Kürzlich gab das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) eine Pressemitteilung heraus, in der für ein neues Katastrophen-Paper zum Indischen Monsun geworben wird, das Anfang November 2012 im Open Access Journal „Environmental Research Letters“ erschienen ist und frei heruntergeladen werden kann (Fettsetzung wurde ergänzt):
Indien könnte sich künftig häufigeren Störungen des Monsun ausgesetzt sehen. Das geht aus einer Studie von Jacob Schewe und Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung hervor. Das Papier in den Environmental Research Letters zeigt, dass schwere Störungen des indischen Sommermonsuns in den nächsten 200 Jahren bedingt durch den Klimawandel vermutlich häufiger auftreten werden.
„Der Monsun-Regen ist lebenswichtig für abertausende von Bauern in Indien und damit für die Ernährung des Landes mit der zweitgrößten Bevölkerung der Welt“, sagt Leitautor Schewe. „Mögliche Veränderungen von Niederschlagsmustern können deshalb wesentliche Konsequenzen für langfristige Pläne zur Anpassung der indischen Wirtschaft haben.“
Durch eine Analyse auf der Basis einer Computersimulation haben die Forscher herausgefunden, dass steigende Temperaturen und Veränderungen in der Stärke der pazifischen Walker-Zirkulation im Frühling zum Ende des 21.Jahrhunderts und bis ins 22.Jahrhundert hinein häufigere Störungen des Monsun verursachen können. Die Wissenschaftler gingen dabei bis zum Jahr 2200 von einer Temperaturerhöhung von circa 4.5 °C über vorindustriellem Niveau aus.
Während der durchschnittliche Monsun-Regen in den vergangenen Jahrhunderten relativ stabil war, wurde bereits ein Trend zur Zunahme der Anzahl von extremen Regenereignissen beobachtet. „Aus einer Perspektive der Risikoeinschätzung legen die Ergebnisse unserer Berechnungen zusammen mit den Beobachtungsdaten nahe, dass die Veränderungen des indischen Monsun dringend weiter untersucht werden müssen“, sagt Zweitautor Levermann. „Wir brauchen zusätzliche Studien, um zu bestätigen, ob sich die in unserer Studie abzeichnenden Monsun-Veränderungen auch in einigen anderen Klimamodellen als robust erweisen.“
Die Welt berichtete über die Arbeit (der Artikel erschien später fast wortgleich auch bei scinexx):
„Unter den jetzigen Klimabedingungen ist ein schwerwiegender Ausfall des indischen Monsunregens eher unwahrscheinlich“, schreiben Jacob Schewe vom PIK Potsdam und seine Kollegen. […] Bisher sei der feuchte Monsun noch der Normalfall in Indien, sagen die Forscher. Seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in den 1870er Jahren habe es immer mehr regenreiche als trockene Monsunjahre gegeben. Mit fortschreitendem Klimawandel könnte sich dies ändern. „Im warmen Klima der Jahre 2150 bis 2200 wird sich diese Verteilung umgekehrt haben: Jahre mit trockenem Monsun werden häufiger als feuchte“, beschreiben die Wissenschaftler das Ergebnis ihrer Klimasimulation. […] Für ihre Studie hatten die Forscher ein Klimamodell des Max-Planck-Instituts für Meteorologie in Hamburg genutzt, um den Monsunverlauf über insgesamt 6.030 Jahre hinweg zu simulieren. Dabei fütterten sie das Modell mit Klimadaten aus der Vergangenheit um die Monsungeschichte zu rekonstruieren. Sie simulierten aber auch die für die nächsten beiden Jahrhunderte prognostizierte Klimaerwärmung und die dadurch bedingten Veränderungen des indischen Sommermonsuns.
Sollen die Indischen Bauern jetzt bereits anfangen, sich Sorgen zu machen? Kann man der PIK-Studie trauen? Haben die Gutachter der Zeitschrift wirklich alle möglichen Fehlerquellen ausgeschaltet? Im Folgenden wollen wir ein paar unbequeme Fragen diskutieren.
1) Spielen Schwankungen der Sonnaktivität wirklich keine Rolle für die Monsunstabilität?
Schewe und Levermann schreiben in der Einleitung zu ihrem Paper, dass der Indische Sommer Monsun in den letzten 100 Jahren relativ stabil gewesen wäre, in den letzten 10.000 Jahren und auch davor jedoch signifikante Veränderungen („Störungen“) aufgetreten sind. Es stellt sich natürlich sofort die Frage, wie es in der vorindustriellen Zeit ohne CO2-Beeinflussung zu solchen Änderungen des Monsun-Systems kommen konnte. Die beiden Autoren erwähnen beiläufig einige Literaturzitate, lassen diesen Punkt dann jedoch unbeantwortet. Dabei ist eine der zitierten Arbeiten von großer Bedeutung. Im Jahr 2005 veröffentlichte eine Forschergruppe um Yongjin Wang in der Zeitschrift Science eine Studie mit dem aufschlussreichen Titel „The Holocene Asian Monsoon: Links to Solar Changes and North Atlantic Climate“. Darin konnten die Autoren zeigen, dass der asiatische Monsun während der letzten 10.000 Jahre im Takte der Sonnenaktivität anschwoll und wieder abflaute. Diesen wichtigen Umstand übergingen die beiden PIK-Autoren großzügig.
