Heute wollen wir uns noch einmal gründlich den grönländischen Eisschild anschauen. Wie ist es dem Eis dort in den letzten 150 Jahren ergangen? In diesem Zeitraum ist es global um knapp ein Grad wärmer geworden, da ist es logisch, dass die Eismasse etwas schrumpft. Ein bekanntes Potsdamer Institut erklärt uns, dass wir uns schreckliche Sorgen machen müssen. Das Eis würde immer schneller schmelzen, und überhaupt hätte es so etwas Schlimmes noch nie gegeben. Im Gegensatz zu vielen deutschen Medien, die entsprechende PIK-Pressemitteilungen einfach ungeprüft übernehmen und daraus unterhaltsame Schauergeschichte für ihre Leser fabrizieren, wollen wir lieber auf die neuesten Ergebnisse aus der seriösen Wissenschaft schauen. Was ist dran an der angeblichen Katastrophe im grönländischen Eis?
Ein wichtiges Werkzeug für die Grönlandforscher ist der Tandemsatellit GRACE, der das Schwerefeld der Erde abtastet. Aus den zeitlichen Veränderungen des Schwerefeldes versuchen die Wissenschaftler Änderungen im Eisvolumen abzuleiten. Im Dezember 2012 veröffentlichten Christopher Harig und Frederik Simons im Fachmagazin PNAS eine neue GRACE-Auswertung, in der sie zu einer deutlich geringeren Eisschmelzrate für den Zeitraum 2003-2010 kommen als noch zuvor angenommen wurde. Die Beschleunigung des Schmelzens betrug lediglich 8 anstatt 30 Milliarden Tonnen pro Jahr. Auch fanden die Forscher, dass einige Gebiete Grönlands sogar an Masse zulegen. Ntv berichtete über die Studie:
Sie zeigen aber auch, dass das Grönlandeis durchaus nicht gleichmäßig abschmolz. So verschwand 2003 und 2004 hauptsächlich Eis an der Ostküste Grönlands, bis 2006 verlangsamte sich dieser Verlust im Nordosten, nahm dafür aber im Südosten zu. Von 2007 bis 2010 schmolz das Eis an der Nordostküste langsamer, an der Nordwestküste hingegen immer schneller. Im Zentrum der Insel nahm die Eisschicht dagegen während des gesamten Jahrzehnts kontinuierlich zu.
Ähnliche Ergebnisse hatte auch Kenneth Jezek im Dezember 2012 im Journal of Glaciology veröffentlicht. Satellitengestützte Höhenmessungen seit 1981 zeigen, dass der Eisschild an etlichen Stellen Grönlands gewachsen ist und heute höher als früher ist. Bereits im Juni 2012 war in den Earth and Planetary Science Letters eine Arbeit eines internationalen Forscherteams um Ingo Sasgen vom Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ) erschienen. In einer Pressemitteilung erläuterte das GFZ die Ergebnisse:
Der grönländische Eisschild verliert weiter an Masse und trägt damit pro Jahr etwa 0,7 Millimeter zur aktuell beobachteten Meeresspiegeländerung von rund 3 mm pro Jahr bei. Dieser Trend steigert sich in jedem Jahr um weitere 0,07 Millimeter pro Jahr. Zugleich ergibt sich ein differenziertes räumliches Bild der Eismassenveränderung: Der Massenverlust ist im Südwesten und Nordwesten Grönlands am größten.
weiter lesenGrönländische Eisschmelze auf dem Prüfstand: Eisverluste geringer als zuvor angenommen