Von Serten
Michael Rosenberger, katholischer Theologe und Priester, hat sich unlängst zum Klimawandel und dessen unter Skeptikern verbreiteten Deutung als Religion im mittelalterlichen katholischem Stil geäußert. Da geht es sehr ernsthaft, um nicht nur ein sondern mehrere „heiße“ Weltbilder. Rosenberger geht sehr elegant vor und dreht die Argumentation einiger Kritiker, die Klimaschutz als religiöse Veranstaltung sehen, einfach um. Er stimmt ihr zunächst zu. Es handelt sich bei Sankta Sanctissima Climata um eine Religion, die Heilige, Häretiker, Dogma und ein zentral gesteuertes Schrifttum beinhaltet, einschließlich Auslegung durch Experten samt den zugehörigen möglichen Ablasszahlungen beim Emissionshandel. Die Verortung in Genf und Potsdam ist allerdings eher wenig katholisch.
Die Klimatheologie gewinnt ihre Kraft durch die Erzeugung von Furcht, vor apokalyptischen Katastrophen, die uns drohen, wenn wir unseren Lebensstil nicht radikal umstellen. Rosenberger ist nun nicht der erste, der eine solche Religion als vernünftige Idee vorschlägt. Baron May of Oxford, ein britischer Biologe und überzeugter Atheist, hat sich schon 2009 dafür ausgesprochen, wenn sonst nichts hilft, die Religion beim Klimawandel zu Hilfe zu rufen und (Motto „The world may have to turn to God to save itself from climate change“) mit einem strafenden Gott die Durchsetzung der großen Transformation zu erzwingen.
Rosenbergers Analyse Der Klimadiskurs ist mehr ein ethisch-spiritueller als ein naturwissenschaftlich-technischer Diskurs, (weniger) um Klimadaten und deren Deutung, sondern um Weltanschauungen und Wertorientierungen ist voll zuzustimmen, unabhängig auf welcher Seite des Zauns man nun stehen mag. Rosenberger hat seinen Emile Durkheim gelesen. Durkheim weist der Religion eine Funktion zur Stiftung gesellschaftlichen Zusammenhalts und gesellschaftlicher Identität zu, Religion ist zudem eine Denkweise oder Ethik, die heiliges und profanes unterscheidet. Der Klimagläubige, neudeutsch KlimagläuberInnen oder gar Klimagläubix kann sich ja kraft seiner Sorgen und Nöte, und dem schlechten Gewissen vor dem Einsteigen in den Flug nach Pune oder zum Hobbitheiligtum in Matamata vom SUV-fahrenden Mallorcaurlauber klar absetzen. Es fehlt noch der Ursprung im Totemismus, das Programm ist sonst komplett.
Man denke an die Appelle eines Cook oder Lewandowsky, man möge sich mit 97,3%igen Fakten bewaffnen, um dem ewigen Kampf für Wahrheit und Recht aufzunehmen, auch an das intensive Gruppendenken und Othering. Die sehr amerikanische Variante, die Church of Climatology kreist um ein ein Denken, welches um den Skeptiker kreist, der als kraft- und lustspendend empfindet, was vom Klimagläubix als Gefahr charakterisiert wird. Das erinnert gelegentlich an den Fundamentalismus in den Staaten. Die Moral Majority 1970er Jahre hatte nach einigen Seitensprüngen von Predigern mit gutaussehenden Mitarbeiterinnen einiges an Fahrt verloren. Frühere Versionen, etwa bei den Brüdern John Harvey und Will K., zehrten von einer Fixierung auf Ernährungsfragen und sexuelle Enthaltsamkeit. John Harvey lehnte Fleisch, Alkohol, Kaffee, Rauchen und das Ausleben von Sexualität, ab, war ein Fan von Nüssen und liess sich aber jeden Tag einen Einlauf verpassen. Als sein Bruder den Cornflakes Zucker zufügte, sprach er den Rest seines Lebens kein Wort mehr mit ihm. Die Cornflakes und die Erdnussbutter können wir aber ohne das restliche Programm genießen, Kellogs wurde zu einer weltweit bekannten Marke.
