Durch Emissionen fossiler Kohlenwasserstoffe ist der CO2-Gehalt der Atmosphäre in den letzten 150 Jahren von 0,028 Prozent auf 0,039 Prozent angestiegen. Etwa die Hälfte des durch den Menschen in die Atmosphäre emittierten CO2 wird von den Ozeanen und der Vegetation aufgenommen, wobei die andere Hälfte in der Atmosphäre verbleibt (Latif 2007, S. 64). Das Verhältnis zwischen atmosphärischem und in den Ozeanen gebundenem CO2 ist seit 1850 trotz ansteigendem, anthropogenem CO2-Ausstoß gleichgeblieben und das Puffervermögen der Ozeane hat daher noch nicht abgenommen (Knorr 2009). Die Weltmeere speichern momentan um die 40.000 Gigatonnen Kohlenstoff, wobei im Ozean damit zur Zeit etwa 50-mal mehr CO2 gespeichert ist als in der Atmosphäre, und 20-mal mehr als in der terrestrischen Biosphäre und den Böden (Latif 2007, S. 167). Bisher haben die Weltmeere damit erst 30% des anthropogenen Kohlenstoffs aufgenommen, den sie langfristig bei gegenwärtiger atmosphärischer Konzentration absorbieren könnten.
Der limitierende Faktor ist der Transport des aufgenommenen Kohlenstoffs in die tieferen Meeresschichten (Latif 2007, S. 171) ist die behäbig operierende „biologische Pumpe“: CO2 wird dabei von Meeresorganismen über Photosynthese aufgenommen und in organische Substanz eingebaut. Absterbende Organismen sinken in die Tiefe, was den Kohlenstoff aus der Oberflächenschicht entfernt (Latif 2007, S. 171). Zu beachten ist weiterhin, dass der CO2-Druckunterschied zwischen Atmosphäre und Ozeanwasser regional variiert. Es gibt daher Meeresgebiete, die CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen und Meeresgebiete die CO2 an die Atmosphäre abgeben (Feely et al. 2001).
Während sich das CO2 in der Atmosphäre weitestgehend chemisch neutral verhält, also nicht mit anderen Gasen reagiert, ist es im Ozean chemisch aktiv. Gelöstes CO2 trägt prinzipiell zur Absenkung des pH-Wertes bei und das Meer wird saurer. Dieser Effekt ist bereits messbar. Der pH-Wert des Oberflächenwassers der Meere ist von 8,2 im Mittel um 0,1 Einheiten gesunken (Ozean-der.Zukunft.de). Ein pH-Wert von 7 ist neutral. Von einem ganzzahligen pH-Wert zum nächsten ändert sich die Wasserstoff-Ionen-Konzentration um eine Zehnerpotenz. Das Meerwasser ist daher heute noch immer deutlich basisch und liegt nicht im sauren pH-Bereich, wird jedoch offenbar „saurer“. Die natürliche regionale Variabilität des pH-Wertes in den weltweiten Ozeanen beträgt dabei mindestens +/- 0,3.
Die Versauerung der Ozeane führt bei etlichen Meeresorganismen in den oberen Ozeanschichten zu einer verminderten Kalkausfällung. Hierdurch kann in der Folgezeit weniger CO2 von den Ozeanen aufgenommen werden, heißt es. Als Folge steige der atmosphärische CO2-Gehalt bei weiterem anthropogenem CO2-Eintrag stärker als zuvor (Feely et al. 2004). Aragonit und Dolomit sind besser löslich als Kalzit. Deshalb dürften Korallen und Flügelschnecken, die beide Aragonitgehäuse produzieren, sowie Kalkstöcke bildende Algen, die Dolomit herstellen, theoretisch besonders anfällig gegenüber Versauerung der Ozeane sein (Doney 2006).
Änderungen im atmosphärischen CO2-Gehalt haben sich während der letzten 1 Million Jahre im Gehäusegewicht von kalkigen Foraminiferen (marine Einzeller) widergespiegelt. So waren während der eiszeitlichen Kaltphasen mit geringeren CO2-Gehalten die Gehäusewände dicker und damit schwerer als in den wärmeren Zwischeneiszeiten (Bijma & Burhop 2010, Geogr. Rundschau, Mai 2010). Durch den Anstieg von Kohlendioxid in der Atmosphäre und im Ozean hat sich die Karbonatkompensationstiefe (CCD, das ist der Übergang von untersättigten zu übersättigten Bedingungen) gegenüber der Position zu Beginn des 19. Jahrhunderts bereits um 50-200 m nach oben verlagert (Doney 2006).
