Mittelalterliche Warmperiode – ein Plädoyer für die Beibehaltung eines Terminus technicus in einem postnormal geführten, wissenschaftlichen Diskurs

Von Dr. Jürgen Koller

 

Kurzfassung

Einige Wissenschaftler, darunter Silvio Funtowicz, Jerome Ravetz und Hans von Storch, argumentieren für eine postnormale Phase in den Klimawissenschaften. Dabei sieht sich nicht nur die Wissenschaft als solche sondern auch die etablierte Begrifflichkeit einer postnormalen politischen Kritik und Parteinahme ausgesetzt. Vorliegende Arbeit analysiert die Etymologie und historische Evolvierung des Terminus Mittelalterliche Warmperiode, einer, in der Paläoklimatologie tief verwurzelten Konzeption und legt die Beibehaltung dieses Terminus technicus, wenn auch intensional enger gefasst, im wissenschaftlichen Diskurs nahe.

 

Abstract

[Medieval Warm Period–a pley for the retention of a terminus technicus within a post-normal scientific discourse]

In recent years, some scientists, including Silvio Funtowicz, Jerome Ravetz, and Hans von Storch, argue for a post-normal phase in climate science. In this situation, not only climate science faces political criticism and partisanship, but also the scientific abstractness. This paper strongly advocates for retention of the Medieval Warm Period as a key term in Palaeoclimatology. In doing so, etymology and historical-conceptual evolution of the terminus technicus are analyzed and a closer definition of the concept is finally suggested.

 

Einleitung

In den Klimawissenschaften herrscht, so die Behauptung einiger Autoren (Funtowicz & Ravetz 1989, Elzinga 1997, Bray & von Storch 1999; s. a. Krauss & von Storch 2012), mittlerweile ein postnormaler Zustand vor. Dabei unterscheide sich dieser von normaler Wissenschaft – „dem Lösen von Problemen in einem Rahmen, der nicht in Frage gestellt wird, einem ‚Paradigma‘“ (Ravetz 2010) – dadurch, dass nicht mehr die Wissenschaftlichkeit, „die methodische Qualität, das Popper’sche Falsifikationsdiktum oder auch der Fleck’sche Reparaturbetrieb überzogener Erklärungssysteme (vgl. Fleck 1980)“ (von Storch 2009: 308) im Zentrum der akademischen Wissensproduktion stehe, sondern die Nützlichkeit der möglichen wissenschaftlichen Aussagen – bei inhärenter Unsicherheit – für die Formulierung von dringenden Entscheidungen in der Sphäre des Politischen (vgl. von Storch 2007, Ravetz 2010).

Eine logische Konsequenz hieraus ist die – wenn nötig – Umdeutung von bereits normierten wissenschaftlichen Prädikatoren, d.s. Fachtermini (s. Seiffert 1996: 57), und Einpassung in eine gemischte, postnormal-normale Terminologie.

 

1 Etymologische Betrachtung und begriffsgeschichtliche Entwicklung

Ein solch‘ normierter Prädikator ist die sogenannte Mittelalterliche Warmperiode (MWP). Diese geht, als Konstrukt, zurück auf Lamb, der Evidenz aus verschiedenen Quellen (historischer, meteorologischer, archäologischer, botanischer und glaziologischer Natur) für die Behauptung generierte, dass, vor allem während des Hoch- und Spätmittelalters (ca. 900-1300 A. D.) wärmere klimatische Bedingungen „from the Arctic to New Zealand“ (Lamb 1965: 14), im Speziellen in West-Europa und den Regionen um den Nord-Atlantik, vorherrschten.

