Pressemitteilung des Instituts für Hydrographie, Geoökologie und Klimawissenschaften (IFHGK) vom 10. Februar 2019:
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Wie Veränderungen auf der Sonne unseren Regen beeinflussen
Ein ausgewogenes Maß an Niederschlägen bildet die Grundlage vielfältiger wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Aktivitäten in Europa. Insbesondere Landwirtschaft, Trinkwasserversorgung und Binnenschifffahrt sind hiervon direkt betroffen. Allerdings schwanken die Regenmengen stark von Jahr zu Jahr. Während es in einem Jahr wie aus Kübeln gießt, bleibt im anderen Jahr der Regen oft wochenlang aus. Die Bevölkerung ist an diese Variabilität gewohnt und weiß in der Regel damit umzugehen. Aber was steckt hinter den starken Veränderungen? Gibt es hier irgendeine Systematik oder handelt es sich um pures atmosphärisches Rauschen?
Die Zufallsentdeckung eines Agrarwissenschaftlers aus Münster deutet nun an, dass der Regen in Deutschland und anderen Teilen Europas in gewissen Monaten einem bislang verborgen gebliebenen Muster folgt. Im Rahmen der Agrarberatung durchforstete Ludger Laurenz die jahrzehntelangen Niederschlagsaufzeichnungen der Wetterstation Münster, wobei ihm besonders im Februar ein ständiges Auf und Ab im 11-Jahresrythmus auffiel. Nach eingehender Prüfung war klar, dass der Rhythmus eng mit der Aktivität der Sonne korrelierte, dem gut dokumentierten 11-jährigen Sonnenfleckenzyklus.
Laurenz tat sich daraufhin mit zwei Kollegen zusammen, um zu überprüfen, inwieweit das beobachtete Muster aus Münster in anderen Teilen Deutschlands und Europas reproduzierbar ist und ob das Phänomen auch in anderen Monaten existiert. Horst-Joachim Lüdecke von der Hochschule HTW des Saarlandes besorgte sich daraufhin die gesammelten Niederschlagsdaten Europas seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Der emeritierte Physiker entwickelte einen Rechner-Algorithmus, mithilfe dessen die Ähnlichkeit der Veränderungen im Regen und der Sonnenaktivität bestimmt wurde. Alle 39 europäischen Länder und alle 12 Monate eines Jahres wurden über insgesamt 115 Jahre anhand mathematischer Korrelationen quantifiziert.
Um mögliche Verzögerungseffekte mit einzuschließen, wurden die Datenreihen von Regen und Sonnenflecken dabei auch systematisch auf Verschiebungen hin überprüft. Dazu wurden die Zeitreihen wie Kämme zeitlich gegeneinander schrittweise verschoben und die jeweilige Veränderung des Korrelationsmaßes notiert. Die auf diese Weise erhaltenen mehrdimensionalen Daten wurden vom Geowissenschaftler Sebastian Lüning auf systematische Trends hin ausgewertet und kartographisch visualisiert. Lüning ist mit dem schweizerischen Institut für Hydrographie, Geoökologie und Klimawissenschaften (IFHGK) assoziiert und hat sich auf die Erforschung solarer Klimaeffekte spezialisiert.
Die auskartierten Ergebnisse zeigen, dass die ursprünglich in Münster entdeckte Verknüpfung von Februar-Niederschlägen und der Sonnenaktivität für weite Teile Mitteleuropas und Nordeuropas Gültigkeit und dort sehr hohe statistische Signifikanz besitzt. In Richtung Südeuropa schwächt sich die Korrelation hingegen deutlich ab. Die statistische Untersuchung konnte zudem systematische Phasenverschiebungen über den Kontinent hinweg nachweisen. In Deutschland und Nachbarländern waren die Februar-Niederschläge jeweils besonders gering, wenn die Sonne vier Jahre zuvor sehr stark war. Die Verzögerung scheint über die langsame Tiefenzirkulation des Atlantiks zustande zu kommen, wie frühere Arbeiten andeuten. Auf Basis des statistisch-empirisch ermittelten Zusammenhangs lässt sich nun auch der besonders niederschlagsarme Februar 2018 in Deutschland erklären, der einer besonders hohen Intensitätsspitze der Sonnenaktivität Anfang 2014 folgte.
Ähnliche Zusammenhänge zwischen Regen und Sonnenaktivität ließen sich in abgeschwächter Weise auch in einigen anderen Monaten feststellen, insbesondere im April, Juni und Juli, was einen Großteil der Vegetationsperiode in Mitteleuropa ausmacht. Es entstand ein komplexes Bild des Zusammenspiels von Sonne und Regen in Europa, welches deutliche Trends über 1000 km hinweg erkennen ließ und von Monat zu Monat teils stark variierte. Die Studie erhärtet damit das Konzept einer solaren Beteiligung an der europäischen hydroklimatischen Entwicklung, was sich bereits aus einer ganzen Reihe von lokalen Fallstudien anderer Autoren angedeutet hatte. Der genaue Mechanismus, mit dem das Sonnensignal Einfluss auf die Niederschläge nimmt, ist jedoch noch weitgehend unklar und erfordert weitere Forschungsbemühungen.
Der nun erstmals flächenmäßig über Europa auskartierte solare Niederschlagseffekt eröffnet neue Möglichkeiten für eine verbesserte Mittelfrist-Vorhersage von Niederschlägen. Insbesondere die Landwirtschaft, aber auch die Abwehr von Extremwetterschäden im Zusammenhang mit Starkregen und Dürren könnten davon profitieren. Nächster Schritt bei der Verfeinerung der Vorhersagemethodik ist eine genauere Quantifizierung von Effekten durch atlantische Ozeanzyklen, die für das Regengeschehen speziell in Westeuropa ebenfalls eine wichtige Rolle spielen.
Originalpublikation:
Laurenz, L., H.-J. Lüdecke, S. Lüning (2019): Influence of solar activity on European rainfall. J. Atmospheric and Solar-Terrestrial Physics, 185: 29-42, doi: 10.1016/j.jastp.2019.01.012
Das pdf kann bis Anfang März 2019 kostenlos unter der folgenden URL abgerufen werden: https://authors.elsevier.com/a/1YXWZ4sIlkiVhv