Ich finde Pater Rosenberger, der sich vielfältig mit Umweltthemen engagiert, durchaus sympathisch, weil er sich nicht nur um Durchsetzung, sondern auch Lösungen kümmert. Mir ist wurscht, ob er einen bescheideneren Lebensstil selbst lebt – ein Theologieprofessor darf von mir aus gerne Fliegen, in tollen Hotels übernachten, schnelle Autos fahren und guten Wein trinken. Nur ein Appell an ihn – ein österreichischer Theologe und Mönch soll eine barocke Figur nicht nur sein, sondern auch haben! Rosenberger hat etwa die Benediktinerklöster und die Klosterregeln von Benedikt als Modell eines nachhaltigen Lebensstils untersucht und einiges zur Ethik von Essen und Trinken geschrieben, das Lust auf mehr macht.
Ich habe aber einige theologische Probleme mit einzelnen Aspekten seiner Thesen, und eine sozusagen geowissenschaftliche Ergänzung seiner Thesen. Zunächst gabs bereits während des Mittelalters durchaus Alternativen – da wären etwa die Waldenser, die sich seit der Bibelübersetzung von Petrus Waldus im 12. Jahrhundert bereits auf einen sehr eigenständigen Weg machten, was die regionale und eigenständige Auslegung der Schrift angeht. Die Waldenser wurden weniger bei den Protestanten einschließlich der württembergischen Landeskirche aufgenommen, sie waren so freundlich, bei anderen, nachdem die endlich auch wieder „richtige Christen“ geworden waren, mit unters Dach zu schlüpfen. Da wurde hart verhandelt 😉 Dann gab es einen gewissen Herrn Luther und dessen „Freiheit eines Christenmenschen“ „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“ der den rächenden Gott zugunsten einer Freiheit und Verantwortung für Welt und Mitmenschen aufhebt. William E. Connolly’s Why I Am Not a Secularist (2000) führt das sehr modern aus, Mike Hulme hat sich sehr intensiv mit dern Umsetzungsproblemen beschäftigt, die sich ergeben, wenn einer anfängt, den IPCC Konsens nicht nur zu fordern, sondern mal konkret versucht, regionale Auswirkungen des Klimawandels vorauszusagen und sich darauf vorzubereiten. Richtig viel Arbeit ist das.
Eine geowissenschaftlich/theologische Fragestellung ergibt sich aus einem denkwürdigen Jahrestag – vor 10 Jahren, kurz nach Weihnachten 2004 hat ein Tsunami im Pazifik über 200.000 Menschen das Leben gekostet. Auch der letzte große Tsunami im Mittelmeer geschah zwischen den Jahren, am 28. 12. 1908, über 100.000 Tote. Wie geht jemand wie Rosenberger mit diesem chthonischen Aspekt der gelegentlich keineswegs fragilen Erde um? Wieso wir Angst vor einer Klimawende gemacht, tatsächliche Apokalypse aber nicht thematisiert? Beim Erdbeben von Lissabon, an Allerheiligen 1755, war das anders. Da waren zahlreiche Kirchen dem Beben zum Opfer gefallen, aber just die Spelunken in der Alfama, dem Rotlichtviertel Lissabons, blieben verschont. Das haben diverse Spötter, einschließlich Voltaire, den Kirchen vorgehalten. Unter anderem die Jesuiten haben darauf nicht nur Theodizee betrieben, sondern mit richtiger Forschung geantwortet, bis in die 1950er Jahre waren jesuitische Missonsstationen die wichtigsten seismischen Messtationen weltweit. Der Wikipedia-Artikel „Sakralbauten in der Antarktis“ beschreibt das ein oder andere weitere dazu. Sprich mir fehlt bei den Kirchen ein Ansatz zu Beiträgen zum regionalen Umgang mit dem Klimawandel, und zwar mit moderner Technik oder gar Forschung. Die EKD hat zwar ein teilweise etwas kurioses Umweltmanagement (Grüner Gockel), Solarzellen wie Mobilfunkantennen finden sich aber bei den Progressiven weniger als bei den Evangelikalen, das sollte sich ändern.
Frohes Neues Jahr!
* Michael Rosenberger, Die Ratio der „Klima-Religion“. Eine theologisch-ethische Auseinandersetzung mit klimaskeptischen Argumenten, in: GAIA 23/2 (2014), 93-99.
* Michael Rosenberger: Debatten über die „Klima-Religion“. Von der Notwendigkeit der Theologie in umweltethischen und umweltpolitischen Diskursen, in: Johann Platzer, Elisabeth Zissler Bioethik und Religion Theologische Ethik im öffentlichen Diskurs, S. 257-268
1. Auflage 2014 ISBN print: 978-3-8487-1560-2