Wenn sich die Menschen auf der Nordhalbkugel über den Sommer freuen, blasen die Bewohner der Südhalbkugel Trübsal und müssen sich durch den Winter kämpfen. Das weiß jedes Kind. Grund hierfür ist die Neigung der Erdachse. Der Nordpol liegt dann monatelang im gleißenden Sonnenlicht, während in der Antarktis nicht enden wollende Dunkelheit herrscht.
So war es auch in diesem Jahr. Das Eis des Nordpolarmeeres schmolz dabei bis zum September auf ein neues Minimum seit Beginn der Satellitenmessungen vor gut 30 Jahren, was in den Medien lang und breit als „nie-da-gewesene“ wissenschaftliche Sensation und Bedrohung für die Menschheit thematisiert wurde. Im Alarmisten-Jubel über den neuen Schmelzrekord in der Arktis ging jedoch weitgehend unter, dass es auch in der winterlichen Kälte der Antarktis einen neuen „Rekord“ gab – „unangenehmerweise“, jedoch mit umgekehrten Vorzeichen: Das antarktische Meereis bedeckte plötzlich eine so große Fläche wie „noch nie“ zuvor während der gesamten Satelliten-Ära. Aber aus irgendeinem Grund interessierten sich die Medien kaum dafür. Nur einige wenige Journalisten berichteten darüber, sonst meist nur kurz in der bunten Rubrik „Vermischtes“.
Darauf angesprochen, ließ sich der heute journal-Moderator Claus Kleber nicht zweimal bitten und nahm das Thema großzügig in seine Nachrichtensendung auf. Dafür sollte man ihm danken. Und dies war alles andere als selbstverständlich, denn Claus Kleber ist nicht gerade dafür bekannt, eine neutrale Position in der Klimadiskussion zu besitzen. In einer Klimasendung aus dem Februar 2012 hatte Kleber einseitig Partei für die Weltklimaratsseite ergriffen (siehe Rainer Hoffmanns Analyse bzw. Beitrag im kalte-Sonne-Blog). Die wissenschaftlichen Belege und Argumente einer stärkeren Berücksichtigung von natürlichen Klima-Faktoren am Klimageschehen stuft er darin abwertend als „Mindermeinung” ein. Klebers IPCC-unterstützende Redaktion wäre hingegen vollkommen unparteiisch: “Uns geht‘s wirklich um die Sache!” Fragt sich nur, welche Sache Kleber da eigentlich meinte.
Jetzt, mehr als ein halbes Jahr später, wollte Claus Kleber wohl endlich eine gewisse Unparteilichkeit beweisen, und untersuchte hierzu im heute journal also die beiden Eisrekorde. In der ZDF-Mediathek können Sie den Beitrag ab Minute 22:22 anschauen. Klebers Autorin des Beitrages, Hildegard Werth, strickte die Geschichte bezeichnenderweise um das Forschungsschiff Polarstern, das vom Bremerhavener Alfred Wegener Instituts (AWI) betrieben wird und gerade von einer Nordmeerfahrt heimkehrte. Zur Auswahl hätte sicher auch eine Schalte in die Neumayer-III-Antarktisstation gestanden, welche ebenfalls vom AWI betrieben wird. Dort hätten vor Kälte zitternde Forscher jedoch nichts über eine Klimaerwärmung berichten können. Vielleicht ist die Auswahl der Rahmenstory schon ein erster Hinweis darauf, welcher Pol der Autorin wohl eher am Herzen liegt?
Auftritt Peter Lemke, Physiker und Meteorologe am AWI. Und der schafft erst einmal „Klarheit“ und legt sich unnötigerweise sofort einseitig fest:
„Wir können die globale Erwärmung nicht anders erklären als durch die Zunahme an menschengemachtem CO2, in den letzten 50 Jahren.“
Wow. Weder Ruß, noch die wärmende Phase von Ozeanzyklen, noch die enorm hohe Sonnenaktivität der letzten Jahrzehnte scheinen hier einer Erwähnung wert. Statt einer wissenschaftlichen, feinen Grauabstufung haut Lemke mit dem Schwarz-Weiß-Holzhammer einfach drauf. Dies kommt nicht ganz überraschend, denn Lemke hatte sich bereits in der Besprechung des Vahrenholt/Lüning-Buches „Die kalte Sonne“ als überaus einseitiger Kommentator hervorgetan (siehe Medienecho vom 21.2.2012 im kalte-Sonne-Blog).
