Im Herbst 1999 saß Geoff Jenkins abends vermutlich mit einem Bier vor dem Fernseher und erholte sich von einem langen Tag im Büro. Beim Zappen blieb er bei einem Kanal hängen, in dem mal wieder ein Bericht über das immer wilder werdende Extremwetter gesendet wurde. Jenkins wunderte sich. Wie kann dies alles sein, fragte er sich? Als Leiter des Klimavorhersageprogramms des Hadley Centre for Climate Prediction and Research sollte er doch eigentlich über die bevorstehende Lawine von Extremwetterkatastrophen bestens Bescheid wissen. Allerdings deutete nichts in seiner Forschung darauf hin. Umso seltsamer war, dass einer seiner eigenen Institutskollegen als aktiver Fürsprecher der drohenden Katastrophe in der TV-Doku auftrat. Ein paar Tage später setzte sich Jenkins daher an seinen Computer und schrieb seinem Kollegen eine Email, in der er ihn auf die Diskrepanz zwischen seinen im Fernsehen aufgestellten steilen Thesen und den wissenschaftlichen Grundlagen aufmerksam machte. Die Email gelangte einige Jahre später im Rahmen des Climategate Computer-Hacks ans Tageslicht:
Mick,
I saw the Nick Ross TV programme about weather disasters earlier in the week – there seems to be a weather disaster programme on every night these days although they all seem to be more human-interest than science. I thought you made some very unequivocal statements along the lines of global warming leading to more crazy weather. I can’t remember your words, but it came across as pretty certain to me (and, more importantly, to my mum Mrs Averageviewer). What do you base your views on? Warming will probably lead to a greater frequency of temperatures above a certain limit (eg 30C) […] There are clear indications from models that there will be a greater frequency of heavy rain days – although interestingly the RCM (which does a much better job of simulating today’s rainfall distributions) the frequency doesnt change half as much as in the GCM [General Circulation Model]. […] But on the real crazy waether stuff (gales, storms, hurricanes, tornadoes etc) there seems to be little robust evidence either of any change to date, or of a significant change in the future. I hope I’m not being too precious about this! but I think we need to give the public the right message – even if its a load of unsexy boring uncertainties.[…]Cheers, Geoff
Geoff Jenkins
Head, Climate Prediction Programme
Hadley Centre for Climate Prediction and Research
Met. Office
BRACKNELL RG12 2SZ
UK
Ein leitender Wissenschaftler versucht einen übereifrigen, zu unschönen Übertreibungen neigenden Kollegen wieder auf die rechte Spur zu bringen. Ein lobenswerter Versuch. Auf das gesamte Fachgebiet projiziert muss man den Versuch allerdings als gescheitert ansehen. Zu viele Klimawissenschaftler sind auf den sensationsheischenden Extremwetterzug aufgesprungen. Zu groß war die Versuchung, mit wenig Aufwand das große Publikum mit Schockernachrichten zu erreichen und zu unterhalten. Die Medien waren ganz wild auf diese Alarmgeschichten. Katastrophen gehören noch immer zu den beliebtesten Themen in der Leserschaft. Zusätzlich fühlte sich plötzlich die Politik verpflichtet, weitere üppige Fördermittel für die vormals ungeliebten Klimawissenschaften freizugeben. Wo Gefahr ist muss dringend geforscht werden, dachte man.
Viele Jahre ging dies gut. Im Laufe der Zeit gesellten sich auch Versicherungen hinzu, die sich mithilfe der Wetterkatastrophenangst gute Geschäfte versprachen. Bis, ja bis einzelne seriöse Forscher sich daran machten, die wahren Zusammenhänge in die Öffentlichkeit zu bringen. Erst wurden sie ausgepfiffen und als Verräter bezeichnet. Schließlich aber wuchs die Gruppe der Realisten immer weiter an. Im Mai 2012 dann der erste große Durchbruch. In einem UN-Sonderbericht des IPCC zum Extremwetter war kaum noch etwas von der drohenden Extremwetterkatastrophe zu lesen. Plötzlich argumentierten die Experten wieder viel vorsichtiger. Viele der ehemals als gesichert angesehenen Zusammenhänge zwischen Extremwetter und Klimaerwärmung erhielten nun einen Stempel „geringer Vertrauensgrad“. Explizit wird genannt, dass selbst eine kühle Welt voll von natürlichen Wetterextremen ist.
Dieser Trend in der Extremwetterinterpretation wird sich auf Basis des Vorentwurfs auch im demnächst erscheinenden 5. Klimazustandsbericht des IPCC fortsetzen. Dürren, Wirbelstürme und Überflutungen sind laut ICC nun nicht mehr automatisch an steigenden globale Temperaturen gebunden.
Einträglicher Alarmismus
Aber noch immer gibt es Ewiggestrige, die die Zeichen der Zeit nicht erkannt haben. Hierzu gehört z.B. die Vizechefin der US-Behörde für Wetter- und Meeresforschung (NOAA), Kathryn Sullivandes. Sie interpretierte den Extremwetterreichtum des Jahres 2011 munter als Folge des Klimawandels, getarnt hinter in der Zunft beliebten Floskeln wie „Zusammenhang könne nicht bewiesen werden, ist aber wahrscheinlich“. Auch Kevin Trenberth ist davon überzeugt und referiert gerne darüber in jedes offene Mikrofon. Ganz vorne mit dabei ist natürlich auch die deutsche Klimaretter.info-Plattform. Immerhin ist man dort so gnädig und zieht die Vulkanausbrüche und Erdbeben von den Extremwetterkatastrophen ab. Wer einen schön schockierenden Artikel über die drohende Extremwettergefahr schreiben möchte, kommt in der Regel nicht an den Studien und Presseverlautbarungen der Münchner Rück vorbei. Dass es sich dabei keinesfalls um unabhängig geprüfte Daten und Ableitungen handelt, scheint die meisten Medienvertreter nicht groß zu stören. Selbst in den USA ist man ganz vernarrt in die German Angst aus München.
Gerne werden Extremwetter-Ereignisse in Entwicklungsländern wie in den dunklen Zeiten des Mittelalters auch als drohender Zeigefinger missbraucht: Seht her was Ihr Industrieländer da wieder angestellt habt. Ihr habt Schuld an Dürre, Überschwemmung und Sturm. Aber Ihr Sünder habt Glück: Ihr könnt Euch freikaufen. Für lediglich zunächst 100 Milliarden Dollar im Jahr könnt Ihr mithilfe des Grünen Klimafonds Euer Gewissen reinwaschen. Wenn die Münze im Kästlein klingt, die Seele in den Himmel springt.
Auch der Direktor des US-amerikanischen Wetterdienstes, Louis Uccellini, kennt die Gepflogenheiten der Branche gut. Auch er verweist auf eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass der Klimawandel zu mehr Stürmen führen würde. Gleich darauf schränkt er aber ein, dass es noch gar nicht ausreichend Daten gibt, um diese Hypothese zu beweisen. Clevere Strategie. Einfach etwas behaupten, ein ernstes Gesicht machen und dann schnell zu Bedenken geben, dass dies derzeit noch gar nicht belegbar ist.
Ähnlich geht der Chef des deutschen Umweltbundesamtes, Jochen Flasbarth, vor. Vom Hurrikan des Typs ‚Sandy‘ gäbe es demnächst noch ganz viele, aber ein Beweis für den Klimawandel wäre es nicht, sagt er. Wo Flasbarth ist, kann Becker nicht weit sein. Eifrig spielen sich die beiden Herren die Katastrophenbälle wie Pingpong hin und her. So prognostiziert der Vizepräsident des Deutschen Wetterdienstes (DWD), Paul Becker, bis 2100 einen Anstieg von ‚Wetterphänomenen mit größtem Gefährdungs- und Schadenspotenzial‘. Ganz Super. Und sogleich wird aufgrund der Bedrohungslage der nächste Supercomputer, zehn neue Planstellen sowie ein Neubau für den DWD bewilligt. So oder so ähnlich läuft das Spielchen. Gerne bastelt man auch an Prognosen für die ferne Zukunft, je weiter weg in der Zielzeit, desto besser. Denn wer wird sich 2099 noch an die Prognosen von 2013 erinnern, geschweige denn diese überprüfen können/wollen. Zu jenem Zeitpunkt wird sich dann keiner der ehemaligen Prognostiker mehr verantworten müssen. Und falls doch: „Sorry, habe ich mich wohl geirrt. Kann ja mal vorkommen.“ Verwendet werden bei diesen Katastrophen-Prognosen übrigens ähnliche Modelle, die auch den seit 1998 andauernden Erwärmungsstopp nicht hatten kommen sehen. Kein gutes Zeichen.