Auf die Ozeane kommt ganz schön etwas zu, heißt es. „Warming up, turning sour, losing breath“ (zu warm, zu sauer, zu wenig Luft) titelte Nicolas Gruber von der ETH Zürich vor einiger Zeit, womit er die Erwärmung der Weltmeere, die Versauerung und deren Verlust an lebensnotwendigem Sauerstoff meinte. Diese Veränderungen würden die Lebewesen und Ökosysteme der Ozeane in den kommenden Jahrzehnten unter großen Stress setzen, sagt er.
Wie so oft in der Wissenschaft herrscht hierüber jedoch keinesfalls Konsens (Pro-Versauerungsschäden siehe z.B. Charlie Soeder; Contra-Versauerungsschäden siehe z.B. http://www.co2science.org/subject/o/subject_o.php). Laut Berechnungen von Loaiciga (2006) wird sich trotz des CO2-Anstiegs in der Atmosphäre der pH-Wert der Ozeane kaum verändern.
In der geologischen Vergangenheit gab es sehr viel höhere CO2-Gehalte
Ein Blick zurück in die geologische Vergangenheit zeigt, dass zu den meisten Zeiten die CO2-Konzentration der Atmosphäre deutlich höher war als heute – und trotzdem eine üppige kalkige Lebewelt in den Ozeanen existierte, z.B. während der Jura- und Kreidezeit vor 180-65 Millionen Jahren. In diese Zeit fällt z.B. auch der Höhepunkt der Entwicklung der Korallenriffe. Das CO2 hat augenscheinlich hier keine schädliche Wirkung ausüben können. Die Organismen scheinen offensichtlich eine Schutzfunktion gegen die Säure enzwickelt zu haben, z. B. durch Abdeckung der Schale durch einen organischen Anlösungsschutz oder andere Maßnahmen. Einige Forscher vermuteten, dass ein Teil der CO2-Säurewirkung auf lange Sicht in der geologischen Vergangenheit durch verstärkte Silikatverwitterung an Land abgepuffert worden sein könnte, deren Verwitterungsprodukte den pH-Wert im Ozean stabilisiert hätten. Dieser Mechanismus braucht jedoch Zeit und kann möglicherweise keine sehr schnellen CO2-Anstiege abpuffern. Auch Archer & Rahmstorf (2010, S. 103) vermuten auf langfristige Sicht Mechanismen, die langfristige CO2-Anstiege abpuffern.
Im März 2012 kam nun eine neue Arbeit einer internationalen Forschergruppe um Bärbel Hönisch vom Lamont Doherty Earth Observatory in Palisades/New York im Wissenschaftsjournal Science heraus. Das Team untersuchte Belege für Ozeanversauerung in der geologischen Vergangenheit. Der innovations report berichtet über die Studie:
„Die in der Arbeit vorgestellten Modellrechnungen [ergeben], es ist nicht die Höhe der atmosphärischen CO2-Konzentration, die für die Sättigung des Meerwassers mit Kalzium-Karbonat – dem Rohstoff für die Skelettbildung – verantwortlich ist. Vielmehr ist die Geschwindigkeit ausschlaggebend, mit der sich die CO2-Konzentration verändert. Langsame Veränderungen schaden nicht, weil sich auf langen Zeitskalen neue Gleichgewichte einstellen. Um wirklich einen Effekt zu haben, müssen die Veränderungen `rasch` vonstatten gehen. Selbst massive Erhöhungen von CO2 haben fast keinen Effekt, wenn sie in Zeiträumen von mehr als 100 000 Jahren stattfinden. In den letzten 300 Millionen Jahren Erdgeschichte gab es nach der neuen Analyse wahrscheinlich nur drei Ereignisse, die mit heute auch nur annähernd vergleichbar sind.“
Weitere Presseberichte zu dieser Arbeit erschienen z.B. in der New York Times, terradaily und arstechnica.
Die unterschätzte Akklimatisierung
Ebenfalls im März 2012 veröffentlicht wurde jedoch auch eine Arbeit der Kieler IFM-Geomar-Forscher Armin Form und Ulf Riebesell. Die Studie erschien im Fachblatt Global Change Biology und beschreibt die Ergebnisse von Experimenten, in denen lebende Korallen erhöhten CO2-Bedingungen ausgesetzt wurden. Und die Wissenschaftler fanden ganz Erstaunliches. Eine Woche nach Beginn des Experiments stellten sie zunächst fest, dass der Verkalkungsprozess um etwa ein Viertel bis ein Drittel verlangsamt war. Nun wollten es die Kieler aber etwas genauer wissen und bewiesen Ausdauer. Innerhalb der folgenden 6 Monate schaffte es die untersuchte Korallenkolonie wirklich, sich an die höheren CO2-Gehalte anzupassen und entwickelte sogar höhere Verkalkungsraten als unter Normalbedingungen. Selbst in Aragonit-untersättigtem Wasser wuchsen die Korallen unerwarteter Weise noch weiter. Offensichtlich existieren Akklimatisierungseffekte, die bisher viel zu wenig berücksichtigt wurden. Bisherige Berechnungen fußten oft auf viel zu kurzfristigen Experimenten. Längerfristige Experimente sind notwendig, um die Auswirkungen der Ozeanversauerung auf die Verkalkung besser zu verstehen. Momentan scheinen noch einige grundlegende Fehlannahmen in die Interpretationen einzugehen. (Siehe auch Bericht zu der Studie auf worldclimatereport.com).