Aber ist Lemke eigentlich wirklich der unabhängige Wissenschaftler, der in der Klimadiskussion und im heute journal-Beitrag sachlich vermitteln könnte? Leider nein. Denn die Kleber-Mannschaft vergisst dem Zuschauer eine Winzigkeit mitzuteilen: Peter Lemke ist altgedienter Autor des Weltklimarats. Er hat bereits am letzten IPCC-Bericht von 2007 mitgewirkt und ist auch beim 5. Klimazustandsbericht des IPCC erneut maßgeblich beteiligt (siehe Pressemitteilung des AWI vom 23.6.2010). Lemke ist daher fest auf der alarmistischen Seite der Klimadiskussion verankert, und zugleich auch an den Geld-Töpfen der endlos sprudelnden Forschungs-Mittel für die Propheten des klimatischen Weltunterganges. Im Sinne einer ausgewogenen Berichterstattung hätte nun ein argumentativer Gegenpol zu Wort kommen müssen, oder zumindest ein neutraler Wissenschaftler. Warum fragte das ZDF eigentlich nicht z.B. Heinrich Miller, einen anderen AWI-Eisfachmann? Millers Sicht der Dinge sieht nämlich so aus:
…Grönland [wird] zwar sehr wahrscheinlich an Masse verlieren […], aber dieser Massenverlust [wird] durch verstärktes Abschmelzen in Grönland kompensiert durch eine Eiszunahme in der Antarktis“, und weiter „… nach den von uns berechneten Szenarien kommen wir zu dem Schluss, dass Veränderungen der großen Eismassen keinen Beitrag zu einem Meeresspiegelanstieg leisten werden.
(Quelle: Heinrich Miller, Interview mit Heinrich Miller, Stellvertretender Direktor des Alfred-Wegener-Instituts. Er beschäftigt sich als Geophysiker mit Klimarekonstruktion und Eisdynamik, 03.11.2007).
Die Daten von Nord- und Südpol widerlegen düstere Prophezeiungen, der Meeresspiegel könne in kurzer Zeit um mehrere Meter ansteigen. Miller:
Bis das Grönlandeis schmilzt, vergehen mehr als tausend Jahre, denn es war in der Vergangenheit auch deutlich wärmer als heute, ohne dass die riesigen Gletscher verschwanden.
(Quelle: Bohrer im Eis, DIE ZEIT, 06.06.2007 , S.40).
Nach diesem gründlich misslungenen Einstieg des ZDF, entwickelt sich der Beitrag im Folgenden in eine geradezu komödiantische Richtung. Mit Wissenschaft hat dies jedenfalls nichts mehr zu tun. Die Ausgangsfrage war ja, inwieweit sich die Meereisbedeckungen an Nord- und Südpol miteinander vereinbaren lassen und was dies eigentlich über den Klimawandel aussagt. Der Rekordschmelze in der Arktis steht eine Rekord-Eisausdehnung in der Antarktis gegenüber. Gestützt auf Lemke behauptet nun das heute journal kess, dass das arktische Schmelzen Folge des Klimawandels wäre, während der antarktische Eiszuwachs lediglich auf „Wind und Wetter“ zurück zu führen wären. Lemke erläuterte hierzu, dass der böse Wind das antarktische Eis raus aufs weite Meer gepustet hätte, und sich die offenen Bruchstellen dann hinterlistiger Weise einfach mit neuem Eis gefüllt hätten.
Zeit für einen wissenschaftlichen Faktencheck:
1) In zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen ist ein wenigstens 50-jähriger Kälte-Trend in der Antarktis gesichert.
2) Betrachtet man die Ausdehnung des antarktischen Eises über den gesamten Satellitenzeitraum seit 1979, so ist eine langfristige Zunahme der Eisbedeckung über Jahrzehnte klar zu erkennen (siehe EIKE sowie Abbildung auf Seite 190 in „Die kalte Sonne“) (Abbildung 1). Dies umfasst also eine Zeit von mehr als 30 Jahren, was im Sinne der WMO-Definition ein Klimatrend ist ! Die Entwicklung als „aktuelles Wetter“ abzutun ist wissenschaftlich nicht haltbar.