Mit hohen angeblichen Kosten oder vermeintlichen Opferzahlen lässt sich immer noch am besten Aufsehen erregen. So wird Extremwetter die Verkehrssysteme in der EU wohl jährlich 15 Milliarden Euro Kosten, ermittelte eine finnische Studie. Dabei wurde dann aber leider vergessen zu erwähnen, dass ähnliche Schäden wohl auch in der Vergangenheit angefallen sind, wenn man die Zahlen gegenüber Inflation und Wertzuwachs der Infrastruktur bereinigt.
Für NGOs spielen die Fakten allerdings keine so große Rolle. Gebetsmühlenartig wird das gleiche Mantra wiederholt. Wenn man es nur oft genug aufsagt, leuchtet es irgendwann ein: So berichtete NGO-online.de im Juni 2012:
Die beste Prävention gegen Schäden durch den Klimawandel sei die Vermeidung von Kohlendioxid-Emissionen – etwa durch den Umstieg auf erneuerbare Energien. Je größer der Kohlenstoffdioxid-Ausstoß, desto extremer werden auch Unwetterschäden. […] Wenn nun die deutschen Energiekonzerne rund 15 Milliarden Euro Schadensersatz für den Atomausstieg einklagen und dieser ihnen gewährt wird, sollte dieser Betrag dann nicht dazu verwendet werden, einen Teil der Kosten zu begleichen, die durch kommende Extremwetterschäden entstehen?
Seriöse Wissenschaftler haben nun hiervon endgültig genug. Der in der Mitte der Klimadebatte anzusiedelnde `Lukewarmer‘ Keith Kloor drückt es treffend aus:
Greens and climate activists shouldn’t count on sporadic heat waves and wildfires to do the work for them. This is crucial because extreme weather and disasters has become crack cocaine to the climate community. Many of them are now hooked.
Und der durch die BEST-Temperaturserie bekanntgewordene Richard Muller erklärt, dass es derzeit noch keinen Hinweis darauf gibt, dass Extremwetter und Klimaerwärmung miteinander gekoppelt sind. Auch der kanadische Umweltwissenschaftler Madhav Khandekar wies darauf hin, dass Extremwetter stets integraler Bestandteil des Erdklimas war und immer bleiben wird. Im September 2012 erschien zudem im Wissenschaftsjournal Nature ein Editorial mit dem Titel „Better models are needed before exceptional events can be reliably linked to global warming“. Mit Bezug auf einen kurz zuvor stattgefundenen Workshop erläutert der Autor die Schwächen der heutigen Modelle, die noch keine eindeutige Aussage zu den Gründen von Extremwetterschwankungen machen können. Mittlerweile hat auch der US Kongress eingesehen, dass hier einiges im Argen liegt und ließ sich von John Christy über die schlimmsten Extremwetter-Fehlinterpretationen aufklären.
Ein Blick auf die harten Fakten
Wer sich unabhängig über Trends im Extremwetter informieren möchte, findet auf der WUWT-Extremwetterseite zahlreiche Links zu offiziellen Datenreihen. Wenn mal wieder ein Sturm über eine Stadt hinweggefegt ist und der Berichterstatter den Klimawandel als wahrscheinlichen Schuldigen auf die Bühne schiebt, sollte man auf harte Trend-Daten bestehen. Extremwetter hat es immer gegeben. Eine eindrucksvolle Auflistung von solchen Ereignissen aus den Jahren 1933 bis 1938 hat C3 Headlines zusammengestellt. Hier ein Auszug:
1933: Rare Hurricane Slams Into South Africa
1933: Bitter Winter Weather In Russia & Europe: Snow Causes Wolves To Attack Train
1933: West Australian Heat Wave – „Severest In History“
1933: Heat Waves, Floods, Droughts, Famines Plague China
1933: Spain’s Heat Wave: 130 Degrees In Shade
1933: Heat Wave Causes New Jersey Road To „Explode“
1933: Hottest June In U.S. History – Heat Wave & Drought
1933: 21 Perish During Texas, Louisiana Tornado & Hail Storms
1933: Drought In South Africa – „Worst Outlook For 50 Years“
1933: Flooding In China Kills 50,000
1933: India’s Ganges River Bursts Its Banks – Widespread Flood Damage & Fatalities
Weitere Extremwetterereignisse aus den 1930er Jahren gibt es auf C3 Headlines und Real Science. Auch aus den 1950er Jahren gibt es eine solche Zusammenstellung von C3 Headlines und Real Science. Eine hochinteressante Auflistung von Extremwetter vom Jahre Null bis 1900 hat James Marusek veröffentlicht.
