Was ist die Ursache der Tornado-Häufung von 2011 in den USA? Menschengemachter Klimawandel oder natürliche Variabilität?

Es muss wohl ein menschliches Grundgesetz sein: Alles wird immer schlimmer! Die Sommer werden immer heißer, die Überschwemmungen immer heftiger, die Hagelkörner waren noch nie so groß und die Kürbisse noch nie so klein. Irgendetwas verleitet uns offenbar, uns selbst in den Mittelpunkt der Geschichte zu rücken, um unsere eigene Wichtigkeit zu unterstreichen. Wie schön wäre es, wenn wir Teil einer ganz außergewöhnlichen, noch nie dagewesenen Entwicklung wären. Wir könnten froh sein, gerade in dieser Welt zu leben und wären unseren Vorfahren dadurch weit überlegen. Wie schlimm wäre es, wenn wir in einer Zeit leben würden, die nur Mittelmaß wäre, wo die Sommer auch nicht viel heißer wären wie zu anderen Zeiten, sich die Überschwemmungen im ganz normalen Rahmen bewegen, die Hagelkörner nur 08/15 wären und auch die Kürbisse halt ganz normale Kürbisse sind.

So oder so ähnlich könnte es auch mit den Stürmen sein. Immer wenn ein Sturm über das Land gefegt ist, melden sich kluge Zeitgenossen, die die Einzigartigkeit gerade dieses Sturmes und überhaupt der aktuellen stürmischen Zeiten hervorhebt. Was für eine schöne Schlagzeile. Die Leute lesen es gerne und der Name des Experten kreist einmal durch das Medien-Universum. Das bringt Bekanntheit, Expertenruhm, Ehrfurcht und auch endlich wieder neue wissenschaftliche Fördermittel.

Wir wollen uns in den kommenden Tagen etwas näher mit den Stürmen dieser Erde beschäftigen. Sind sie häufiger, stärker und gefährlicher geworden, wie man es immer wieder in den Medien hört? Oder erleben wir derzeit eine ganz normale Sturmtätigkeit, die sich von den letzten Jahrzehnten kein bisschen unterscheidet?

Im heutigen Artikel soll es um Tornados gehen. Was ist das eigentlich genau? Wikipedia erklärt es uns (leicht vereinfacht):

„Ein Tornado ist ein kleinräumiger Luftwirbel in der Erdatmosphäre, der eine annähernd senkrechte Drehachse aufweist und im Zusammenhang mit konvektiver Bewölkung steht. Der Wirbel erstreckt sich hierbei durchgehend vom Boden bis zur Wolkenuntergrenze.“ 

Und der Spiegel beschreibt uns wie man sich so einen Tornado vorzustellen hat: 

„Sie werden ehrfürchtig „Finger Gottes“ genannt: Tornados verwüsten in den USA regelmäßig ganze Kleinstädte. Die Luftwirbel kündigen sich bereits von weitem an: Zeugen erzählen von tiefem Brausen wie bei Wasserfällen, das stetig lauter wird und schließlich donnernd faucht. Zahlreiche Tornados ziehen jedes Jahr über Amerika hinweg.“ 

Es gibt sie aber nicht nur in Amerika. Auch in Deutschland treten sie laut dem Deutschen Wetterdienst (DWD) durchaus von Zeit zu Zeit auf, werden hier aber meist Windhosen genannt:

Die Zahl der Tornados in Deutschland habe nach Beobachtungen des DWD nicht zugenommen. 20 bis 60 Tornados werden pro Jahr registriert. „Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs“, sagte Friedrich; manche Tornados würden gar nicht erkannt, weil sie über freies Feld zögen und keine Schäden anrichteten.

Auch im benachbarten Polen schlug im Juli 2012 ein Tornado mit voller Wucht zu, wie Die Welt am 16.7.2012 berichtete:

„Eine ungewöhnliche Tornado-Serie hat im Norden und Westen Polens schwere Zerstörungen angerichtet. Nach Angaben der Behörden wurde mindestens ein Mensch getötet. Zehn weitere seien verletzt worden. Besonders betroffen war am Sonntagabend offenbar die Region um den bei Touristen beliebten Nationalpark Bory Tucholskie. Hier wütete ein Wirbelsturm auf einer Breite von 800 bis 1.000 Metern. Die Tornados zerstörten Behördenangaben zufolge mehr als 400 Hektar Waldfläche und mehr als 100 Häuser; Strommasten wurden umgeknickt und Straßen mussten gesperrt werden, weil Bäume auf die Fahrbahn gefallen waren; Einige Züge mussten Umwege fahren, weil auch Gleise von Bäumen sowie anderen durch die Luft gewirbelten Gegenständen blockiert wurden.“

