Sechzig-Jahres-Ozeanzyklus jetzt auch in der Meeresspiegelentwicklung gefunden

Wenn man die Temperaturentwicklung der letzten gut hundert Jahre anschaut muss man sich fast ein wenig wie der berühmte Alfred Wegener fühlen: Deutlich zeichnet sich in den Daten ein Zyklus ab, der etwa 60 Jahre umfasst (Abbildung 1). So begannen die beiden jüngsten Erwärmungsepisoden gegen 1915 und 1975, also im Abstand von 60 Jahren. Aber auch das Ende der Erwärmung 1940 und 2000 lag wiederum 60 Jahre auseinander.

Der Weltklimarat kann sich mit dieser zyklischen Eigendynamik des Klimas so gar nicht anfreunden. Anstatt den Ozeanzyklus als steuernde Größe anzuerkennen, denkt sich das Gremium allerlei wackelige Hilfskonstruktionen aus, nur um den deutlichen Herzschlag der Natur nicht in die Temperaturprognosen einbauen zu müssen (siehe Kapitel 4 und 5 in unserem Buch „Die kalte Sonne“). Und die Quittung kam prompt: Keines der ehemals so hochgelobten IPCC-Modelle hat den seit nunmehr 14 Jahren andauernden Erwärmungsstop vorhergesagt. Warum sträubt sich der IPCC so sehr gegen eine sinnhafte Einbeziehung der Ozeanzyklen? Es spricht viel dafür, dass ein gewichtiger Teil der Erwärmungsepisode von 1977-2000 auf das Konto der aufstrebenden Ozeanzyklen geht. Denn genau in dieser Zeit stieg auch die Pazifisch Dekadische Oszillation (PDO) stark an und verharrte dann auf einem warmen, hohen Plateau. Die Mitwirkung der Ozeanzyklen würde damit automatisch die Klimakraft des CO2 schwächen. Kritik am CO2 hingegen ist beim IPCC unerwünscht und wird mit allen Mitteln unterdrückt.

Für viele Geologen bedeutet die Entdeckung des 60-Jahres-Zyklus ein regelrechtes Déjà-vu. Alfred Wegener hatte vor einem Jahrhundert auf der Weltkarte erspäht, dass die Atlantikküsten von Afrika und Südamerika in ganz hervorragender Weise zusammenpassen, als wenn die Kontinente einmal zusammengehangen hätten. Nein, er wäre verrückt, sagten ihm die „Experten“, Kontinente können sich doch gar nicht bewegen, und darüber gäbe es sogar einen Konsens in der Fachwelt. Erst in den 1960er Jahren wendete sich das Blatt und Wegener wurde rehabilitiert (siehe auch unsere Blogbeiträge „Kontinentalverschiebung und Klimawandel: Die wundersame Wiederholung der Wissenschaftsgeschichte“ und „Die Plattentektonik setzt sich durch: Lehren für die Klimadebatte“).

Abbildung 1: Temperaturentwicklung der außertropischen Nordhemisphäre seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Quelle: Goddard Institut for Space Studies (GISS). 

 

Für die Ozeanzyklen-Gegner wird die Luft nun jedoch allmählich dünner. Mitte August 2012 akzeptierten die Geophysical Research Letters eine neue Arbeit, die deutliche Hinweise auf einen 60-Jahres-Zyklus in der globalen Meeresspiegelentwicklung dokumentiert. Nach Abzug eines Langzeittrends und Glättung der Daten, kommt der Zyklus in beeindruckender Weise zum Vorschein (Abbildung 2). In der Kurzfassung der Arbeit schreibt die Gruppe um Don Chambers von der University of South Florida:

Wir haben lange Datenreihen von Küstenpegeln in allen Ozeanbecker der Erde untersucht, um zu überprüfen, ob sich in der globalen Meeressiegelentwicklung ein etwa 60-Jahre langer Zyklus wiederfinden lässt, und ob es sich um einen wirklich global wirkenden Zyklus oder nur ein Artefakt in einer kleinen Anzahl von Pegeln handelt. Wir fanden, dass in der Tat eine bedeutende Oszillation mit einer Periode von etwa 60 Jahren in der überwiegenden Mehrheit der untersuchten Küstenpegel während des 20. Jahrhunderts existiert, und dass diese in jedem Ozean der Erde auftritt. Mittelt man die Küstenpegel für die einzelnen Ozeanbecken, so zeigt sich, dass sich die Phase und Amplitude der Zyklik im Nordatlantik, westlichen Nordpazifik und Indischen Ozean stark ähneln. Im westlichen Südpazifik hingegen setzt die Entwicklung um etwa 10 Jahre verzögert ein. Die einzige untersuchte Region, in der kein deutlicher 60-Jahreszyklus im Meeresspiegel existiert, ist der zentrale und östliche Nordpazifik.

Die in den Küstenpegeldaten identifizierte Phase des 60-Jahres-Zyklus ist so ausgebildet, dass sich der Meeresspiegel im Nordatlantik, westlichen Nordpazifik und Indischen Ozean seit etwa 1985-1990 zusätzlich angehoben hat. Leider gibt es in Bezug auf die zeitliche als auch räumliche Abdeckung noch nicht genügend Küstenpegeldaten, um den 60-Jahreszyklus in der Meeresspiegelentwicklung zweifelsfrei nachweisen zu können. Dennoch sollte der Zyklus berücksichtigt werden, wenn es um Betrachtungen zur Beschleunigung des Meeresspiegelanstiegs und die regionale Meeresspiegelentwicklung geht. 

Im Diskussionsabschnitt des Papers werden Chambers und seine Kollegen noch etwas deutlicher:

Bis wir nicht vollständig verstanden haben, ob die Meeresspiegelentwicklung im Zeitraum von mehreren Jahrzehnten durch charakteristische Umbiegepunkte oder einen 60-Jahres-Zyklus geprägt wird und sich dies global auswirkt, sollte man mit Berechnungen eines beschleunigten Meeresspiegelanstiegs sehr vorsichtig sein. Ausnahmen wären, wenn die verwendeten Datenreihen länger als zwei Zyklenperioden sind oder das Modell die Möglichkeit einer 60-Jahres-Oszillation bereits berücksichtigt. Diese Einschränkungen gelten insbesondere für die Interpretation eines beschleunigten Meeressiegelanstiegs unter Verwendung von Satellitendaten, die lediglich 20 Jahre zurückreichen sowie für einzelne Pegel mit kurzen Datenreihen.

 

Abbildung 2: Die Meeresspiegelentwicklung des letzten Jahrhunderts ist durch einen ausgeprägten 60-Jahres-Zyklus geprägt. Dargestellt sind Daten nach Abzug des langfristigen Trends sowie nach Glättung durch ein gleitendes 5-Jahresmittel. Abbildung aus Chambers et al. (im Druck).

 

Siehe auch Artikel auf World Climate Report.
Abbildung oben rechts: en:User:Kieff / Lizenz: GNU Free Documentation License, Version 1.2