Es gibt Dinge, die gibt’s gar nicht. Da wäre zum Beispiel das Einhorn. Lange hatte man fabelhafte Geschichte über das Tier erzählt, und Leute berichteten ehrfürchtig, wenn sie es wieder einmal in der Ferne angeblich vorbeihuschen sahen. In Apotheken konnte man damals zu stolzen Preisen zermahlenes Einhorn-Pulver kaufen, das gegen allerlei Krankheiten gut sein sollte. Eine schöne Geschäftsidee.
Nun werden Sie sagen, dass diese Zeiten zum Glück endlich vorbei seien. Denn irgendwann war klar, dass das Einhorn ein reines Phantasiegebilde war. In unserer aufgeklärten, modernen Welt könne es solche Hirngespinste nicht mehr geben. Schön wär‘s. Auch die heutige Zeit hat leider seine Einhörner. Zwar haben sie keine vier Beine und auch kein langes Horn auf der Nase, verstecken sich jedoch hinter fragwürdigen wissenschaftlich gekleideten Extremwetter-Apokalypse-Warnungen, die vor allem eines zum Ziel haben: In der Bevölkerung Angst zu säen. Angst vor Stürmen, Angst vor Dürren, Angst vor der zornigen Natur. Und Schuld soll der böse Mensch und sein ausschweifender Lebensstil sein. Mit dieser bewährten biblischen Masche kann man natürlich auch heute noch kräftig punkten. Einer verängstigten Bevölkerung lassen sich viel leichter Versicherungspolicen verkaufen. Und Forschungsanträge mit furchterregenden Extremwetterszenarien laufen durch das wissenshaftlich-politische Bewilligungsverfahren wie ein heißes Messer durch Butter.
Wir haben uns an dieser Stelle bereits ausführlich um die historische Entwicklung von verschiedenen Sturmtypen, Dürren und Überschwemmungen beschäftigt. Eine Übersicht über die entsprechenden Artikel gibt es hier. Das Fazit: Eine außergewöhnliche, unnatürliche Häufung von Extremwetter ist bislang nicht festzustellen. Zu diesem generellen Ergebnis kam im Übrigen auch der letzte Extremwetter-Bericht des Weltklimarats.
Da verwundert es doch sehr, wenn nun der weltgrößte Rückversicherer Munich Re mit einer neuen 250-seitigen Studie „Wetterrisiko Nordamerika“ herauskommt, in der das genaue Gegenteil behauptet wird. Das Handelsblatt berichtete am 23. August 2012 auf der Titelseite über das Munich Re Papier:
In den letzten 30 Jahren hat sich die Zahl extremer Wetterphänomene wie Wirbelstürme, Überflutungen oder Dürren in den USA fast verfünffacht. So wird es weitergehen, prognostiziert eine Munich-Re-Studie, die dem Handelsblatt vorliegt. […] Unstrittig aber ist, dass die Zahl wetterbedingter Naturkatastrophen steil ansteigt.
Ein starkes Stück. Auf welcher Grundlage kann Munich Re so etwas behaupten? Stimmen die Fakten? Ist die Methodik der Studie überhaupt geeignet, um solche Aussagen zu tätigen? Im Folgenden wollen wir die bislang unveröffentlichte Studie einem Vorab-Check unterziehen.
Das Handelsblatt schreibt weiter:
Allein im ersten Halbjahr 2012 kosteten Hurrikans und Gewitterstürme in den USA die Versicherer 8,8 Milliarden Dollar. Die Studie setzt im Jahr 1980 an und belegt, dass es die höchsten Schäden innerhalb der vergangenen fünf Jahre gab.
Fehler eins:
Eine Studie, die lediglich die letzten 30 Jahre umfasst, ist überhaupt nicht geeignet, natürliche Klimazyklen zu identifizieren, die sich über etliche Jahrzehnte erstrecken. Der betrachtete Zeitraum ist viel zu kurz. Über 30 Jahre gemitteltes Wetter ergibt letztendlich nur einen einzigen Klimadatenpunkt, den es mit der langjährigen Entwicklung davorliegender Perioden zu vergleichen gilt. Bereits die Methodik der Munich-Re-Studie scheint daher höchst fragwürdig.
