Wir haben an dieser Stelle bereits des Öfteren über das Extremwetter berichtet (siehe Artikelübersicht hier). Momentan ist Sommer, zumindest kalendarisch, und viele Protagonisten über die tagein tagaus in den Nachrichten berichtet wird, weilen derzeit im Urlaub. Aber auch in dieser Sauregurkenzeit müssen natürlich die Redaktionen irgendwie ihre Zeitungen vollkriegen. Am besten mit etwas Aufregendem, etwas das alle Leute angeht. Schön wäre auch, wenn es etwas gruselig wäre. Denn sowas wollen die Leute lesen. „Sollten wir vielleicht nicht mal wieder etwas über das Extremwetter machen?“ schlägt der Chefredakteur vor. „Gute Idee, da waren doch gerade ein paar Dürren und Überschwemmungen, da bastel ich schnell mal was Schönes zusammen“ antwortet der Kollege aus der Wissenschaftsabteilung. So oder so ähnlich könnte es in der ein oder anderen Redaktion ablaufen.
Wer am 23. Juli 2012 den Berliner Tagesspiegel aufschlug, wurde durch den Artikel „Dürren, Stürme und Überschwemmungen – Wetterextreme nehmen zu“ überrascht. Wetterextreme nehmen zu? Haben wir da vielleicht eine wichtige neue Publikation versäumt? Selbst der Weltklimarat IPCC gibt doch mittlerweile kleinlaut zu, dass es aufgrund der aktuellen Daten keine Grundlage für solch eine Annahme gibt. Das Extremwettergeschehen bewegt sich bislang noch immer im Bereich der natürlichen, historisch bekannten Schwankungsbreite. Wie kommt die Autorin des Tagesspiegel-Artikels, Dagmar Dehmer, auf die lustige Idee, Wetterextreme hätten bereits zugenommen? Wir begeben uns auf Spurensuche.
Dehmers Masche ist leicht zu durchschauen. Sie listet einfach alle Extremwetterereignisse der letzten anderthalb Jahre auf und hofft damit die Leser zu beeindrucken. Ab und zu streut sie die übliche Einschränkung ein, dass man ein einzelnes Ereignis selbstverständlich nicht eindeutig dem Klimawandel zuschreiben könne. Aber der Tenor ihres Artikels ist klar: Alles wird schlimmer, extremer, gefährlicher und der Mensch hat Schuld. Dabei versäumt es die Autorin, das aktuelle Extremwetter in den historischen Kontext zu stellen. Dazu muss man sich vor Augen halten, dass man im Prinzip über jedes einzelne Jahr des vergangenen Jahrhunderts einen solchen Extremwetter-Horror-Artikel schreiben könnte wenn man wollte (siehe z.B. Chronik extremer Wetterereignisse von 1900-1999 in Kurt Blüchels Buch „Der Klimaschwindel„).
Einen „gefühlten“ Trend einfach so zu behaupten, ohne ihn mit Daten belegen zu können muss man schlichtweg als unredlich bezeichnen. Die fragwürdige Arbeitsweise der Autorin zeichnete sich bereits im Februar 2012 ab, als sie in der Besprechung unseres Buches „Die kalte Sonne“ den seit mehr als einem Jahrzehnt bestehenden Erwärmungsstillstand als angeblich nicht bewiesen und lediglich verirrte These von bösen Klimawandel-Skeptikern einstufte (siehe unser Blogartikel „Erstes Medienecho“, letzter Absatz).
Schauen wir uns einmal im Detail an, was Dagmar Dehmer in ihrem aktuellen Extremwetterartikel so schreibt:
Die ersten sechs Monate [2012] haben [in den USA] alle bisherigen Hitzerekorde gebrochen. Die amerikanische Wetterbehörde NOAA hat gerade ihre Halbjahresbilanz veröffentlicht. Demnach sind alle sechs Monate von Januar bis Juni die wärmsten, die in den USA je aufgezeichnet wurden. In den südlichen Bundesstaaten herrscht die schlimmste Dürre seit Jahrzehnten.
In der Tat wütete in den USA diesen Sommer eine schlimme Hitzewelle, die mit einer ausgeprägten Dürre verbunden war. Allerdings vergisst die Autorin zu erwähnen, dass es ähnliche Hitzewellen und Dürren in den USA bereits in den 1930er Jahren gegeben hat (Abbildung 1). Auch muss man berücksichtigen, dass die angeblichen neuen Temperaturrekorde nur möglich waren, weil zwischenzeitlich die historischen Messwerte aus den 1930er Jahren durch fragwürdige „Datenkorrekturen“ künstlich nach unten gedrückt wurden (siehe unser Blogartikel „Die wunderbare Welt der Temperaturdaten-Korrekturen: Und plötzlich hatte sich der Trend ins Gegenteil verkehrt…“). Ansonsten würde wohl 1936 noch immer den Temperaturrekord innehaben (siehe auch Beitrag hierzu von Roy Spencer).