In weiterer Folge wurden die Aussagen Lambs an verschiedenen Orten, in verschiedenen Regionen (u. a. Grönland, Vereinigte Staaten von Amerika, Argentinien, China, Japan, Neuseeland), auf den Globus verteilt bestätigt und der Terminus technicus MWP setzte sich durch – 1965 sprach Lamb noch von einer MWE (Medieval Warm Epoch) – (vgl. u. a. Lamb 1966, 1977; 1982, Cermak 1971, Zhu 1973, LaMarche 1974, Dansgaard et al. 1975, Lamb & Gribbin 1978, Bernabo 1981, Williams & Wigley 1983, Villalba et al. 1990, Nesje et al. 1991, Cook et al. 1991, 1992, Graumlich 1993, Bonneville & Umer 1994, Stuiver, Grootes & Brazinuas 1995, Blackford & Chambers 1995, Hass 1996, Huang, Pollack & Shen 1997, Thorsen & Dale 1998, Campbell 1998, Cioccale 1999, Li et al. 2000, Schilman et al. 2001, Calkin, Wiles & Barclay 2001).

 

2 Normal-wissenschaftlich begriffsgeschichtliche Entwicklung, postnormale Deutungsversuche und deren Konsequenzen

2001 stellte Broecker die berechtigte Frage: „Was the Medieval Warm Period Global?“ (bereits 1994 hatten Grove und Switsur, gestützt auf glaziologische Befunde, für eine globale MWP argumentiert). Nicht ohne Grund verwies Broecker, der zu einer positiven Beantwortung seiner selbst gestellten Frage neigte, auf eine nordhemisphärische Klimarekonstruktion von Mann, Bradley & Hughes aus dem Jahre 1999. Er schrieb: „The reconstruction of global temperatures during the last millennium can provide important clues for how climate may change in the future. A recent, widely cited reconstruction (1)[Mann, Bradley & Hughes 1999, Jürgen Koller] leaves the impression that the 20th century warming was unique during the last millennium. It shows no hint of the Medieval Warm Period (from around 800 to 1200 A.D.) during which the Vikings colonized Greenland (2)[Grove 1988, Jürgen Koller], suggesting that this warm event was regional rather than global” (Broecker 2001: 1497).

Mit dem technologischen Fortschritt der 90er Jahre ging auch ein Anstieg der Klimarekonstruktionen einher (u. a. D’Arrigo & Jacoby 1993, Bradley & Jones 1993, Hughes & Diaz 19941, Briffa et al. 1995, Mann et al. 1995, Huang, Pollack & Shen 1997, Overpeck et al. 1997, Jones et al. 1998, D’Arrigo et al. 1999; für einen Überblick s. Frank et al. 2010a, FN 11-36). Allen Rekonstruktionen, insofern sie bis ins Mittelalter zurückreichen, ist gemein, dass sie, im Gegensatz zu Manns nordhemisphärischer Rekonstruktion, eine MWP – im Sinne von wärmeren klimatischen Bedingungen, vor allem im Hoch- und Spätmittelalter – für das jeweilige Studiengebiet (lokal, hemisphärisch, global), wenn teilweise auch wenig ausgeprägt, ausweisen:

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IPCC-nahe Klimaaktivistengruppe zieht Video zurück: Zugrundeliegende Rahmstorf-Arbeit entspricht nicht mehr dem wissenschaftlichen Konsens

Seit Jahren setzt sich die Internetplattform ‚Skeptical Science‚ für den Schutz der liebgewonnenen Klimakatastrophen-Modelle des IPCC ein. Der Name der Webseite wurde offenbar bewusst irreführend gewählt, denn es handelt sich nicht etwa um Skeptiker der Klimakatastrophe, sondern vielmehr um Skeptiker der Klimaskeptiker („Getting skeptical about global warming skepticim“). Auf ihrer Webseite diskutiert die Aktivistengruppe die gängigsten Klimaskeptiker-Kritikpunkte … weiter lesen

Mojib Latif hatte Recht: Wohl keine Erwärmung in den nächsten Jahren

Von Frank Bosse

In  Mojib Latifs Arbeit „Is the Thermohaline Circulation changing“ (Latif et al. 2006) kommt er mit seinen Co- Autoren zu dem Schluss, dass die thermohaline Zirkulation einem Auf und Ab unterworfen ist.  Die thermohaline Zirkulation, umgangssprachlich auch globales Förderband genannt, ist ein Bündel von Meeresströmungen, die Ozeane miteinander verbinden und sich dabei zu einem Kreislauf globalen Ausmaßes vereinen. Im Nordatlantik wird die thermohaline Zirkulation als MOC (Meridional Overturning circulation) wahrgenommen: Bestandteile sind hier der Golfstrom und der Nordatlantikstrom.