Fehler zwei:
Auch der Bezug auf Schadenssummen anstatt Ereignis-Häufigkeiten bzw. Intensitäten ist bedenklich. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass sich die Schadenssummen auch im Falle einer gleichbleibenden Extremwetterhäufigkeit enorm steigern würden. Durch das Bevölkerungswachstum, steigt nämlich die Anzahl der Versicherungsnehmer, die aufgrund zunehmenden Wohlstands zudem immer höhere Versicherungswerte besitzen. Auch siedelten im Laufe der Zeit immer mehr Menschen in Extremwetter-gefährdeten Gebieten wie etwa der angenehmen Küste Floridas.
Fehler drei:
Nehmen wir mal die in der Munich-Re-Studie erwähnten Hurrikane. Wie man seit längerem weiß, verläuft die atlantische Hurrikan-Aktivität parallel zu einem wichtigen Ozeanzyklus, der Atlantischen Multidekaden-Oszillation (AMO) (Abbildung 1). Und dieser Ozeanzyklus – und im Schlepptau die atlantische Hurrikanhäufigkeit – ist von 1980 bis 2000 angestiegen. Wie redlich ist es dann eigentlich, diesen Anstieg zu berichten, den Zusammenhang mit der AMO jedoch der Öffentlichkeit via Handelsblatt zu verschweigen? Hätte die Studie früher angesetzt, so wären die hohen Hurrikan-Aktivitäten der 1950er/60er Jahre aufgefallen, als der natürliche Zyklus zuletzt seinen Höhepunkt erreichte.
Abbildung 1: Die atlantische Hurrikan-Aktivität (ACE) der vergangenen 60 Jahre verlief parallel zur Entwicklung der Atlantisch Multidekaden Oszillation (AMO). Aus „Die kalte Sonne“ (S. 203).
Bemerkenswert auch, dass Munich Re offensichtlich vollkommen ausblendet, dass seit Katrina und Wilma 2005 kein starker Hurrikan mehr in den USA aufgetreten ist (siehe unser Blogartikel „Ein unerwarteter Rekord: Noch nie mussten die Vereinigten Staaten während der letzten 100 Jahre so lange auf einen starken Hurrikan warten !“). Auch weltweit ist übrigens kein Anstieg der Hurrikantätigkeit festzustellen (siehe unser Blogartikel „Hurrikanen scheint die Erwärmung egal zu sein: Keine Zunahme der tropischen Wirbelstürme in den letzten Jahrzehnten“).
Fehler vier:
Auch die im Handelsblatt genannten starken Tornados haben in den USA während der letzten 60 Jahre eher ab- als zugenommen (siehe unser Blogartikel „Was ist die Ursache der Tornado-Häufung von 2011 in den USA? Menschengemachter Klimawandel oder natürliche Variabilität?“).
Das Handelsblatt zitiert dann den aus Funk und Fernsehen bekannten Peter Höppe, Leiter der Munich-Re-Georisikoforschung:
„Die Dürre [in den USA] ist für uns keine Überraschung gewesen“, sagt der Georisiko-Chef der Munich Re, Peter Höppe. […] Überrascht zeigte sich die Munich Re aber vom Ausmaß der Katastrophe: Ein solcher Fall sei „mit Abstand noch nie eingetreten“, sagte Vorstand Torsten Jeworrek bei der Bekanntgabe der Quartalszahlen. Dass die Dürre eine Ausnahme bleibt, ist eher unwahrscheinlich. 2012 ist das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in den USA. […] In einigen Jahrzehnten könnte eine verheerende Dürre die Vereinigten Staaten alle paar Jahre heimsuchen, warnt Höppe – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Prämienberechnungen.
Fehler fünf:
Höppe rührt schon seit geraumer Zeit die apokalyptische Werbetrommel vor der Extremwettergefahr. Wir haben an dieser Stelle bereits mehrfach über seine fragwürdigen Analysen und Prognosen berichtet (siehe z.B. unser Blogartikel „Die Versicherungswirtschaft und die Klimakatastrophe: Eine unheimliche Liaison“). Da wundert es nicht, dass Höppe nun die erstbeste Gelegenheit ergreift und die US-Dürre als Anzeichen für den Klimawandel deutet. Aber halt: Eine ähnliche Dürrewelle wie dieses Jahr hat es in den USA bereits in den 1930er Jahren gegeben („Dust Bowl“), als die CO2-Konzentration der Atmosphäre deutlich niedriger lag. Eine Zunahme der Dürren ist auf langfristige Sicht nicht erkennbar. Auch muss man berücksichtigen, dass die angeblichen neuen US-Temperaturrekorde nur möglich waren, weil zwischenzeitlich die historischen Messwerte aus den 1930er Jahren durch fragwürdige „Datenkorrekturen“ künstlich nach unten gedrückt wurden (siehe unser Blogartikel „Die wunderbare Welt der Temperaturdaten-Korrekturen: Und plötzlich hatte sich der Trend ins Gegenteil verkehrt…“). Ansonsten würde wohl 1936 noch immer den Temperaturrekord innehaben (siehe auch Beitrag hierzu von Roy Spencer).