Abbildung 1: US Hitzewellen-Index 1895-2008. In den 1930er Jahren litten die USA unter einer besonders starken Hitzewellenserie. Quelle: United States Environmental Protection Agency nach CCSP.
Dagmar Dehmer schreibt weiter:
Überhaupt war 2011 ein Jahr der kostspieligen Wetterextreme in den USA. Es gab 14 Wetterkatastrophen, deren wirtschaftliche Schäden mehr als eine Milliarde Dollar betragen haben. Auch die dramatischen Überschwemmungen im Mississippi-Einzugsgebiet im vergangenen Jahr gehörten dazu.
Es ist hier sicher nicht zielführend, den Schadenszuwachs in den Vordergrund zu schieben. Durch das Bevölkerungswachstum, zunehmende Bebauung in gefährdeten Gebieten und das Ansteigen der versicherten Werte ist unabhängig von Extremwettertrends sowieso mit einer Zunahme der Versicherungsschäden zu rechnen. Dies konnten Roger Pielke Jr. und andere Wissenschaftler mittlerweile zweifelsfrei nachweisen. Dehmer verliert über diesen Umstand kein Wort in ihrem Artikel.
Die katastrophale Flutwelle in Thailand [2011] übrigens lässt sich nach Einschätzung der Autoren des NOAA-Aufsatzes nicht auf den Klimawandel zurückführen. Die Niederschlagsmenge, die zum Anschwellen der Flüsse und zur Überschwemmung großer Landstriche einschließlich der Hauptstadt Bangkok geführt hat, sei nicht außergewöhnlich gewesen. Die großen Schäden in Thailand seien auf andere menschliche Einflüsse zurückzuführen: die Einengung von Flussbetten, zu wenige natürliche Rückhalteflächen und eine immer intensivere Bebauung an den gefährdeten Flussufern.
An dieser Stelle spielt Dagmar Dehmer mit offenen Karten, was zu begrüßen ist. In der Tat kann aus der historischen Überschwemmungsstatistik keine Zunahme der Ereignisse abgelesen werden (siehe unseren Blogartikel „Mehr Überschwemmungen? Vermutlich eher nicht“). Die Dürre in Ostafrika schiebt die Autorin des Tagesspiegel-Artikels hingegen wieder in die Klimawandelecke:
Dagegen sehen die Autoren bei der katastrophalen Dürre in Ostafrika vor einem Jahr, die schließlich zur Hungersnot in Somalia führte, durchaus einen Zusammenhang zum Klimawandel. Die Erwärmung des Indischen Ozeans verändere den Monsun und führe in Ostafrika zu einer insgesamt geringeren Niederschlagsmenge. Die Regenzeiten der vergangenen zehn Jahre folgen demnach kaum noch den Mustern früherer Jahrzehnte.
Dabei übersieht Dehmer, dass zu einer wissenschaftlich belastbaren Einordnung des Dürregeschehens keineswegs die Betrachtung der letzten Jahrzehnte ausreicht. Neue Forschungsarbeiten haben gezeigt, dass es in vielen Teilen der Erde ausgeprägte Dürre-Zyklen im Tausend-Jahresmaßstab gibt, die oftmals nachgewiesenermaßen von der Sonnenaktivität gesteuert wurden (siehe z.B. unsere Blogartikel „Alle tausend Jahre eine neue Saheldürre – lange vor dem industriellen CO2“ oder „Solare Millenniumszyklen kontrollierten Feucht- und Dürrephasen der Römerzeit im Mittelmeer“). Daher ist es wissenschaftlich unhaltbar, heute auftretenden Dürren ohne diesen Kontext mit dem menschengemachten Klimawandel begründen zu wollen.
Auch Großbritannien ächzt unter einer Wetterkatastrophe. Die Zeitung „The Times“ forderte vor wenigen Tagen: „Aufhören!“ und meinte den Regen, der seit drei Monaten mit Rekordwerten vom Himmel fällt. Mit mehr als 75 Flutwarnungen und hunderten überschwemmten Häusern kommt das dem katastrophalen Ereignis von 2007 bereits ziemlich nahe.
Und was soll dies eigentlich zeigen? Der kalte verregnete Sommer in Großbritannien, Deutschland und anderen Teilen Mitteleuropas passt eher zur Kleinen Eiszeit als zu den Hitzewarnungen des IPCC. Ein Gedankenspiel: Hätte es diesen Sommer in Großbritannien eine Dürre gegeben, hätten alle laut geschrien: „Hilfe, die Klimakatastrophe ist im Anmarsch.“ Nach all dem Regen geht dies natürlich nicht mehr, also wechselt man schnell das Pferd und ruft aufgeregt: „Hilfe, das Extremwetter wird uns verschlingen!“. Man muss halt flexibel sein.
