Eines der großen ungelösten wissenschaftlichen Probleme ist die klimatische Wirkungsweise von Schwankungen der Sonnenaktivität. Die aktuellen Klimamodelle behaupten, dass solare Schwankungen nahezu bedeutungslos wären. Geologen hingegen finden in der Klimageschichte der letzten 10.000 Jahre eine erdrückende Anzahl von Fallbeispielen, bei denen das Klima synchron zur Sonnenaktivität verlief. Es muss also etwas geben, was in den Modellen bisher zu wenig berücksichtigt worden ist. Der Schlüssel zum Problem liegt höchstwahrscheinlich bei den „Solarverstärkern“, also Mechanismen, die die solaren Strahlungsänderungen soweit verstärken, dass sich ein bedeutendes Klimasignal ergibt. Leser unseres Buches „Die kalte Sonne“ kennen bereits die verschiedenen derzeit in der Wissenschaft diskutierten Lösungsansätze (siehe Kapitel 6: Die unverstandenen Klimaverstärker. S. 220ff). Die beiden wichtigsten Kandidaten sind ein Prozess über die kosmische Strahlung und Wolken, sowie ein UV-Verstärker der über Ozon und die Stratosphäre abläuft (siehe z.B auch „Neue Hinweise auf den UV-Solarverstärker: Verknüpfung von Stratosphäre und Ozeanen über arktische Winde südlich von Grönland„).
Die große Frage beim zweiten Mechanismus ist, wie Veränderungen in der mittleren Atmosphäre (der Stratosphäre) mit dem Wettergeschehen bei uns in Bodennähe (Troposphäre) miteinander gekoppelt sein könnten. Eine deutsche Forschergruppe aus Mitgliedern der Universität Bremen (Marum) und der Freien Universität Berlin um Vidya Varma hat nun neue, hochinteressante Ergebnisse zu diesem Thema beigesteuert. Mitte Oktober 2012 veröffentlichte die Forschergruppe in den Geophysical Research Letters eine Studie, in der sie anhand eines Klimamodells eine bedeutende Wechselwirkung zwischen Stratosphäre und Troposphäre für die vergangenen 400 Jahre belegen konnte. Entscheidend ist hierbei, dass Sonnenaktivitätsschwankungen in der Stratosphäre zu Veränderungen im dortigen Ozongehalt führen. Diese solar-bedingten Ozonschwankungen sind in den letzten Jahren auch per Satellit erstmals gemessen worden. Das verwendete Klimamodell zeigte nun, dass hierdurch die Westwinde in der Troposphäre der südlichen Halbkugel beeinflusst werden. In Phasen geringer Sonnenaktivität schwächen sich die Westwinde im südlichen Bereich ab und verschieben sich in Richtung Äquator.
Die Forscher überprüften ihr Modellierungsergebnis daraufhin mithilfe einer Klimarekonstruktion, die über einen Sedimentkern vorgenommen wurde, der am chilenischen Kontinentalabhang gezogen worden war. Der Vergleich der theoretischen Daten mit den realen Daten bestätigte die Modellierungsergebnisse: Während der besonders sonnenschwachen Phase des sogenannten Maunder Minimums (1645-1715) hatten sich die Westwinde in der Tat in Richtung Äquator verschoben, wie die geologischen Daten zeigten.
Die Studie liefert ein weiteres wichtiges Mosaiksteinchen bei der Enträtselung der klimatischen Wirkung unserer Sonne. Die Forschung hierzu ist noch voll im Gang, ein wissenschaftlicher Konsensus existiert hier noch nicht. Es bleibt zu hoffen, dass das Bremer Meeresforschungsinstitut Marum zur Studie schnellstmöglich eine entsprechende Pressemitteilung herausgibt, um die wichtigen, neuen Ergebnisse bekannt zu machen. Co-Autor der Studie ist übrigens Michael Schulz, der am 1. November 2012 die Leitung des Marum-Instituts von Gerold Wefer übernommen hat.