Eine unbequeme Wahrheit: In vorindustrieller Zeit gab es in Nordamerika mehr Waldbrände als heute

Wenn in einigen Regionen der Erde im Sommer der Regen ausbleibt und es viele Wochen lang keinen Tropfen regnet, reicht ein kleiner Funke, um große Landschaften in Flammen aufgehen zu lassen. Selbst im heutigen Hightech-Zeitalter bedarf es großer Mühe, Waldbrände unter Kontrolle zu bekommen. Mensch und Feuer – eine uralte Hassliebe.

Waldbrände hat es immer gegeben. Haben sie zugenommen, haben sie abgenommen? Wenn eine Katastrophe zuschlägt, tritt die Statistik zunächst in den Hintergrund. Die Wucht des aktuellen Ereignisses übertönt die subtile Kraft der Statistik. Dieser Waldbrand muss wohl einer der schlimmsten aller Zeiten gewesen sein. Alles wird immer schlimmer. Ein zutiefst menschlicher Gedanke.

Nachdem das Feuer erstickt wurde, folgt die Suche nach dem Schuldigen. Wer ist der Brandstifter? Eine achtlos weggeworfene Zigarettenkippe? Ein vorsätzlich gelegter Brand eines vom Leben Enttäuschten? Ein Blitz? Immer häufiger wird seit neuestem ein ganz abstrakter Schuldiger genannt, der Klimawandel. Richtig gehört, der Anstieg des CO2 in der Atmosphäre soll die Erdtemperatur nach oben getrieben haben, wodurch die Landschaft stärker entflammbar wird. Für die letzten 15 Jahre scheint dies zwar nicht so richtig wegen der globalen Erwärmungspause zu gelten, aber die Idee hat sich trotzdem in den Köpfen bereits als fast gesichertes Wissen eingenistet. Im Folgenden wollen wir auf Spurensuche gehen. Was ist dran am Mythos „Mehr Waldbrände durch Klimawandel“?

Greenpeace ist eine der Organisationen, die hier einen starken Zusammenhang vermutet. Im Juli 2006 meldete Greenpeace auf seiner Webseite:

Klimawandel fördert Waldbrände
Die Zahl der Waldbrände im Westen der USA ist in den letzten 20 Jahren stark angestiegen. US-Forscher halten den Klimawandel für die Hauptursache. In der neuesten Ausgabe des Magazins Science sprechen die Wissenschaftler von einem Teufelskreis: Mehr Waldbrände durch Klimaerwärmung dezimierten den Baumbestand. Weniger Bäume nähmen weniger Kohlendioxid auf. Mehr Kohlendioxid verstärke wiederum die Klimaerwärmung.

Im Dezember 2012 legte scinexx nach und erweiterte das Konstrukt auf Kanada:

Kanada: Immer mehr Waldbrände durch Klimawandel? Überschreiten von Schwellenwerten sorgt für drastische Änderungen im Waldbrandregime
Großen Waldregionen Kanadas steht offenbar ein sprunghafter Wandel bevor. Anhand von Modellen haben Wissenschaftler jetzt gezeigt, dass es bei Waldbränden ebenso wie bei Epidemien Schwellenwerte gibt. Große Gebiete Kanadas bewegen sich offenbar auf diesen Schwellenwert zu und könnten diesen künftig durch den Klimawandel überschreiten.

Steile Thesen. Prüfen wir zunächst die Datengrundlage. Hat die Anzahl der Waldbrände in den letzten Jahren wirklich in ungewöhnlicher Weise zugenommen? Die offizielle Waldbrandstatistik der USA kann auf der Webseite des US National Interagency Fire Center eingesehen werden. Überraschenderweise ist die Anzahl der Waldbrände in den USA in den letzten 22 Jahren aber gar nicht angestiegen, sondern sogar gefallen (Abbildung 1).

Abbildung 1: Die Anzahl der Wald- und Buschbrände ist in den USA während der letzten 22 Jahre gefallen, nicht angestiegen. Quelle: wildfiretoday.com

 

Nicht verschwiegen werden soll, dass es im gleichen Zeitraum einen Anstieg in der verbrannten Fläche gegeben hat. Allerdings ist der Betrachtungszeitraum noch immer kürzer als 30 Jahre, die in den Klimawissenschaften als relevantes Mindestintervall verwendet werden. Die US-Feuersaison 2013 ist noch nicht ganz abgeschlossen, jedoch sind die Anzahl der Brände und die verbrannte Fläche dieses Jahr eher unterdurchschnittlich, wie die offizielle Statistik zeigt (Abbildung 2).

Abbildung 2: Waldbrandstatistik der USA für die letzten 10 Jahre. Ein Trend zu mehr und großflächigeren Bränden ist nicht zu entdecken. Quelle: US National Interagency Fire Center.

 

In Kanada erscheint die Situation sogar noch klarer. Sowohl die Anzahl der Brände als auch die Brandfläche ist in den letzten 20 Jahren deutlich zurückgegangen (Abbildung 3).

Abbildung 3: Anzahl der Waldbrände in Kanada (rote Balken) und verbrannte Fläche (grüne Kurve) in den letzten 20 Jahren. Dargestellt sind Mittelwerte für die letzten 5, 10, 15 und 20 Jahre. Quelle.