Abbildung 1: Entwicklung der antarktischen Meereisausdehnung. Quelle: National Snow and Ice Data Center.
3) Dazu wird der Wind als Verursacher bemüht. Ein netter Ablenkungsversuch, und ein Konstrukt zugleich. Richtig ist vielmehr, dass der Wind nicht in der Antarktis, sondern in der Arktis insbesondere an den beiden letzten arktischen Meereis-Minima 2007 und 2012 maßgeblich beteiligt war (siehe Zhang et al. 2008 und den kalte-Sonne-Blogbeitrag „Zu viel Rückenwind? Arktischer Meereisrekord auf dem Prüfstand“). Wie konnte es passieren, dass das „ZDF heutejournal“ diese Forschungsergebnisse einfach ignoriert? Dürfen solche Zusammenhänge in einer neutralen Nachrichtensendung einfach ausgelassen werden, wenn sie nicht zur eigenen Sichtweise der Autorin bzw. Redaktion passen? Ein klarer Fall von einseitiger, selektiver Berichterstattung. Warum berichtet das „heute-journal“ nicht über neue Studienergebnisse von der antarktischen Halbinsel, wo 7000 Jahre lang während der vergangenen zehn Jahrtausende Temperaturen herrschten, die auf dem heutigen Niveau lagen? (siehe kalte-Sonne-Blogbeitrag „Nacheiszeitliche Temperaturen der antarktischen Halbinsel lagen 7000 Jahre lang auf dem heutigen Niveau“).
Stattdessen setzt TV-Autorin Werth im Beitrag lieber noch ein Stoßgebet ab:
„Aber auch am Südpol wird sich die globale Erwärmung bald bemerkbar machen, da sind sich die Forscher einig“
Vermutlich meint die Autorin die zwei IPCC-Forscher, mit denen sie regelmäßig korrespondiert. Denn ansonsten hätte sie bereits bemerkt, dass es in der Wissenschaft keineswegs Einigkeit darüber gibt. Da hätte zum Beispiel ein kurzer Anruf nach Norwegen gereicht (siehe Blogbeitrag „Neue norwegische Studien: Ein erheblicher Teil der Klimaerwärmung der letzten 150 Jahre ist durch die Sonne verursacht“).
Der Schluss der aktuellen Kleber-Klimashow unterscheidet sich in keiner Weise vom Kleber-Film aus dem Februar 2012. Als Betthupferl wird den Leuten noch schnell mit der selbstverschuldeten Sintflut gedroht, ausgelöst durch schmelzendes Antarktiseis. Dies wäre dann das Ende der heutigen Zivilisation, heißt es. Wie wir bereits erwähnt hatten, schmilzt das antarktische Eis jedoch momentan gar nicht, sondern ist vielmehr auf dem Vormarsch. Dies gilt sowohl für das antarktische Meereis als auch das antarktische Inlandeis (siehe Blogbeitrag „Klimakatastrophe macht wohl einen Bogen um die Antarktis“ ).
Unklar ist zudem, wie eine im Film gezeigte Äußerung die heute-journal-Cutter-Schere überleben konnte. Ein Teilnehmer der Polarstern-Fahrt wurde nämlich gefragt, warum das Schiff denn nicht bis zum Nordpol weiterfahren konnte. Der Wissenschaftler antwortete wahrheitsgemäß, dass sie es wegen des dicken Eises nicht bis dahin schaffen konnten. Diese Stelle muss bei der Endredaktion wohl vom ZDF übersehen worden sein.
S. Lüning, K-E. Puls; redaktionell: M. Limburg
Mit Dank an R. Hoffmann.
Fragen Sie das ZDF, wie es zu diesem Pannenbeitrag kommen konnte. Hier geht es zu den ZDF-Zuschauer-Kontaktmöglichkeiten.
Bild oben rechts: George Roux (1850-1929) / Lizenz: gemeinfrei.