Dass mit dem Vorhersagewesen so einiges im Argen liegt, zeigt auch die kuriose Dürrewarnung der britischen Ministerin für Umwelt, Ernährung und ländlichen Raum, Caroline Spelman aus dem November 2011. Damals warnte die Ministerin vor schlimmen Dürren, die im Sommer 2012 mit großer Sicherheit in Teilen Großbritannien auftreten würden. Sie forderte daraufhin alle Wasserversorger und die Öffentlichkeit auf, Vorkehrungen für die prognostizierte britische Sommerdürre 2012 zu treffen. Das Wetter hatte schließlich dann aber doch andere Pläne, wie wir heute wissen. Man möchte meinen, dies wäre eine schöne Geschichte für einen Extremwetterartikel. Dagmar Dehmer schweigt sich über diesen Prognosefehlschlag beharrlich aus. Stattdessen weicht sie auf die koreanische Halbinsel aus. Irgendwo ist ja zum Glück immer Dürre:
Auf der koreanischen Halbinsel leiden sowohl der Norden wie der Süden unter der schlimmsten Dürre seit mehr als 100 Jahren.
Wieder das gleiche Problem wie zuvor. Hätte sich die Autorin etwas mit der wissenschaftlichen Literatur beschäftigt, wäre sie auf die natürlichen Dürrezyklen in Asien gestoßen, die aus den letzten Jahrtausenden mittlerweile gut bekannt sind (siehe unsere Blogartikel „Über Feuchtigkeit und Trockenheit in Südchina entschied während der letzten 7000 Jahre unsere liebe Sonne: Millenniumszyklen im ostasiatischen Monsun“, „Neue Studie vom Tibet Plateau: Immer wenn die Sonne schwach wurde, blieb der Regen aus“ und „Oasen der chinesischen Taklamakan-Wüste erblühten im Takt der solaren Millenniumszyklen“). Nach den Dürren bringt Dehmer dann wieder Überschwemmungen:
In Australien und China gab es im Februar/März, beziehungsweise Mai und Juni [2012], dramatische Überschwemmungen und vom Regen ausgelöste Erdrutsche. In Peking sind bei den heftigsten Regenfällen seit 60 Jahren allein am Wochenende mindestens 37 Menschen ums Leben gekommen, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua am Sonntag. Mehr als 30 000 Menschen mussten in Sicherheit gebracht werden.
Offenbar ist Dehmer entgangen, dass die australischen Überschwemmungen von 2011 und 2012 ganz natürliche Gründe hatten, nämlich von La Nina und den Ozeanzyklen beeinflusst wurden (siehe unser Blogartikel „Australische Überschwemmungen 2011 und 2012 haben natürliche Gründe: La Nina verstärkt durch die negative Phase der Pazifisch Dekadischen Oszillation (PDO)“). Dieser Zusammenhang wurde auch kürzlich in der Frankfurter Rundschau beschrieben. Zum Würzen streut Dehmer dann noch schnell ein paar Tornados ein:
In den USA sind durch Tornados im März und April mindestens 41 Menschen gestorben. Die Wetterforscher sind sich allerdings noch nicht einig, ob die Zunahme der Tornados in den USA auf den Klimawandel zurückzuführen ist.
Schade nur, dass die starken Tornados in den letzten Jahrzehnten in den USA eher ab- als zugenommen haben. Die schlimmste Tornadoserie gab es im April 1974 (siehe unser Blogartikel „Was ist die Ursache der Tornado-Häufung von 2011 in den USA? Menschengemachter Klimawandel oder natürliche Variabilität?“). Auch hierzu natürlich kein Wort von Dagmar Dehmer in ihrem Artikel. Lieber zitiert sie noch einen Zyklon in Mosambik, der passt besser in die Story:
In Mosambik starben im Januar 46 Menschen durch einen Zyklon mit dem Namen Funso. Januar ist eigentlich kein Monat für Zyklone.
Und wieder fehlt der Hinweis auf wissenschaftliche Studien, dass es in den letzten Jahrzehnten überhaupt keine Zunahme der tropischen Wirbelstürme gegeben hat (siehe unser Blogartikel „Hurrikanen scheint die Erwärmung egal zu sein: Keine Zunahme der tropischen Wirbelstürme in den letzten Jahrzehnten“).
Es ist schon erschreckend, wie unausgewogen der besprochene Extremwetterartikel aufgesetzt ist. Können die Leser des Tagespiegels mit solch einer dürftigen Berichterstattung zufrieden sein? Was will die Autorin mit ihrem Text eigentlich bezwecken? Eine faire Einordnung des Extremwettergeschehens sieht jedenfalls anders aus.