Ich will den Sturm!
Ich will den Sturm, der mit den Riesenfäusten
Vom Boden der Alltäglichkeit mich reißt
Und mich hinauf in jene Höhen schleudert,
Wo erst das Leben wahrhaft Leben heißt!
Ich will den Sturm, der mit gewaltgem Athem
Zur lichten Gluth die stillen Funken schürt
Und, alle Kräfte dieser Brust entfesselnd,
Zum Siege oder zur Vernichtung führt!
Laß mich nicht sterben, Gott, eh meine Seele
Ein einzig Mal in Siegeslust gebebt –
Ich kann nicht ruhig in der Erde schlafen,
Eh ich nicht einmal, einmal ganz gelebt!
Anna Ritter Aus der Sammlung Vom Sturm
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Den Sturm will offensichtlich wieder einmal auch die Süddeutsche Zeitung (SZ), die am 22. Mai 2013 ihren Lesern mit dem Artikel „Vorbereiten auf die Stürme der Zukunft“ kräftig Angst einjagte. Die SZ schrieb:
Klimaforscher rechnen mit immer mehr und immer heftigeren Stürmen und Hochwassern. Deutsche und südafrikanische Wissenschaftler entwickeln Computermodelle, mit deren Hilfe die Infrastruktur der gefährlichen Zukunft auf den Prüfstand gestellt werden soll. Es war eine Spur der Verwüstung, die der Hurrikan Katrina im August 2005 in New Orleans hinterlassen hatte: 80 Prozent der Stadt standen danach unter Wasser. Drei Jahre zuvor hatte das Elbhochwasser in Deutschland Schäden von etwa 15 Milliarden Euro angerichtet. Beide Fälle belegen eindringlich, welche Folgen Extremwetter bereits jetzt in den Industriestaaten haben können. Wenn in Zukunft heftige Unwetter und Stürme sowie großflächige Überschwemmungen aufgrund des Klimawandels häufiger, intensiver und andauernder sein werden – und davon gehen die Meteorologen aus – dann werden nicht nur die Entwicklungsländer darunter leiden, sondern viele Regionen der Welt. Dass sich diese Entwicklung noch aufhalten lässt, glaubt wohl niemand mehr ernsthaft. Eine Forderung vieler Wissenschaftler ist deshalb, sich besser auf die bevorstehenden Extremwetter vorzubereiten.
Ist das wirklich so? Rechnen „die Klimaforscher“ wirklich mit immer mehr Stürmen in der Zukunft? Ist Hurrikan Katrina der Beleg für eine solche Entwicklung? Ein Blick in die wissenschaftlichen Publikationen der letzten Jahre bringt Aufklärung – und eine handfeste Überraschung: Das ganze Gegenteil ist nämlich der Fall. Die Anzahl der Hurrikane soll in den kommenden Jahren und Jahrzehnten sogar abnehmen (siehe unseren Blogartikel „Neue Klimamodellierung findet langfristige Abnahme der Hurrikan-Häufigkeit„).
Und wie sieht es in unseren Breiten aus? Auch hier ein unerwartetes Resultat: Während den Kältephasen war es in Europa viel stürmischer als während der Wärmephasen (siehe unseren Blogartikel „Eine unbequeme Wahrheit: Während der Kleinen Eiszeit waren die Stürme in Europa stärker als heute„). Und auch die Tornados wollen nicht so wie die SZ es gerne hätte. Hier scheint es keinen Zusammenhang mit der Temperatur zu geben.
Waren der SZ-Redaktion diese Fakten wirklich unbekannt? Es ist leider nicht das erste Mal, dass die SZ beim Faktencheck durchfällt (siehe z.B. unseren Blogbeitrag „Schlimmer als befürchtet: Die Süddeutsche Zeitung verliert den klimawissenschaftlichen Boden unter den Füßen„). Ist es eigentlich nur ein blöder Zufall, dass ein Teil der Onlinewerbung auf der entsprechenden Artikelseite von Versicherungskonzernen stammt?