Ausweitung der Mückenplage in den USA nicht wegen Klimawandel, sondern aufgrund zu wenig Gifteinsatz und wachsender Urbanisierung

Falls Sie im Großraum Hamburg wohnen, könnte Sie eine Seminarserie der Universität Hamburg interessieren. Am 20. Dezember 2016 geht es um 15:15 Uhr um holozäne Klimamodelle („MPI-M Holocene simulations – new opportunities and first results“).

Ort: Seminar Raum 022/023, Erdgeschoss, Bundesstrasse 53, 20146 Hamburg
Vortragender: Martin Claussen, MPI-M, The Holocene Group, Max Planck Institute for Meteorology

Es gilt zu hoffen, dass die Modelle bald endlich das vorindustrielle Klima besser in den Griff bekommen. Das geht aber nur, wenn man auch natürliche Klimafaktoren in die Simulationen realistisch einbaut, was bisher nicht der Fall ist. Vorinddustrielle Klimaschwankungen wurden lange Zeit als spontanes, schwer zu erklärendes Rauschen abgetan. Ein shwerer Fehler. Word es jetzt besser? Lassen Sie sich kurz vor Weihnachten von Prof. Claussen überraschen.

Vorbereitender Lesetipp: Klimamodelle und Temperaturrekonstruktionen wollen einfach nicht zusammenpassen: Neue Studie vom Hamburger Max-Planck Institut für Meteorologie

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Der Deutschlandfunk begeisterte am 6. Dezember 2016, als er gleich zwei nichtalarmistische Meldungen in seine Kurzmeldungen aufnahm. In der ersten Meldung wurde eingeräumt, dass die zunehmende Mückenplage in den USA offenbar nur wenig mit der Klimaerwärmung zu tun hat, stattdessen sind die Ursachen in der zunehmenden Verstädterung der Gebiete sowie im verminderten Einsatz von Insektengift zu suchen. DLF:

[…] In den letzten fünfzig Jahren haben sich die Stechmücken-Populationen in den Bundesstaaten New York, New Jersey und Kalifornien verzehnfacht. Die Zahl der Stechmücken-Arten hat sich in dieser Zeit verdoppelt. […] Ein Grund sei, dass das Insektengift DDT seit den 70ern nicht mehr zum Einsatz kommt. Der zweite Grund für die steigenden Stechmücken-Zahlen sei die Verstädterung der Gebiete. Vor allem Mücken, die von menschlichem Blut leben, profierten davon. Die globale Erwärmung spiele laut den Forschern in den untersuchten Regionen keine große Rolle für die starke Ausbreitung der Mücken.

Hier die Kurzfassung der Arbeit von Rochlin et al. (2016) aus Nature Communications:

Anthropogenic impacts on mosquito populations in North America over the past century
The recent emergence and spread of vector-borne viruses including Zika, chikungunya and dengue has raised concerns that climate change may cause mosquito vectors of these diseases to expand into more temperate regions. However, the long-term impact of other anthropogenic factors on mosquito abundance and distributions is less studied. Here, we show that anthropogenic chemical use (DDT; dichlorodiphenyltrichloroethane) and increasing urbanization were the strongest drivers of changes in mosquito populations over the last eight decades in areas on both coasts of North America. Mosquito populations have increased as much as tenfold, and mosquito communities have become two- to fourfold richer over the last five decades. These increases are correlated with the decay in residual environmental DDT concentrations and growing human populations, but not with temperature. These results illustrate the far-reaching impacts of multiple anthropogenic disturbances on animal communities and suggest that interactions between land use and chemical use may have unforeseen consequences on ecosystems.

Auch die zweite Meldung ist hochinteressant. Anhand von Muschelsschalen wurde das Klima des Nordatlantiks für die vergangenen 1000 Jahre rekonstruiert. DLF:

Die Wissenschaftler haben die Informationen der Muschelschalen mit Berichten über Lufttemperatur, Vulkane und die Sonnenaktivität verglichen. Dabei stellen sie fest, dass vor der industriellen Revolution Veränderungen im Nordatlantik das Klima beeinflussten und die Atmosphäre veränderten.

Hier hatte der Sendung dann wohl doch Angst vor der eigenen Courage. Das Resultat des Vergleiches zwischen Temperatur, Sonnenaktivität und Vulkanen verschweigt man. Lesen wir dazu in der Zusammenfassung des Originalpapers, das am 6. Dezember 2016 ebenfalls in Nature Communications (nicht PNAS) von Reynolds et al. erschien:

Annually resolved North Atlantic marine climate over the last millennium
Owing to the lack of absolutely dated oceanographic information before the modern instrumental period, there is currently significant debate as to the role played by North Atlantic Ocean dynamics in previous climate transitions (for example, Medieval Climate Anomaly-Little Ice Age, MCA-LIA). Here we present analyses of a millennial-length, annually resolved and absolutely dated marine δ18O archive. We interpret our record of oxygen isotope ratios from the shells of the long-lived marine bivalve Arctica islandica (δ18O-shell), from the North Icelandic shelf, in relation to seawater density variability and demonstrate that solar and volcanic forcing coupled with ocean circulation dynamics are key drivers of climate variability over the last millennium. During the pre-industrial period (AD 1000–1800) variability in the sub-polar North Atlantic leads changes in Northern Hemisphere surface air temperatures at multi-decadal timescales, indicating that North Atlantic Ocean dynamics played an active role in modulating the response of the atmosphere to solar and volcanic forcing.

Reynolds und Kollegen bekommen genau das heraus, was wir vor viereinhalb Jahren in unserem Buch „Die kalte Sonne“ geschrieben haben: Sonnenaktivität gepaart mit Vulkanausbrüchen und Ozeanzyklen sind die Haupttreiber des vorindustriellen Klimageschehens. Und diese Treiber werden auch nach Anstieg des CO2 ab 1850 nicht plötzlich aufgehört haben. Im DLF-Beitrag lässt man es bei soviel Klarheit lieber nebulös, schade. Vielleicht nächstes mal. Übrigens haben die Autoren eine schöne Mittelalterliche Wärmeperiode (MWP) für ihr Studiengebiet gefunden.

In Kürze wird die Studie auch in unserer MWP-Onlinekarte eingearbeitet werden. Momentan laufen vorbereitende Arbeiten zur Erstellung einer ersten regionalen Synthese. Losgehen soll es mit Afrika und Arabien. Dazu müssen die publizierten Kurven jetzt in Excel- oder anderer plottbarer Form aufgetrieben werden, zum Teil muss mit WebPlotDigitizer digitalisiert werden.