Höppes Hinweis auf eine mögliche Anhebung der Versicherungsprämien gibt Grund zur Besorgnis. Sollte die fragwürdige neue Munich Re Studie zum Extremwetter in Nordamerika letztendlich nur eine Begründung zur Anhebung der Prämien liefern? Was passiert eigentlich, wenn die Sturm- und Dürretätigkeit auch in den kommenden Jahren die natürliche Schwankungsbreite nicht verlassen sollte, so wie in den letzten Jahrzehnten? Würde sich die Munich Re dann bei den Versicherungskunden in 20 Jahren entschuldigen und die zu viel bezahlten Prämien wieder zurückerstatten? Wohl kaum. Daher sollten die vom Versicherungskonzern vorgebrachten Argumente von unabhängiger Seite geprüft werden, bevor sie in der Öffentlichkeit verbreitet werden. Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) kann hier jedoch keine große Hilfe sein, da es mit der Munich Re eng verbandelt ist.
Fehler sechs:
Grundsätzlich muss hinterfragt werden, ob derartige Studien überhaupt von Versicherungskonzernen durchgeführt und medial vermarktet werden sollten. Der Interessenskonflikt ist vorprogrammiert: Je schlimmer, die Katastrophenwarnungen, desto besser fürs Geschäft. An genau dieser Stelle sind wohl auch dem Handelsblatt Bedenken gekommen und bot fairerweise Fritz Vahrenholt an, in der gleichen Ausgabe die klimarealistische Seite zu vertreten. Hier ein Auszug des Interviews:
HANDELSBLATT: Aber die Zahl der Naturkatastrophen nimmt zu. Die USA leiden unter einer Rekorddürre.
VAHRENHOLT: Wir befinden uns in einem El-Niño-Jahr. Alle paar Jahre tritt dieses Wetterphänomen auf, das eine enorme Hitzewelle in den USA erzeugt. Auch wenn oft behauptet wird, Hurrikans und Stürme nähmen zu – es stimmt nicht. Wir hatten einen Anstieg bei den Hurrikans, aber seit Ende der 1990er-Jahre sind sie zurückgegangen. Auch das hängt mit der atlantischen Strömung zusammen.
HANDELSBLATT: Wenn alles nicht so schlimm ist, warum warnt die Munich Re vor Katastrophen?
VAHRENHOLT: Die Munich Re und die Versicherungswirtschaft haben ja ein Interesse, dass über katastrophale Entwicklungen diskutiert wird. Mehr Furcht vor Wetterkatastrophen führt dazu, dass Versicherungsvertreter mehr Policen absetzen können. Auch die aus den Fugen geratene Energiepolitik kann leichter durchgesetzt werden, wenn Angst erzeugt wird.
HANDELSBLATT: Aber die meisten Wissenschaftler warnen ebenfalls vor dem Klimawandel.
VAHRENHOLT: Es gibt auch Tausende Wissenschaftler, die anderer Auffassung sind. Aber wenn Sie einen Forschungsantrag stellen, müssen Sie das wissenschaftspolitische Umfeld berücksichtigen. Stellen Sie mal einen Antrag, dass Sie die natürlichen Zyklen untersuchen wollen, da kriegen Sie keine Forschungsmittel.
HANDELSBLATT: Brauchen wir also keine Energiewende?
VAHRENHOLT: Es ist sinnvoll, Energie einzusparen und stärker die erneuerbaren Energien zu nutzen. Aber wir müssen uns beim Umbau mehr Zeit nehmen. Der Klimaschutz muss wieder gleichrangig mit anderen wichtigen Faktoren wie dem Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland behandelt werden.
Lust auf noch mehr Munich Re? Dann gibts hier etwas Schönes am 29.8.2012 um 17:00 Uhr auf Eins Festival: "Der Klimaschock - Profiteure, Kosten und Verlierer".