In seiner Arbeit untersucht Latif den rhythmischen Wechsel des Druckluftunterschieds zwischen dem Islandtief und dem Azorenhoch, Nordatlantische Oszillation (NAO) genannt, in den Monaten Dezember-März (NAO DJFM). Latif und Kollegen stellen nun dieser atmosphärischen „Druckschaukel“ den Unterschied der Wasseroberflächentemperaturen  (SST- sea surface temperatures) zwischen Teilen des Nordatlantiks und des südlichen Atlantiks gegenüber. In Abbildung 3 der Arbeit ist  die Winter-NAO (DJFM) [Nordatlantische Oszillation, Dezember-März] dargestellt (Schattenlinie) und der definierte SST-Dipol-Index, der ein Ausdruck der Meridionalen Overtuning Circulation (MOC) sei. In der Bildunterschrift wird erklärt, dass die Winter-NAO mit ca. einem Jahrzehnt die MOC anführt und wohl der treibende Faktor der MOC ist.

 

 

Abbildung 3 aus Latif et al. (2006)

 

Schreibt man die Beobachtung bis Ende 2012 bzw. 2013 für die NAO und die Meeresoberfächentemperatur fort, ergibt sich das nachfolgende Diagramm. Zusätzlich wurden in das Bild die Temperaturen der nördlichen Hemisphäre (NH, rot) 11-jährig geglättet aufgenommen.

Nordatlantische Oszillation (NAO, grau), Temperatur der nördlichen Hemisphäre (HadCRUT4 NH, rot), Latif’s “atlantischer Dipol” Parameter der Meeresoberflächentemperatur (Atlantic Dipole SST, blau, ungeglättet und 11-jährig geglättet)

 

Gut zu sehen ist, dass sich der Peak der NAO in 1992 mit 14 Jahren Verzögerung wie bereits 2006 vorhergesagt im Peak des atlantischen Dipols und in den Temperaturen der NH manifestiert. Der weitere Verlauf der NAO lässt den Schluss zu, dass sowohl der SST-Dipol als auch die Temperaturen der NH nicht weiter steigen werden, bis mindestens 2020.

In einer weiteren Arbeit aus 2008 legt das Team um Latif nach: Sie wagen eine Vorhersage und erklären:

„Our results suggest that global surface temperature may not increase over the next decade, as natural climate variations in the North Atlantic and tropical Pacific temporarily offset the projected anthropogenic warming.”

Oder hier nochmal Latif im Originalton auf deutsch in einem kürzlichen Interview im Deutschlandfunk auf die Frage, warum es denn in den letzten Jahren gar nicht mehr wärmer geworden ist:

Latif: Ja, das ist völlig normal. Ich selber habe ja in einer Studie im Magazin „Nature“ schon darauf hingewiesen 2008, dass es so eine Atempause geben wird. Das sind einfach die natürlichen Klimaschwankungen, die arbeiten mal mit, mal gegen die globale Erwärmung. Aber langfristig pendelt sich das aus und langfristig wird einfach die Temperatur ansteigen. Deswegen noch mal: Nächstes Jahr, übernächstes Jahr, das bedeutet gar nichts, selbst wenn die Temperatur nicht weiter steigen würde. Wir haben immer 2050, 2100 im Blick, das heißt die langfristige Entwicklung.

Ehring: Trauen Sie sich denn eine mittelfristige Prognose für die nächsten Jahre zu?

Latif: Nein. Da sind wir noch ganz am Anfang. Wie gesagt, ich habe es nur einmal probiert 2008, das scheint ja ganz in Ordnung gewesen zu sein, bisher jedenfalls. Wir haben gesagt, bis 2015 wird die Erderwärmung nicht weitergehen. Ich denke mal, dann werde ich mich aufraffen mit meinen Kollegen zusammen und dann werden wir wieder neue Prognosen machen. Mal sehen, wie es dann aussehen wird.

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