Eine internationale Forschergruppe um Malcolm McCulloch von der University of Western Australia fand jetzt heraus, dass sehr viele Korallenarten einen internen Puffermechanismus besitzen, der sie gegen Versauerungserscheinungen im Meerwasser schützt. Hierbei wird im Inneren der pH-Wert heraufgesetzt. Die Forscher veröffentlichten die unerwarteten Studienergebnisse in der Mai-2012-Ausgabe der Zeitschrift Nature Climate Change. Die Korallen sind offensichtlich besser gegen die Ozeanversauerung gewappnet als bislang angenommen. Dies verwundert im Grunde nicht, da Korallen seit vielen Millionen Jahren in den Weltmeeren existieren und sich behaupten konnten. (Siehe auch Bericht auf terradaily zu dieser wichtigen neuen Arbeit).
Ein australisch-US-amerikanisches Wissenschaftlerteam um Terry Jones bestätigte nun in einer neuen Studie am australischen Großen Barriereriff, dass der Klimawandel Korallenriffe als Ganzes wohl nicht gefährden können wird. Vielmehr gäbe es unter den Rifforganismen Gewinner und Verlierer, wobei einige Arten auf Kosten von anderen ihren Einflussbereich ausbauen könnten. Erwärmung und leichte Versauerung des Ozeanwassers führt dabei lediglich zu einem veränderten Artenmix der Riffe. Auf diese Weise können sich Riffe insgesamt auch unter veränderten ökologischen Bedingungen behaupten. Die Studie erschien am 12.4.2012 in der Fachzeitschrift Current Biology. Die James Cook University gab hierzu zudem eine Pressemitteilung heraus.
Ein weiteres australisch-US-amerikanisches Forscherteam untersuchte Korallen und andere kalkbildendende Organismen am Hang von untergegangenen Vulkanen vor der südwestaustralischen Küste. Die Wissenschaftlergruppe um Ronald Thresher schaute sich dabei die Faunenzusammensetzung in verschiedenenen Tiefenzonen an, deren Bedingungen von kalkübersättigt bis kalkuntersättigt reichten. Es zeigte sich, dass der Grad der Kalkuntersättigung bis mindestens -30% keine signifikanten Auswirkungen auf die Korallen hatte. Die Forscher nehmen an, dass sich der Calcifizierungsprozess im Inneren der Korallen weitgehend von den ozeanischen Außenbedingungen isoliert ist. Thresher und seine Kollegen veröffentlichten die Ergebnisse ihrer Studie 2011 in der Zeitschrift Marine Ecology – Progress Series. Eine Zusammenfassung der Arbeit gibt es auch auf der Webseite des NIPCC.
Die wendige Emiliana huxleyi
Emiliana huxleyi ist eine einzellige, kalkige Algenart, die in die Gruppe der Coccolithophoriden gehört und allein gut ein Drittel des Kalziumkarbonats in den heutigen Ozeanen produziert. Schon vor einigen Jahren konnte Iglesias-Rodriguez et al. (2008) anhand von Laboruntersuchungen zeigen, daß erhöhte CO2-Gehalte im Meer zu einem verstärkten Wachstum von Emiliana huxleyi führen. Diese Primärproduktions-Steigerung konnte zudem an Tiefsee-Kernen für die letzten 220 Jahre bestätigt werden.
Zusammen mit zwei Kollegen nahm Ulf Riebesell auch Emiliana huxleyi in seinen neuartigen Langfrist-CO2-Experimenten unter die Lupe und entdeckte ebenfalls hier etwas ganz Unerwartetes. Die Forscher veröffentlichten Ihre Ergebnisse im April 2012 in Nature Geoscience. Das Hamburger Abendblatt schreibt über die Studienresultate:
„Die weltweit verbreitete Kalkalge Emiliania huxleyi kommt mit der zunehmenden Versauerung der Meere besser zurecht als bislang angenommen. Zwar wird die Schale des Einzellers in saurem Wasser anfangs dünner, nach einem Jahr erreicht sie jedoch wieder fast ihre ursprüngliche Dicke. Das haben Kieler Forscher in einem einjährigen Laborexperiment herausgefunden. Das Ergebnis zeige, dass es Organismen gebe, die sich längerfristig auf die durch den Klimawandel verursachte Meeresversauerung einstellen können.“
Weitere Berichte über die Arbeit erschienen in der FAZ, Spiegel, Welt und sciencedaily.