Die Wang-Studie von 2005 ist keine Eintagsfliege. Etliche andere Arbeiten haben mittlerweile den großen Einfluss von solaren Aktivitätsschwankungen auf das Monsungeschehen der Erde bestätigt. Siehe unsere folgenden Blogartikel:
- Über Feuchtigkeit und Trockenheit in Südchina entschied während der letzten 7000 Jahre unsere liebe Sonne: Millenniumszyklen im ostasiatischen Monsun
- Sonnenaktivität steuerte den südamerikanischen Monsunregen während der letzten 1500 Jahre
- Neue Studie in den Geophysical Research Letters: Indischer Monsunregen pulsierte während der letzten 150 Jahre im Takte der 11-Jahres-Sonnenfleckenzyklen
Insbesondere bei den Langzeit-Betrachtungen handelt es sich um signifikante natürliche klimatische Effekte, die keineswegs unberücksichtigt bleiben dürfen. Bezeichnenderweise taucht das Wort „solar“ im gesamten Artikel-Text von Schewe und Levermann kein einziges Mal auf. Modelle, in denen einer der wichtigsten Mechanismen fehlt, sollten Grund zur Besorgnis geben.
2) Wie verlässlich ist das verwendete Klimamodell des Max-Planck-Instituts für Meteorologie in Hamburg?
Die beiden PIK-Autoren verwendeten ein Klimamodell des Hamburger Max-Planck-Instituts für Meteorologie. Über die Defizite dieses Modells haben wir an dieser Stelle bereits ausführlich berichtet. Siehe unsere Blogartikel:
- Klimamodelle und Temperaturrekonstruktionen wollen einfach nicht zusammenpassen: Neue Studie vom Hamburger Max-Planck Institut für Meteorologie
- Zwei Jahre umsonst gerechnet: Schade um die verlorene Rechenzeit
Das Hauptproblem ist, dass die Sonnenaktivität in den Modellen nur eine fast zu vernachlässigende Rolle spielt. Der Sonne wird in den Modellen nur eine sehr geringe Klima-beeinflussende Kraft zugestanden. Dies ist ein Problem, denn geologische Studien zeigen eindeutig, dass Sonnenaktivität und Klima in der Vergangenheit meist gekoppelt waren. Die Modelle können dies nicht nachvollziehen. Ein Modell, das jedoch die Vergangenhet nicht in den Griff bekommt, sollte auch für Zukunftsprognosen nicht verwendet werden. Aber genau dies tun Schewe und Levermann und kommen so zu abenteuerlichen Resultaten. Dabei sollte doch gelten: The Past ist the Key to the Future.
3) Wie wahrscheinlich ist eine Erwärmung von 4,5°C bis 2200?
Die prognostizierte Erwärmung von 4,5°C basiert auf IPCC-Modellen, die eine stark überhöhte CO2-Klimasensitivität annehmen, die jedoch zweifelhaft ist. Hierbei werden Verstärkermechanismen über Wolken und Wasserdampf herangezogen, die die moderate CO2-Wirkung von 1,1°C pro CO2-Verdopplung angeblich um ein Mehrfaches erhöhen sollen. Dabei handelt es sich vermutlich um einen groben Zuordnungsfehler. Natürliche Faktoren wie Sonnenaktvitätsschwankungen und Ozeanzyklen wurden zu wenig berücksichtigt und deren Klimawirkung letztendlich dem CO2 zugeschlagen. Im 16. Jahr der derzeitigen Erwärmungspause sollte man sich allmählich Gedanken darüber machen, diese Rechnungen zu korrigieren.
Zusammengefasst bleiben in der neuen PIK-Arbeit einfach zu viele wichtige Faktoren unberücksichtigt, so dass die Resultate der Studie letztendlich angreifbar werden. Der in der Pressemitteilung geäußerte Wunsch nach mehr Studien ist verständlich, da Postdocs wie Jacob Schewe natürlich stets auf der Suche nach neuen Forschungsfinanzen sein müssen. Co-Autor Anders Levermann ist übrigens Leitautor im derzeit entstehenden 5. IPCC-Klimabericht.
Forschungsförderer sollten in Zukunft darauf drängen, dass in zukünftigen Studien die natürichen Klimafaktoren – insbesondere die Sonne – viel stärker berücksichtigt wird. Erst wenn die Modelle die solarsynchronen-Monsunzyklen der Vergangenheit in den Griff bekommen, sollte ein Modellierungsversuch in die Zukunft gestartet werden. Häuser werden auch erst errichtet, wenn das Fundament steht. Dieses bewährte Prinzip sollte auch in der heutigen Wissenschaft Anwendung finden.
Den indischen Bauern sei angeraten, sich zusätzlich lieber mit der Sonnenaktivität zu beschäftigen: Die Science-Studie der Forschergruppe um Yongjin Wang fand klare Hinweise darauf, dass solare Flauten oft mit einer Abschwächung des asiatischen Monsuns verbunden waren. Und in genau solch eine solare Inaktivitätsphase schliddern wir bekanntlich gerade hinein…
Abbildung oben rechts: Julie Rigsby / Lizenz: Diese Datei ist unter der Creative Commons-Lizenz Namensnennung 2.0 US-amerikanisch (nicht portiert) lizenziert.