 

Erweitert man die Waldbrand-Statistik für die USA und Kanada auf die letzten 40 Jahre, werden weitere Muster sichtbar (Abbildung 4). In den 1970er und frühen 80er Jahren gab es interessanterweise mehr als doppelt so viele Brände wie heute. Den größten Flächenschaden gab es in den 1980er und 90er Jahren. Die statistische Zunahme der verbrannten Fläche basiert auf einer sehr heterogenen Entwicklung und einem Statistikbeginn während der brandarmen frühen 1970er Jahre. Bei einem früheren Beginn der Aufzeichnungen würde möglicherweise ein ganz anderer Trend herauskommen. Längere Datenreihen sind hier notwendig, um stabile Trends zu ermitteln.

 

Abbildung 4: Anzahl der Waldbrände in den USA und Kanada (rote Kurve) und verbrannte Fläche (grüne Kurve) in den letzten 40 Jahren. Quelle.

 

Dehnen wir daher jetzt unseren Betrachtungszeitraum weiter aus, um die längerfristigen Trends zu prüfen und einen robusten Kontext zur Interpretation der aktuellen Waldbrandzahlen zu schaffen. Die Washington Post berichtete im Sommer 2012 über eine Studie eines Forscherteams um Jennifer Marlon von der Yale University, in der die Waldbrandhäufigkeit der westlichen USA für die letzten Jahrhunderte untersucht wurde. Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass es während der Mittelalterlichen Wärmeperiode zu deutlich mehr Bränden kam als während der Kleinen Eiszeit, als es kälter und feuchter war. Dieser intuitive Zusammenhang brach Mitte des 19. Jahrhunderts jedoch zusammen. Zu dieser Zeit verstärkte sich der Zustrom von Siedlern in der Region. Lagerfeuer und der Bau von Dampfeisenbahnstrecken führten zu einem starken Anstieg der Wald- und Buschbrände. Im Laufe der Zeit wurde man vorsichtiger und effektiver im Kampf gegen das Feuer, so dass die Brände wieder zurückgingen. Die Studie fand weiterhin, dass trotz der Klimaerwärmung im 20. Jahrhundert die Waldbrände nicht wieder auf das Niveau der Mittelalterlichen Wärmeperiode heranreichten. Die Waldbrandaktivität sank während der vergangenen Jahrzehnte auf den tiefsten Wert der gesamten letzten 3000 Jahre (Abbildung 5).

 

Abbildung 5: Waldbrandstatistik der westlichen USA für die vergangenen 3000 Jahre. Quelle: Marlon et al. 2012.

 

Durch dieses „Feuerdefizit“ reicherten sich in der Landschaft große Mengen an brennbaren Pflanzenmaterialien wie etwa Blätter und Zweige an. Dieses akkumulierte Zunderreservoir stellt jetzt eine besondere Bedrohung für die westlichen USA dar, weil nun selbst kleinere Brände auf diese Weise schnell zu großen Katastrophen werden können. Man sollte daher vorsichtig sein, jeden Anstieg sogleich dem ‚Klimawandel“ zuzuschreiben. Eine Untersuchung von Thomas Swetnam und J.L. Betancourt zur Waldbrandstatistik der südwestlichen USA bestätigt die geringe Feueraktivität der letzten 100 Jahre im Vergleich zu den vorangegangenen Jahrhunderten (Abbildung 6).

 

Abbildung 6: Waldbrandstatistik der südwestlichen USA für die vergangenen 400 Jahre. Quelle: Swetnam & Betancourt.

 

Währenddessen konnte eine Studie für die nördlichen Rocky Mountains zeigen, dass sich die schlimmsten Waldbrandphasen dort im frühen 17. Jahrhundert sowie zwischen 1929-1949 ereigneten. Die Untersuchung von Paul Knapp und Peter Soulé erschien im September 2011 in den Geophysical Research Letters. In neuerer Zeit hätten Feuerbekämpfungsmaßnahmen die Waldbrandgefahr reduziert, schreiben die Autoren.

Außer den oben erwähnten, vermutlich solar-getriebenen Klimazyklen im 1000-Jahres-Maßstab scheinen für die nordamerikanische Waldbrandaktivität auch Ozeanzyklen eine Rolle zu spielen, wie eine im Oktober 2011 im Canadian Journal of Forest Research erschienen Studie belegt. Die Autoren fanden für die vergangenen 30 Jahre einen deutlichen Zusammenhang zwischen der kanadischen Waldbrandhäufigkeit und der Atlantischen Multidekadischen Oszillation (AMO), einem prominenten 60-jährigen Ozeanzyklus der auch maßgeblichen Einfluss auf das Klima ausübt.

Der Faktencheck zeigt, dass die aktuelle nordamerikanische Waldbrandaktivität im Kontext der Waldbrandentwicklung der letzten Jahrzehnte und Jahrhunderte keinesfalls ungewöhnlich ist. Eine unnatürliche Zunahme ist nicht zu erkennen. Natürliche Klimazyklen beeinflussen die Brandhäufigkeit signifikant. Den anthropogenen Klimawandel als Hauptursache für die Waldbrandentwicklung in Nordamerika aufzuführen ist aus wissenschaftlicher Sicht in hohem Maße unseriös.

 

Foto oben rechts: Photo by Todd Heitkamp, Riverton, Wyoming / public domain