiste darin ergibt keinen Sinn, und es widerspricht den Beobachtungen“, ergänzt der Atmosphärenforscher Clifford Mass von der University of Washington in Seattle.
Da wären zum Beispiel die Wirbelstürme. Immer wieder schlagen sie in den USA und anderswo zu und bringen Tod und Zerstörung. Hier zeigt die Natur ihre schlimme Seite, wie gerade wieder an der US-Ostküste geschehen. Gegen Sachschäden kann man sich versichern. Wegen der vielen Verträge insgesamt ein lohnendes Geschäft – trotz der hohen zu begleichenden Schadenssummen. Würde man noch mehr Kunden an Land ziehen, wenn sich das Hurrikan-Risiko weiter steigern würde? Spiegel Online schreibt:
Die Erwärmung der Ozeane hätte Wirbelstürme angefacht, meint Höppe: „Je höher die Meerestemperaturen, desto größer das Risiko für starke Hurrikane“, sagt er. Andere Kräfte jedoch können die Wirbelstürme bremsen, etwa Scherwinde und Staubwolken. Um zu klären, ob Hurrikane tatsächlich gefährlicher geworden sind, oder ob einfach nur mehr Siedlungen in ihrem Weg stehen, müssen Forscher die Stürme der vergangenen Jahrzehnte vergleichbar machen: Sie kalkulieren, welche Wirkung Hurrikane gehabt hätten, wenn die Bebauung früher so dicht gewesen wäre wie heute. Eine solche Studie von Pielke von vor vier Jahren hatte ein überraschendes Ergebnis gebracht: Der zerstörerischste Hurrikan wäre bei gleicher Bebauung wie heute der von Miami 1926 gewesen, gefolgt von Katrina 2005 und zwei Hurrikanen in den Jahren 1900 und 1915. Ein Klimatrend zu kräftigeren Wirbelstürmen in den USA war nicht auszumachen.
Für Leser unseres Buches „die kalte Sonne“ bzw. Stammleser unseres Blogs sollte sich dies vertraut anhören. Wir berichteten bereits ausführlich über die natürlichen Hurrikanzyklen und fehlende Steigerungstrends (siehe z. B. unser Blogartikel „Hurrikanen scheint die Erwärmung egal zu sein: Keine Zunahme der tropischen Wirbelstürme in den letzten Jahrzehnten„).
Auch bei den Tornados räumt Spiegel Online mit einem weitverbreiteten Mißverständnis auf:
Ein ebenso überraschendes Ergebnis präsentiert Pielke zusammen mit zwei Kollegen nun auch für Tornados in den USA in einer Studie, die in Kürze im Fachmagazin “ Environmental Hazards“ erscheinen soll. Tornados sind die kleinen Verwandten von Hurrikanen. Die Auswertung von 56.457 Tornados seit 1950 habe gezeigt, dass der Schaden durch die Windhosen zurückgegangen wäre, hätte über die vergangenen sechs Jahrzehnte die gleiche Bebauung bestanden, schreibt Pielke.
Auch hierüber schrieben wir bereits an dieser Stelle. Siehe unseren Blogartikel „Was ist die Ursache der Tornado-Häufung von 2011 in den USA? Menschengemachter Klimawandel oder natürliche Variabilität?„. Erstaunt über die fragwürdigen Aussagen des Münchener Rück-Berichts, kommt Spiegel Online zu einem erstaunlichen Ergebnis:
Angesichts dieser Widersprüche müssen auch andere Aussagen der MR-Studie zweifelhaft erscheinen.
Lesen Sie den vollständigen Artikel auf Spiegel Online.
Andere Medien hingegen spielen das alte Spiel weiter wie gehabt. Der Internetdienst Solarportal24.de zum Beispiel übernahm die entsprechende Pressemitteilung der Münchener Rückversicherung in gewohnter Weise unkritisch und unkommentiert. Es ist sicher nur Zufall, dass auf der gleichen Plattform auch Solarversicherungen angeboten werden…
Siehe auch englischsprachiger Beitrag auf notrickszone.com.
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