Während der Mittelalterlichen Wärmeperiode war es auf den schottischen Orkneyinseln im Sommer wärmer als heute

Die Orkneys sind ein aus ca. 100 kleineren Inseln und einer Hauptinsel bestehender zu Schottland gehörender Archipel. Durch den warmen Golfstrom kann man es dort gut aushalten. Das dachten sich wohl auch die Wikinger, die etwa 780 n. Chr. von Skandinavien herübergeschippert kamen und für einige hundert Jahre das Kommando auf den Orkneys übernahmen. Ganz besonders schienen die rauhen Gesellen Fisch und Napfschnecken zu mögen, welche Archäologen massenhaft in den wikingischen Müllhaufen fanden.

Als Donna Surge und James Barrett von der University of North Carolina bzw. der englischen University of Cambridge erstmals von diesem Abfall hörten, kam ihnen eine Idee. Könnte man mit den Schalenresten nicht eventuell die Temperaturentwicklung der Wikingerzeit auf den Orkneyinseln rekonstruieren? Und in der Tat, es war möglich, wie die beiden jetzt in einem Artikel zeigen konnten, der sich derzeit im Druck in der Fachzeitschrift Palaeo3 befindet und bereits seit Mitte Juli 2012 online aufrufbar ist.

Die Temperaturrekonstruktion erfolgte dabei auf Basis von Sauerstoffisotopen an den Napfschnecken. Der Vorteil dieser schleimigen Freunde ist, dass sie schnellwachsend und kurzlebig sind, was punktgenaue Daten liefert. Und noch einen weiteren Vorteil haben die Napfschnecken für den Klimaforscher: Sie registrieren separat und hochauflösend sowohl die Sommer- wie auch die Wintertemperaturen. Jetzt mussten die untersuchten Schnecken nur noch zeitlich eingeordnet werden, was anhand von archäologischen Beifunden sowie der Radiokarbonmethode an Knochen, verkohlten Getreidekörnern und Schalen erfolgte.

Auf diese Weise konnten Donna Surge und James Barrett die Meeresoberflächentemperaturen während des Höhepunktes der Wikingerzeit von 800-1200 n. Chr. rekonstruieren. Die Zeit fällt dabei praktischerweise ziemlich genau in die Mittelalterliche Wärmeperiode.

Und was fanden die Wissenschaftler? Die wärmsten Sommer waren damals auf den Orkneys im Durchschnitt etwa ein Grad wärmer als heute. Das ist schon recht erstaunlich, wenn man bedenkt, dass die CO2-Konzentration damals noch mehr als 100 ppm unter dem heutigen Niveau lag. Ob es vielleicht etwa mit der gut dokumentierten erhöhten Sonnenaktivität zu tun haben könnte, die damals herrschte? (Siehe S. 60-63 in „Die kalte Sonne“).

Durch die Unterscheidung von Sommer- und Wintertemperaturen konnten die beiden Klimarekonstrukteure auch die Entwicklung der kalten Jahreszeit studieren. Und hier zeigte sich dann, dass die Wikinger wohl mehr gefroren haben müssen als die heutigen Orkneybewohner. Im Winter war es damals mehr als ein Grad kälter als heute. Offensichtlich war die Schwankungsbreite zwischen Sommer und Winter – die Saisonalität – stärker ausgeprägt als in modernen Zeiten. Wenn man Sommer und Winter zusammenbetrachtet, lagen die Temperaturen auf den Orkneys wohl auf einem ähnlich hohen Niveau wie heute.

Die Untersuchungen zeigen noch einmal deutlich, wie wichtig eine Unterscheidung der einzelnen Klimaanzeiger (Klimaproxies) ist. Während zum Beispiel Baumringe vor allem das Sommerklima speichern, enthalten Tropfsteine auch Informationen über feuchtere Winter (siehe z.B. Artikel des Heidelberger Klimaforschers Augusto Mangini in der FAZ von 2007). Bei der Bildung von Mittelwerten und der Klimakurvenerstellung sollte dies berücksichtigt werden.

 

Siehe auch Beiträge auf The Hockey Schtick und WUWT.
Foto der Napfschnecken: aufgenommen von de:Benutzer:Janekpfeifer am 18.Juni 2005 bei Camariñas im Nordwesten de:Galiciens / Lizenz: This file is licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license