Der CO2-Düngeeffekt
In seinem Buch „Bringen wir das Klima aus dem Takt“ schreibt der Kieler Klimaforscher Mojib Latif (Latif 2007, S. 174):
„Aus heutiger Sicht scheint es unwahrscheinlich, dass Meeresorganismen bei den zu erwartenden künftigen atmosphärischen CO2-Konzentrationen unter akuten Vergiftungserscheinungen leiden werden. Eine Verdopplung der CO2-Konzentration führt aber bei vielen Phytoplanktonarten zu einer Erhöhung der Photosynthese um etwa 10%.“
Eine japanische Forschergruppe unter Mana Hikami von der Universität Tokio stellte in Laborkultur-Experimenten fest, dass bestimmte, in Riffen beheimatete Foraminiferen unter erhöhten CO2-Bedingungen ihre Verkalkungsrate erhöhen. Die untersuchten kalkigen Einzeller leben in Symbiose mit Photosynthese-treibenden Algen. Die Forscher nehmen an, dass der hohe CO2-Gehalt die Photosynthese der Alge anfacht, wovon dann auch die kooperierende Foraminifere profitiert. Eine andere von den Japanern untersuchte Foraminiferenart reduzierte hingegen ihre Calcifizierungs-Aktivitäten. Die Studie erschien Ende 2011 in den Geophysical Research Letters. (Siehe auch Bericht auf der NIPCC-Webseite).
Ähnlich diametral verlaufende Reaktionen auf Veränderungen von CO2 fanden auch bereits andere Forscher in den vergangenen Jahren, so zum Beispiel Ries et al. (2009). Während z.B. Austern und Jakobsmuscheln langsamer verkalken, wurde bei Krabben, Hummern und Shrimps eine schnellere Verkalkung festgestellt. Das Wachstum von Miesmuscheln scheint dagegen ganz unabhängig von CO2-Gehalten im Wasser zu sein.
Auch mit der allmählichen Erwärmung des Meerwassers scheinen die Korallen besser zurecht zu kommen als zuvor angenommen. Im Prinzip auch dies keine Überraschung, da die üppigen Korallenmeere des Erdmittelalters viel wärmer waren als heute. Eine Gruppe von Meereswissenschaftlern von der Universität von Miami konnte jetzt nachweisen, dass viele Korallenarten die Fähigkeit haben, mit verschiedenen Typen von Algen zusammenzuleben und nicht nur mit einer einzigen Algenart. Damit können sie bei einer Erwärmung der Meere auch mit Algen zusammenleben, die widerstandsfähiger gegen höhere Temperaturen sind. Die neue Studie erschien im Februar in den Proceedings of the Royal Society. (Siehe auch Presseberichte auf t-online, ScienceDaily und Fortytwotimes).
Ein weiterer möglicher Effekt sollte ebenfalls im Auge behalten werden. Mit einer “Versauerung” des Meerwassers durch mehr CO2-Eintrag verschiebt sich einerseits der CO2-Sättigungshorizont nach oben. Andererseits wird der CO2-Sättigungshorizont durch die Erwärmung des Meerwassers nach unten gedrückt. Die Effekte wirken also genau entgegengesetzt. Eine steigende Temperatur des Meerwassers würde also den Rückgang des pH-Wertes zu einem gewissen Grad abpuffern, sagt Michael Krüger.
Zu guter Letzt sei noch erwähnt, dass die meisten Korallenriff-Systeme unterm Strich CO2-Produzenten sind. Ausnahmen bilden z.B. Pflanzen-dominierte Riffe in höheren Breiten oder nährstoffreiche Saumriffe, die CO2-Senken darstellen. Der Hauptgrund für den CO2-Überschuß in den meisten Korallenriffen ist die Kalkbildung, wobei 0,6 Mol CO2 pro ausgeschiedenem Mol Kalcium-Karbonat entstehen (Kawahata et al. 1997).
Die Ozeanversauerungsforschung ist in vollem Gange und gerade dabei, grundlegende Zusammenhänge zu erkunden. Ähnlich wie auch in vielen anderen Bereichen der Klimawissenschaften ist man auch hier noch sehr weit entfernt von „The science is settled“.
Lesetipp zu einer Alternativtheorie des CO2-Anstiegs durch anthropogene Emissionen: CO2-Entgasung der letzten 160 Jahre durch Entgasung aus dem Ozean?