Von Meinhard Stalder
Vor kurzem erhielt ich eine Nachricht von Amazon, dass meine Rezension der „kalten Sonne“ einen weiteren Kommentar bekommen hat. Er bestand nur aus folgendem Link:
http://www.zeit.de/wissen/umwelt/2012-08/klimaforscher-vahrenholt-kritik/seite-1
Unter der Überschrift: „Forscher fühlen sich von Klimaskeptiker Vahrenholt instrumentalisiert“ war hier sinngemäß zu lesen, dass sich einige Forscher darüber beklagt hätten, dass die von Vahrenholt & Lüning zum Stützen ihrer Thesen zitierte Literatur sich zum Teil mit ganz anderen Fragestellungen beschäftige. Offen blieb dabei die Frage, was denn genau unter dem Wort „instrumentalisieren“ verstanden werden soll. Nüchtern betrachtet besteht wissenschaftliches Arbeiten immer aus zwei Elementen:
- Erheben von Datensätzen(ggf. korrigiert); diese dienen als Input
- Auswertung oder Interpretation dieser Daten, also einem Vergleich mit dem, was man gemäß bisher bekannter Modelle erwarten würde
Für eine gute wissenschaftliche Arbeit müssen beide Schritte stimmen! Sowohl bei Fehlern in den Eingangsdaten (schlampig erhoben?) als auch in den Schlussfolgerungen (Logik?) ist die Gültigkeit der Aussage nicht mehr garantiert. Sollten die oben genannten angeblich „instrumentalisierten“ Wissenschaftler also zu ihrer Arbeit stehen, dann müssen sie zugeben, dass sie unabhängig voneinander sowohl zu 1) ihren Daten als auch zu 2) der Art der Auswertung stehen. So weit so gut. Was Haben Vahrenholt & Lüning gemacht? Sie haben sich Nummer 1 (die Daten) angesehen und festgestellt, dass sich diese auch gut zur Überprüfung ihrer Thesen heranziehen lassen. Durchaus legitim. Die sonstigen Schlussfolgerungen der Originalarbeit haben damit gar nichts zu tun. Wem diese Tatsache nicht schmeckt, dem wird folgendes Beispiel auch nicht sonderlich gefallen:
Denn ein interessanter Hinweis auf die große Bedeutung der Wolken im Klimawandel-Puzzle kommt ausgerechnet aus dem Bereich der Photovoltaik-Industrie. Angesichts vieler Gigawatt installierter Leistung braucht man hier immer zuverlässigere Prognosen der zukünftigen Einstrahlung. Die „Einstrahlung“ besteht dabei aus zwei Komponenten: Zum einen ist da die auf direktem Weg eintreffende Solarstrahlung, die sogenannte Direktstrahlung (ca. 80%), zum anderen die sogenannte Diffusstrahlung (ca. 20%), die über Streuung an Wolken, Wasser- und Staubteilchen die Erdoberfläche und damit die Solarmodule gleichmäßig aus allem Richtungen erreicht. Bei bedecktem Himmel kommt meist nur ein Teil der Diffusstrahlung durch, und senkt an einem Sommertag die Einstrahlung von 1000W/m2 auf 100-200W/m2.
Nun gibt es glücklicherweise eine weit zurückreichende Messreihe der Globalstrahlung am Standort Potsdam. Bei der Auswertung dieser Zeitreihe stellte man nun fest, dass die Einstrahlung offenbar mit einer Periode von ca. 70 Jahren oszilliert (Abbildung 1).Die an der Potsdamer Messstelle gemessenen Schwankungen der Globalstrahlung betragen plus minus 5-10%, und sind damit deutlich stärker als im globalen Mittel. Ein solcher Zahlenwert ist jedoch durchaus plausibel und kann die global registrierte 1% Schwankung erklären, da eine zusätzliche Bewölkung weder in den Tropen (immer Wolken) noch im Wüstengürtel (meist zu trocken) entstehen kann. Übrig blieben vor allem die gemäßigten Breiten, die diesen Effekt dann überproportional stark zeigen müssten.
Abbildung 1: Langfristige Globalstrahlungsänderung am Standort Potsdam, Deutschland (Quelle: Deutscher Wetterdienst / Hamburg, Deutschland). Abbildungsquelle: Egler (2011)
Ein Vergleich des Potsdamer Globalstrahlungszyklus mit dem AMO-Ozeanzyklus bringt Überraschendes: Die Kurven verlaufen weitgehend synchron zueinander (Abbildung 2). Ob der Atlantische AMO-Zyklus die Wolkenbedeckung über Deutschland systematisch gemäß einem 60-70-jährigen Zyklus verändert hat? Dies würde eine der Kernthesen der „kalten Sonne“ stützen: Die systematische Beteiligung von Wolken am Klimageschehen. Henrik Svensmark hatte dazu vorgeschlagen, dass die Wolkenbildung in der Atmosphäre durch die Sonnenaktivität moduliert wird. Hinzu kommen noch mögliche Wolken-Effekte durch Ozeanzyklen wie etwa die Pazifisch Dekadische Oszillation (PDO) oder die Atlantische Multidekaden-Oszillation (AMO). Die prinzipielle Wirkungsweise ist klar: Mehr Wolken bringen Abkühlung, weniger Wolken führen zu Erwärmung.
Und auch der Vergleich mit der globalen Temperaturkurve bringt viel Übereinstimmung (Abbildung 3). Maxima um 1940 und 2000 sowie Minima um 1910 und 1970. Wie funktionieren die genauen Zusammenhänge? Die Wissenschaft sollte sich intensiv mit diesem Phänomen beschäftigen. Wenn hier wirklich die Wolken eine große Rolle spielen, wäre dann ein signifikanter Teil der Erwärmung von 1977-2000 vielleicht einer schwindenden Wolkendecke zuzurechnen?
Abbildung 2: Atlantische Multidekaden-Oszillation (AMO) von 1856 bis 2009. Es besteht eine große Ähnlichkeit im Verlauf mit der Globalstrahlungsänderung am Standort Potsdam (Abbildung 1). Abbildungsquelle: Wikipedia.
Abbildung 3: Globale Temperaturentwicklung der letzten 110 Jahre (GHCN). Abbildungsquelle: the Air Vent.