Im Sommer 2012 war es wieder soweit: Die menschengemachte Klimakatastrophe hatte in Grönland zugeschlagen und erdreistete sich, dem grönländischen Eispanzer einen Eisklumpen mit der doppelten Größe Manhattans zu entreißen. Die Zeit berichtete damals besorgt:
Riesiger Eisberg bricht von Grönländer Gletscher ab
[…] Vom Petermann-Gletscher in Grönland ist ein riesiges Eisstück abgebrochen und ins Meer gestürzt. […] An der Abbruchstelle an der Nordwestküste Grönlands war bereits seit 2001 ein Riss sichtbar, teilte die US-Raumfahrtbehörde mit. Der Satellit Aqua habe am Montag und am Dienstag Bilder aufgezeichnet, die zeigen, wie sich das Eisstück vom Gletscher gelöst habe. Die Erderwärmung lässt weltweit Gletscher abschmelzen. Bereits vor zwei Jahren war ein gigantischer Brocken vom Petermann-Gletscher abgebrochen. Das Stück war damals doppelt so groß wie das jetzt im Meer treibende.
Auch Al Gores demokratischer Parteigenosse Edward Markey nutzte sogleich die Gunst der Stunde und nahm den Eisabbruch für eine Forderung zum Anlass, die Maßnahmen zur Vermeidung der Klimakatastrophe zu intensivieren. Genau, die böse Erderwärmung war‘s. Sie ist bekanntlich für fast sämtliches Übel in der Welt verantwortlich, das nicht bereits durch El Qaida abgedeckt ist. Wenn das mit den Gletscherabbrüchen so weiter geht, ist die grönländische Eispracht in Nullkommanichts hinfort.
Oder vielleicht doch nicht? Manhattan umfasst 88 Quadratkilometer. Zwei Manhattans sind also 176 Quadratkilometer. Der grönländische Eisschild ist derzeit 1,7 Millionen Quadratkilometer groß. Das im letzten Jahr abgebrochene Eisstück entspricht also lediglich 0,01% der Gesamteisfläche. Nun darf man eines dabei nicht vergessen: Das Kalben von Gletschern ist ein überaus natürlicher Prozess. In der Mitte des Eisschildes schneit es, der Schnee wird dann zu Eis und kriecht langsam zum Rand der Eiskappe. Dort brechen in unregelmäßigen Abständen Eisstücke ab, genau wie es im Sommer 2012 passiert ist. Obwohl spektakulär, sind solche Eisabbrüche doch absoluter Alltag an den Polen der Erde. Der Film „Chasing Ice“ zeigt aufregende Szenen des Phänomens. Einen Trailer hierzu gibt es auf Youtube.
Aber mehrere Manhattans, das ist doch wirklich eine riesige Menge. Das hat es sicher noch nie in der Menschheitsgeschichte gegeben. Schließlich befinden wir uns im Zeitalter der menschengemachten Klimakatastrophe, da haben wir Anspruch auf Extrementwicklungen und klimatische Weltrekorde. Aber leider hat der naturhistorische Kontext auch hier nichts als Enttäuschung für uns parat. Im Winter 1816/17 wurde die internationale Walfangflotte vor Grönland offenbar Zeuge eines viel gigantischeren Eisabbruchs. Damals, mitten in der Kleinen Eiszeit, kollabierten gleich 18.000 Quadratmeilen, was mehr als 46.000 Quadratkilometern entspricht. Steven Goddard brachte hierzu in seinem Real Science Blog die entsprechende Beschreibung aus dem zeitgenössischen Buch „Arctic Discovery & Adventure“, das als eingescanntes Ebook von Google frei herunterladbar ist.
Ebenfalls im Sommer 2012 teilte die Nasa der Weltöffentlichkeit mit, dass es dem grönländischen Eis wohl gar nicht gut gehe. Der Focus schrieb hierüber am 25. Juli 2013:
Extreme Schmelze wegen Erderwärmung – Das Eis auf Grönland taut so schnell wie noch nie
[…] Fast die gesamte Oberfläche des grönländischen Eisschildes ist Mitte Juli [2012] zumindest angetaut. Das teilte die US-Weltraumagentur Nasa mit. Das Ausmaß sei größer als in allen zurückliegenden mehr als 30 Jahren, in denen die Schmelze mit Satelliten beobachtet werde. Die Daten stammen von drei verschiedenen Satelliten. Sie wurden den Angaben zufolge von Fachleuten der Nasa und von Universitätsexperten ausgewertet. Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (Pik) bewertete die Daten als sehr außergewöhnliches Extremereignis – in einer Reihe von Extremereignissen in den vergangenen Jahren. „Dass wir solche Extremereignisse unter globaler Erwärmung sehen, ist nicht verblüffend und sogar zu erwarten“ sagte der Professor für die Dynamik des Klimasystems am Mittwoch. „Im Moment können wir aber die Folgen noch nicht abschätzen. So wissen wir nicht, was so eine extreme Schmelzperiode bedeutet, außer dass in diesem Moment mehr Wasser verloren geht und der Wasserspiegel ansteigt“, sagte Levermann. Erst kürzlich hatten die Pik-Forscher festgestellt, dass die Erderwärmung den Eismassen Grönlands wahrscheinlich stärker zusetzt als bislang angenommen. „Extremereignisse wie das derzeitig beobachtete sind hierbei noch gar nicht berücksichtigt“, erklärte Levermann. Möglicherweise würden Prozesse beschleunigt.
Gleich im Titel des Artikels ein grober Faux pas. Die Studie bezieht sich auf Satellitendaten, die aber lediglich für die letzten 30 Jahre vorliegen. Dies entspricht unter Berücksichtigung der 30-Jahres-Klimadefinition nur eines einzigen Datenpunktes – keine gute statistische Datenbasis für reißerische Behauptungen in denen der Term „noch nie“ verwendet wird. Aber es kommt noch schlimmer. Der Autor des Artikels hat offenbar die Original-Pressemitteilung der NASA überhaupt nicht gelesen. Denn dort wird auf Grundlage von Eiskernuntersuchungen auf ähnliche Schmelzereignisse aus der Vor-Satellitenära hingewiesen, die etwa alle 150 Jahre auftreten: