Heute wollen wir uns um die paradiesisch anmutende Zeit vor der industriellen Revolution kümmern. Über etliche Jahrtausende hinweg, lange bevor es böse Fabriken und Autos gab, war die CO2-Konzentration in der Atmosphäre ziemlich konstant. Das sollte doch eigentlich auch das Klima honoriert haben und entsprechend stabil geblieben sein, da natürliche Klimafaktoren laut den IPCC-Modellen keine große Rolle spielen. Eine tolle Zeit muss das gewesen sein, ohne nennenswerte Klimaänderungen.
Schön wär‘s. Die Realität sieht leider ganz anders aus. Offensichtlich waren dem Klima die strikten heutigen IPCC-Grundregeln noch nicht bekannt. Statt Monotonie bewegten sich die Temperaturen in zyklischen Mustern, oftmals synchron zur Sonnenaktivität. Ganz besonders sticht hierbei eine plötzliche Abkühlung vor 8200 Jahren ins Auge (Abbildung 1). Das deutschsprachige Wikipedia weiß über das sogenannte „8.2k-Event“ zu berichten:
[Das 8.2 kiloyear event (auch als Misox-Schwankung bezeichnet)] war eine scharf abgegrenzte, relativ kurzfristige Klimaveränderung rund 6200 Jahre v. Chr. Im mesolithischen Mitteleuropa kam es innerhalb weniger Jahrzehnte zu einer Abkühlung um etwa 2 °C. Die Wiedererwärmung erfolgte nach weniger als 100 Jahren ähnlich schnell. Die Klimaschwankung wurde durch pollenanalytische Untersuchungen an den Mooren des Misoxtals im Schweizer Kanton Graubünden für den alpinen Raum nachgewiesen. Die Entdeckung wurde bereits im Jahr 1960 von Heinrich Zoller (1923–2009), Professor für Botanik an der Universität Basel, gemacht. Der Nachweis einer Abkühlung innerhalb des bis dahin als klimatisch stabil angesehenen Frühholozäns führte zur raschen Anerkennung und Verbreitung der pollenanalytischen Methodik bei der Darstellung paläoklimatischer Zusammenhänge. Bei einer solchen Abkühlung kommt es innerhalb eines Zeitraums von wenigen Jahrzehnten in den höheren Stufen der Alpen zum Rückgang von Weisstanne (Abies alba), Fichte (Picea abies), Lärche (Larix decidua), Bergkiefer (Pinus mugo) und zu ihrer Ersetzung durch Sträucher wie Wacholder (Juniperus communis), Sanddorn (Hippophae rhamnoides), Weiden (Salix sp.), Grünerle (Alnus viridis), Heidekrautgewächse (Ericaceae), Heidekraut (Calluna vulgaris) und Krähenbeere (Empetrum nigrum). Dieser Wechsel im Artenspektrum zeigt sich auch in den Pollen, die in den Ablagerungen der Seen und Moore konserviert wurden. Da auch in den grönländischen Eisbohrkernen des GRIP („Greenland Ice Core Project“) und des GISP („Greenland Ice Sheet Project“) eine Schwankung zum Zeitpunkt rund 6200 Jahre v. Chr. feststellbar ist, wird die These, dass diese Klimaveränderung global oder zumindest in der Nordhemisphäre weit verbreitet war, belegt. Bereits in den 1960er Jahren wurde eine hemisphärische Verbreitung dieser Schwankung diskutiert. Untersuchungen am Soppensee (Schweiz) und im Schleinsee (Süddeutschland) zeigten, dass die geschichteten Sedimente einen ähnlichen Wechsel in der Pollenverteilung aufweisen. Über eine Lage von Tephra genannter, unbefestigter pyroklastischer Vulkanasche, die in den Sedimenten beider Seen auftrat, konnten die Daten korreliert und absolut datiert werden. Es zeigte sich auch für die montane Höhenstufe ein rascher Wechsel der Vegetation zur Zeit der 8.2k-Schwankung.
Im April 2012 erschien im Fachmagazin Geology eine Arbeit eines österreichisch-schweizerischen Teams, in der Kurt Nicolussi und Christian Schlüchter von den Universitäten Innsbruck und Bern, erstmals den Rückzug von Alpengletschern im Zuge der Abkühlung vor 8200 Jahren belegen konnten. Wikipedia schreibt weiter:
Auch in norwegischen Seen ließen sich die Profile von Sedimenten mit der in den Eisbohrkernen vorgefundenen Anomalie vor 8200 Jahren korrelieren. Die durch diese Untersuchungen bestätigte Abkühlung wird in Norwegen Finse-Ereignis genannt.
An dieser Stelle endet der deutschsprachige Wikipedia-Artikel. Zu gerne würde man nun erfahren, was eigentlich der Auslöser dieser plötzlichen und heftigen Abkühlung gewesen sein könnte. Das Kohlendioxid fällt offensichtlich aus, da es sich nicht verändert hat. Was könnte es wohl gewesen sein?
Abbildung 1: Temperaturentwicklung in Zentral-Grönland während der vergangenen 10.000 Jahre. Abbildungsquelle: Wikipedia basierend auf NOAA.
Auf der Suche nach einer ersten Antwort schalten wir einfach einmal auf die englischsprachige Variante der Wikipedia-Seite um. Darin erfahren wir Interessantes, nämlich, dass der amerikanische Wissenschaftler Gerard Bond die Kälteperiode im Rahmen einer Nordatlantik-Studie nachweisen konnte und als Teil eines Klimazyklus im Tausend-Jahres-Maßstab interpretiert hat. Interessant. Schauen wir doch einmal in die Bond-Arbeit hinein (Abbildung 2). In der Tat, ist in der Temperaturkurve ein starker Abfall vor etwa 8200 Jahren zu erkennen (schwarze Kurve in Abbildung 2). Was jedoch noch interessanter ist, ist dass die Sonnenaktivität synchron zur Temperatur abgestürzt war (rote Kurve in Abbildung 2). Dies kann man schön an der Beryllium-Isotopen-Kurve, welche die Sonnenaktivität widerspiegelt.
Abbildung 2: Temperaturentwicklung im Nordatlantik während der vergangenen 10.000 Jahre (schwarze Kurve; Achtung: kalt nach oben, warm nach unten). Die Kältephase vor 8200 Jahren ist durch eine markante Spitze nach oben gekennzeichnet. Interessanterweise ist auch die Sonnenaktivität zeitgleich abgesackt (rote Kurve; schwächerer Sonne mit Ausschlag nach oben, aktivere Sonne nach unten). Abbildungsquelle: Bond et al. (2001).
Einen solaren Auslöser des Abkühlungsereignisses vor 8200 Jahren hält auch eine Forschergruppe von der Universität Innsbruck um Werner Kofler für wahrscheinlich. Bereits vor einigen Jahren veröffentlichten die Forscher hierzu eine entsprechende Studie im Fachjounal The Holocene. Möglicherweise wurde der solare Taktgeber durch hierdurch ausgelöste Änderungen in der atlantischen thermohalinen Zirkulation verstärkt. Zuvor hatte auch ein schweizerisches Wissenschaftlerteam in einem Paper in den Quaternary Science Reviews über die Beteiligung der Sonne an diesem Temperaturabsturz spekuliert. Zu dieser Gruppe gehörte auch Raimund Muscheler und Jürg Beer, die bereits Co-Autoren der Pionier-Arbeit unter Federführung von Gerard Bond waren.