Natürlich ist die Extremwetterangst nicht ganz neu. Bereits in der Bibel kann man darüber lesen. Richtig populär wurde der Extremwetter-Hype jedoch Mitte der 1970er Jahre, als ein großer Teil der Klimawissenschaftler vor einer starken Abkühlung (‚Global Cooling‘) warnte. Hiermit verbunden waren exakt die gleichen Steigerungen des Extremwetters, wie sie von den heutigen Experten für die Klimaerwärmung angenommen wird. Eine absurde Komödie, die sich bereits über 40 Jahre Wissenschaftsgeschichte hinzieht. Bemerkt hat diesen krassen Kurswechsel allerdings noch fast keiner. Die Extremwetterwarnungen der 1970er Jahre kann man schön in der New York Times und in Newsweek nachlesen. Mit dabei auch die WMO sowie die CIA.
Zunahme auf jeden Fall – Beweis leider keiner
Ein schönes Beispiel für die Verselbständigung der Extremwetterdiskussion von der wissenschaftlichen Grundlage gab es neulich in der NZZ zu lesen. Mario Slongo, der frühere Wetterexperte von DRS 1, wurde im Interview zum Extremwetter befragt:
NZZ: Haben extreme Wetterverhältnisse generell zugenommen?
SLONGO: Ja, die Tendenz für die angesprochene für Unwetter günstige Wetterlage hat zugenommen, wenn dies auch statistisch noch nicht belegbar ist.
Genau, diese Taktik hatten wir bereits. Ob es irgendwo ein Handbuch zu bestellen gibt, um diese neuartige Argumentationsstrategie zu erlernen? Dazu passt eine Tagung in Salzburg, die zu folgendem Schluss gelangte:
Der Eindruck, dass Wetterextreme wie Stürme oder Hochwässer zunehmen, lasse sich durch neueste Daten über zwei Jahrhunderte in den Alpen nicht bestätigen. Das sagte der Wiener Klimaforscher Johann Hiebl am Freitag bei einer Tagung in Salzburg.
Eine andere Studie untersuchte extreme Schneemengen in den Schweizer Alpen. Fazit: Alles im Normalbereich. Und wie sieht es in Chile aus? Laut einer 2012 im Journal of Geophysical Research veröffentlichten Arbeit gab es auch hier keine signifikanten Änderungen in den Schneemengen. Eine im gleichen Jahr im Bulletin of the American Meteorological Society publizierte Arbeit fand keine weltweite Zunahme der Wirbelstürme aber eine unerwartete Zunahme der Schnee- und Eisstürme. In der chinesischen Guangdong Provinz ist das Wettergeschehen in letzten 50 Jahren weniger extrem geworden. Die Wissenschaftler vermuten, dass die Sonne hier eine viel größere Rolle als der anthropogene Klimawandel spielt. Noch eine andere Studie fand, dass das Klima in Tibet im 20. Jahrhundert sehr viel stabiler war als zuvor. Und wer hätte es gedacht: Kein geringerer als die Münchner Rück selbst erklärte jetzt, dass das Jahr 2012 nur vergleichsweise geringe extremwetterbedingte Schäden aufzuweisen hatte. Damit rangierte 2012 lediglich auf Platz 54 der Extremwetterschadensjahre. Zu allem Überfluss steht 2013/2014 wohl eine erneute globale Rekordernte bei Weizen und Mais an.
Als Fazit dieser kleinen Medienrundschau zum Extremwetter sollten wir mitnehmen, dass es sich durchaus lohnt, in der medialen Diskussion auf wissenschaftliche Nachweise zu drängen. Noch viel zu oft treten leider Protagonisten auf der Bühne auf, die tollkühne Behauptungen mit großer Klappe präsentieren, aber nichts dahinter haben.