Flutkatastrophen hat es in Europa stets gegeben, dies ist bekannt. Interessanter ist dabei schon die Frage, ob sich die Häufigkeit der Hochwasser-Ereignisse in den letzten Jahrzehnten und Jahrhunderten gesteigert hat. Anders gefragt, hat es möglicherweise bereits in der Vergangenheit Flut-reiche Zeiten gegeben und falls ja, was waren die Gründe? Zahlreiche Studien haben in der Vergangenheit gezeigt, dass man für eine solche Betrachtung nicht nur ein paar Jahre, sondern gleich einige Jahrhunderte zurückgehen muss. Genau dies haben Petra Schmocker-Fackel und Felix Naef von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL bzw. der ETH Zürich getan. In einer 2010 im Fachmagazin Hydrology and Earth System Sciences erschienenen Studie untersuchten sie die Hochwasser-Entwicklung der nördlichen Schweiz für die vergangenen 500 Jahre. In der Kurzfassung des Artikels schreiben die Autoren (Fettsetzung ergänzt):
In der nördlichen Schweiz ereignete sich seit den 1970er Jahren eine Anhäufung schwerer Hochwasser-Ereignisse, der eine Phase mit geringer Flutaktvität vorausgegangen war. Wie haben sich die Hochwässer in der Schweiz während der vergangenen 500 Jahre entwickelt? Und gab es vielleicht ähnliche Hochwasser-reiche Phasen im vergangenen halben Jahrtausend? Wir haben historische Hochwasser-Daten aus 14 Fluss-Einzugsgebieten ausgewertet, die bis 1500 zurückreichen. Alle Einzugsgebiete waren durch eine starke Fluktuation in der Häufigkeit des Hochwassers geprägt. Wir fanden vier Hochwasser-reiche Perioden in der nördlichen Schweiz, die jeweils 30-100 Jahre andauerten (1560–1590, 1740–1790, 1820–1940 und seit 1970). Die aktuelle Periode mit erhöhter Hochwasser-Häufigkeit hat jene der Vergangenheit in ihrer Intensität noch nicht überschritten.
Wir überprüften weiterhin, ob die Variabilität der Flut-Häufigkeit mit allgemeinen klimatischen Faktoren wie etwa der Sonnenaktvität oder der Nordatlantischen Oszillation (NAO) erklärt werden könnte. Die ersten drei Perioden mit geringer Hochwasser-Häufigkeit fallen mit Phasen geringer Sonnenaktivität zusammen. Nach 1810 konnte hingegen kein Zusammenhang zwischen Sonnenaktivität und Hochwasser-Häufigkeit mehr festgestellt werden. Außerdem konnte kein Zusammenhang zwischen der NAO und den für die Schweiz rekonstruierten Temperaturen gefunden werden. Jedoch stellten wir ein sich wiederholendes räumliches Muster in der Hochwasser-Häufigkeit auf einem europäischen Maßstab fest. Die schweizerischen Hochwasser-Phasen ereigneten sich häufig gleichzeitig zu denen in der Tschechischen Republik, Italien und Spanien, weniger häufig synchron jedoch gegenüber den Phasen in Deutschland. Die Flut-Muster in der nördlichen Schweiz und der Tschechischen Republik sehen sich sehr ähnlich, obwohl die einzelnen Flutereignisse nicht übereinstimmen. Dieser Vergleich von Flut-Mustern in verschiedenen europäischen Ländern deutet an, dass Veränderungen in der großmaßstäblichen atmospherischen Zirkuation für die Veränderungen in der Hochwasser-Häufigkeit verantwortlich sind.
Schauen wir uns das einmal genauer in Form einer Abbildung an (Abbildung 1). In der Tat, während der Kleinen Eiszeit ist eine ausgezeichnete Kopplung der Hochwässer an die Sonnenaktivität zu erkennen. Immer wenn die Sonne stark war, bekamen es die Schweizer mit vermehrten Flutkatastrophen zu tun. Ebenfalls gut zu erkennen ist, dass die Hochwässer des späten 18. Jahrhundert noch immer führen und die höchste Häufigkeit aufweisen. Das aktuelle Hochwasser-Maximum fällt dagegen eher mickrig aus. Falls jetzt wirklich die Sonnenaktvität in den kommenden zwei, drei Jahrzehnten auf ein Minimum des Dalton-Typs absinken sollte, können die Bewohner der nördlichen Schweiz möglicherweise aufatmen, da aus empirischer Sicht mit weniger Flutkatastrophen zu rechnen wäre.
Abbildung 1: Flutgeschichte der nördlichen Schweiz (obere Kurve) im Vergleich zu anderen Parametern. Aus Schmocker-Fackel & Naef (2010). Graue Balken markieren die vier Hochwasser-Phasen.
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