In der Frankfurter Neuen Presse (FNP) vom 6. Januar 2015 beklagte sich Sven Weidlich über große Ungerechtigkeiten in der Welt:
Was der Klimawandel auf Kuba anrichtet
Die Lasten des Klimawandels sind sehr ungerecht verteilt. Viele Länder haben wenig zum Anstieg der Treibhausgasemissionen beigetragen, sind aber besonders gefährdet. So stellt es der jüngste Bericht des Weltklimarates fest. Kuba gehört zur Gruppe dieser Länder und ist als Inselstaat besonders bedroht.
Das wollen wir genauer wissen. Um welche Klimaschäden soll es sich handeln? Lesen wir dazu ein Stück in der FNP weiter:
Der Meeresspiegel steigt, und damit auch die Sorge auf Kuba. „Die Mehrheit unserer Städte liegt an der Küste“, sagt Orlando Rey. Er ist Direktor im kubanischen Ministerium für Wissenschaft, Technologie und Umwelt und verweist auf eine Prognose: „122 Siedlungen könnten bis zum Jahr 2100 gefährdet sein, 15 davon könnten total verschwinden, eine Millionen Menschen könnten betroffen sein.“
Um wieviel der Meeresspiegel in den letzten Jahrzehnten in Kuba schon angestiegen ist, verrät uns der Artikel leider nicht. Sieht es wirklich so düster aus, wie Weidlich uns glauben lässt? Dazu konsultieren wir die internationale PSMSL-Küstenpegel-Datenbank. Das Kürzel „CUB“ steht für Pegel in Kuba. Zuerst stoßen wir auf den Pegel „Gibara“ im Nordosten der Insel:
Ja, der Meeresspiegel stieg in der Tat in Gibara während der letzten 40 Jahre, nämlich um ungefähr 5 cm. Das macht etwas mehr als 1 mm pro Jahr. Wenn sich dieser Trend fortsetzt, kämen bis zum Jahr 2100 weitere 10 cm hinzu. Ein überschaubarer Anstieg, weit entfernt von einer Katastrophe. Aber ok, ein Pegel macht noch keinen Sommer. Schauen wir daher noch ein wenig weiter in der Datenbank. Im Zentralbereich der Nordküste gibt es einen Pegel namens Isabela de Sagua:
In den Daten der letzten 15 Jahre ist kein Trend zu erkennen, vielmehr eine jährliche bis dekadische Zyklik. Gute Nachrichten für Kuba: Die angekündigte Sintflut bleibt aus. Aber so einfach gibt Sven Weidlich nicht auf. Er hat weiteren Klimahorror für Kuba parat:
Der kubanische Klimatologe Ramon Pichs gehört dem Weltklimarat an. Er sagt: „Wir haben verschiedene Annahmen getroffen. Die optimistischste ist, dass die globale Temperatur nur um etwa zwei Grad steigt, und zwar im Vergleich zum Jahr 1850. Aber selbst das hätte für Inselstaaten wie Kuba schlimme Auswirkungen.“ Experte Rey konkretisiert: „Im Osten der Insel weiten sich schon jetzt die Gebiete aus, in denen Dürren herrschen. Die Qualität des Bodens wird schlechter, und auch die Biodiversität leidet.“ Künftig könne es weniger Wasserressourcen geben.
Mehr Dürren in Kuba? Dazu würden wir gerne die offizielle Dürrestatistik der letzten Jahrhunderte sehen. Gibt es darin einen statistisch signifikanten Trend? Schon beim ersten Googlen finden wir eine Arbeit von Sherry Johnson aus dem Jahr 2011 zur Dürregeschichte Kubas. Hier die Kurzfassung:
Climate and Catastrophe in Cuba and the Atlantic World in the Age of Revolution
From 1750 to 1800, a critical period that saw the American Revolution, French Revolution, and Haitian Revolution, the Atlantic world experienced a series of environmental crises, including more frequent and severe hurricanes, and extended drought. Drawing on historical climatology, environmental history, and Cuban and American colonial history, this book integrates the region’s experience with extreme weather events and patterns into the history of the Spanish Caribbean and the Atlantic world. By superimposing this history of natural disasters over the conventional timeline of sociopolitical and economic events in Caribbean colonial history, the author presents an alternative analysis in which some of the signal events of the Age of Revolution are seen as consequences of ecological crisis and of the resulting measures for disaster relief. For example, she finds that the general adoption in 1778 of free trade in the Americas was catalyzed by recognition of the harsh realities of food scarcity and the needs of local colonists reeling from a series of natural disasters. Weather-induced environmental crises and slow responses from imperial authorities, the author argues, played an inextricable and, until now, largely unacknowledged role in the rise of revolutionary sentiments in the eighteenth-century Caribbean.