In den USA wüteten Tornados im Jahr 2011 besonders stark und führten zur zweithöchsten Anzahl von Tornado-Todesopfern in den letzten 137 Jahren. Wie immer nach solchen Tornado-Anhäufungen entflammt sogleich eine Diskussion, ob vielleicht der Klimawandel daran Schuld sein könnte. Ähnliche Diskussion über mögliche Hintergründe hat es stets gegeben. Im Jahre 1953 haben drei Tornados in den USA mindestens 90 Menschen das Leben gekostet. Sogleich wurde damals spekuliert, dass vielleicht Atomwaffentests in der Atmosphäre die Stürme ausgelöst haben könnten (siehe Bericht im New Scientist). Seltsamerweise hat es jedoch nie Ursachendiskussion gegeben, wenn die Tornado-Aktivität mal für ein paar Jahre abflaute. Ob vielleicht der Mensch an dem Ausbleiben der Tornados Schuld haben könnte? Diese Frage stellte keiner.

Im Prinzip sollte es doch ganz einfach herauszufinden sein, ob sich unsere heutige Tornadoaktivität in den USA noch im Bereich der natürlichen Schwankungsbreite befindet. Daten gibt es bis zurück in die 1950er Jahre. Leider hat sich die Registriermethode im Laufe der Zeit verändert (siehe hierzu auch einen detaillierten Beitrag im Icecap Blog). Zudem wurden die Methoden an den verschiedenen Orten des Landes unterschiedlich angewendet. Die Original-Tornado-Statistiken sind daher alles andere als einheitlich und vergleichbar. Längerfristige Trends in den Rohdaten sind daher mit Vorsicht zu genießen. Grady Dixon, Assistenzprofessor für Meteorologie and Klimatologie an der Mississippi State University erläutert auf Phys Org:

„Wenn man sich die Daten der letzten 60 Jahre anschaut, hat die Anzahl der Tornados signifikant zugenommen. Jedoch sind sich die Tornadoforscher einig, dass es sich hierbei um keine reale Zunahme handelt. Vielmehr geht der Aufwärtstrend wohl auf verbesserte Beobachtungstechnik, eine vergrößerte Bevölkerung und weiter verbreitetes Wissen über Tornados zurück. Daher werden heute einfach mehr Tornados beobachtet [die vorher unberücksichtigt blieben].“ 

Dixon sagte zudem, dass es ein schlimmer Fehlschluss wäre, die angebliche Zunahme von Tornados mit dem Klimawandel in Verbindung zu bringen. In einem Bericht von Kevin Simmons, Daniel Sutter und Roger Pielke Jr. Wird die Tornadoserie von 2011 analysiert:

„Die Tornadoserie von 2011 verursachte die größten Sachschäden die je in einer Tornadosaison verzeichnet wurden. Versicherungskonzerne machen sich daher ernsthafte Gedanken über die Gefahr dieser Ereignisse. Die Herausforderung für öffentliche Stellen und Versicherungen besteht darin, die Wiederkehr-Frequenz solcher Ereignisse korrekt zu bestimmen, um sich besser darauf vorzubereiten und genügend genügend finanzielle Mittel zur Verfügung zu haben. Wenn man die Versicherungsschäden normalisiert und den Zuwachs an Bevölkerung und Werten korrigiert, zeigt sich dass die Tornado-Saison von 2011 keineswegs als einzigartig anzusehen ist, sondern durchaus mit mindestens zwei anderen Jahren vergleichbar ist: 1953 und 1965. Daher erwarten wir nicht, dass sich die Tornado-Schadenshöhe in den kommenden Jahren so schnell wiederholt.“

Im März 2012 erschien im Fachmagazin Weather eine Studie einer US-amerikanischen Gruppe um Charles Doswell III, in der die Autoren die Tornado-Saison 2011 in den USA untersuchten. Auch diese Wissenschaftler fanden, dass es ähnlich aktive Tornado-Phasen in der Vergangenheit stets gegeben hat:

„Wenn man sich die Gründe der Tornados aus dem Frühling 2011 anschaut, findet man keinerlei Hinweis darauf, dass die meteorologischen Umstände noch nie dagewesen sein könnten, wenn man die Ereignisse mit ähnlichen Tornadoserien in der Vergangenheit der USA vergleicht. Die Atmosphäre verfiel dabei in ein Zirkulationsmuster, dass die Entstehung von Tornados in der zweiten Hälfte von jeweils April und Mai 2011 begünstigte. Dies geschah in ähnlicher Weise bereits in der Vergangenheit, wie Ähnlichkeiten zwischen dem Tornado vom 27. April 2011 und dem Super-Tornado vom 3. April 1974 zeigen. […] Wir sind davon überzeugt, dass die schlimme Tornadoserie aus dem Frühling 2011 auf keinen Fall als Indiz dafür gewertet warden kann, dass sich solche Ereignisse in ihrer Häufigkeit und/oder Intensität derzeit verstärken. Diese Tornadoanhäufungen sind als Wetterereignisse zu verstehen und Klima ist der längerfristige Durchschnitt von Wetter. […] Das Jahr 2012 könnte sich zum Beispiel als Rekordminimum in der Tornadotätigkeit erweisen, ähnlich wie nach der Aktivitätsspitze vom 27. April 2011, als Tornados in den ersten beiden darauf folgenden Maiwochen stark abnahmen.“

Das ist ein gutes Stichwort. Schauen wir doch mal, wie sich die Tornados 2012 bislang benommen haben (Abbildung 1). In der Tat, war es bislang bemerkenswert ruhig.

Abbildung 1: Kumulative Entwicklung der Tornadoanzahl seit 2005, farbig aufgeschlüsselt nach verschiedenen Jahren. Das Jahr 2011 (rot) nimmt Platz 2 ein, während 2012 bislang nur durchschnittliche Werte erreichte. Quelle: WUWT.

 

Wir haben bereits oben gehört, dass das heftige US-Tornadojahr 2011 keineswegs einzigartig war. Dazu schauen wir uns jetzt einmal die methodenbereinigte Statistik für starke und sehr starke Tornados der letzten 60 Jahre an (Abbildung 2). Es wird klar, dass die starken Tornados in den letzten Jahrzehnten eher ab- als zugenommen haben. Die schlimmste Tornadoserie gab es im April 1974.

Abbildung 2: Entwicklung der Anzahl von starken und sehr starken Tornados in den letzten 60 Jahren. Quelle: icecap.

 

 

Abbildung 3: Todesfälle pro Jahr durch Tornados in den USA. Auch hier ist keine Zunahme zu erkennen, eher eine Abnahme. Frühwarnsysteme haben hier in jüngerer Zeit Leben gerettet, jedoch gibt es heute auch viel mehr Menschen als früher. Quelle: Doswell III et al. (2012).

 

Ist es bei all den genannten Entwarnungen nicht seltsam, dass der Spiegel Online im März 2012 kräftig die Tornado-Klimaalarmschraube dreht?:

Tornado-Saison beginnt immer früher
Nach den ersten schweren Tornados in den USA warnen Forscher, dass die Stürme immer früher im Jahr beginnen und mehr Regionen treffen als bisher. Als Ursache haben sie den Klimawandel in Verdacht. […] In der vergangenen Woche verursachten die Stürme im Mittleren Westen der USA schwere Zerstörungen. Starke Winde mit Hagelschauern zogen über mehrere Bundesstaaten, bevor sie Richtung Osten abdrehten. Überraschend war vor allem der Zeitpunkt: Normalerweise beginnt die Tornado-Saison in den USA erst im April. Mehrere Klimaforscher warnen nun, dass die Wirbelsturmserie in Zukunft immer früher einsetzen könnte. „Der Frühling beginnt mittlerweile ein oder auch zwei Wochen früher, und die Wirbelsturm-Saison eher im Februar als im April“, sagt Kevin Trenberth vom National Center for Atmospheric Research in Boulder (US-Bundesstaat Colorado). Ob der frühere Beginn und auch die Schwere der Tornados durch den Klimawandel beeinflusst werden, sei allerdings kaum untersucht. 

Interessant ist auch die Aussage von Craig Fugate, dem Direktor der US-amerikanischen Federal Emergency Management Agency (FEMA). Der sagte im Mai 2012, dass nicht geklärt sei, ob der Klimawandel Einfluss auf die Tornadotätigkeit nehmen würde. Vielmehr sieht er hier natürliche Schwankungen am Werke.

Das Fazit des Literaturstreifzugs durch die Tornadowelt fällt klar aus: Bislang gibt es keinen guten Grund, eine signifikante Beeinflussung der Tornadoentwicklung durch den Klimawandel anzunehmen.

 

Eine Übersicht zu weiteren Tornado-Papers gibt es auf Popular Technology.net.
Siehe auch Artikel von Klaus-Eckart Puls.
Tornado-Foto oben rechts: Public Domain (Wikipedia)