Potzblitz. Dürren und Hurrikane sind gar keine neuartige Erscheinung. Es hat sie stets gegeben. Und zwischen 1750 und 1800 – mitten in der Käktephase der Kleinen Eiszeit – haben diese Wetterextreme in Kuba eine natürliche Häufung erlebt. Dazu brauchte es kein CO2, die Eigendynamik des Klimasystems ist ganz offensichtlich sehr viel stärker als es die IPCC-Anhänger für möglich halten. Zudem hat eine Forschergruppe um Matthew Schmidt von der Texas A&M University herausgefunden, dass auch die Sonnenaktivität einen großen Einfluss auf die Dürrezyklik in der Region ausübt (siehe unseren Blogbeitrag „Millenniumszyklen vor Florida: Neue Arbeit dokumentiert bedeutenden Einfluss der Sonne auf das Klima vor 7000 Jahren„).
Kommen wir abschließend zur Behauptung Weidlichs, die Hurrikane würden im Zuge des Klimawandels zunehmen. Weidlich schreibt:
Außerdem steigt für Kuba die Gefahr starker Hurrikans. Schon jetzt wird die Insel immer wieder von schweren Wirbelstürmen getroffen, zuletzt im Jahr 2012 von Hurrikan „Sandy“. Der Sturm richtete im Osten schwere Schäden an, unter anderem in der Millionenstadt Santiago de Cuba. Elf Menschen starben. Ihre Zahl war relativ niedrig, weil Kuba über ein gutes Frühwarnsystem verfügt. Im Bericht des Weltklimarates prognostizieren die beteiligten Wissenschaftler aus aller Welt, dass mit der globalen Erwärmung auch die Oberflächentemperatur der Meere ansteigt. Die stärkste Erwärmung sagen sie für tropische und subtropische Regionen vorher. Je wärmer aber die Oberflächentemperatur der Meere ist, desto größer gilt die Gefahr, dass Hurrikans entstehen. „Es gibt dafür noch keinen wissenschaftlichen Beweis dafür, aber für mich ist der Zusammenhang klar“, sagt Rey.
Das sehen seriöse Fachwissenschaftler jedoch ganz anders. Kuba liegt nur knapp 200 km von Florida entfernt. Eine Studie von dort fand Erstaunliches: „Neue geologische Studie schafft überraschenden Kontext: Heutige Hurrikanaktivität in Florida eher unterdurchschnittlich ausgeprägt„. Hurrikane bewegen sich derzeit in der Region noch voll und ganz im Bereich der natürlichen Variabilität, und zwar am unteren Rand. Zudem zeigen Klimamodellierungen, dass auch in Zukunft nicht mit einem Anstieg der Hurrikanaktvität zu rechnen ist („Neue Klimamodellierung findet langfristige Abnahme der Hurrikan-Häufigkeit„).
Angesichts der Verkettung wissenschaftlich fragwürdiger Behauptungen bleibt abschließend nur noch eines zu klären: Wer ist Sven Weidlich und wie konnte es zu diesen Pannen in der Berichterstattung kommen? Zum Glück gibt es in der Frankfurter Neue Presse ein Autorenporträt:
Sven Weidlich ist Politik-Redakteur. 1974 in Frankfurt geboren, ist er in Oberursel zur Schule gegangen und hat dann Geschichte, Politik und Philosophie studiert. Ein Studienjahr absolvierte er in Frankreich, in Lille, und fühlt sich unserem Nachbarland noch heute sehr verbunden. Neben dem Studium hat er lange als freier Mitarbeiter für die Taunus Zeitung gearbeitet. Seine Abschlussarbeit an der Goethe-Universität schrieb er über die Frankfurter Stadtpolitik in den 50er und 60er Jahren. Anschließend volontierte er bei der Frankfurter Neuen Presse. Er interessiert sich besonders für die Themen Energiewende, EU und die Entwicklungen in den USA.
Nun ist es klar: Ein Politikredakteur ohne naturwissenschaftliche Ausbildung. Vielleicht sollte er sich in Zukunft lieber mit Themen beschäftigen, die er besser beherrscht.