Einer der wichtigsten Punkte der hitzigen Klimadebatte ist die Frage der Klimawirksamkeit des Kohlendioxids, also die CO2-Klimasensitivität. Wieviel Erwärmung bringt zusätzliches CO2 in der Atmosphäre eigentlich? Hier gehen die Meinungen bekanntlich weit auseinander. Da bietet es sich an, in die geologische Vergangenheit der Eiszeitzyklen der letzten 2 Millionen Jahre zu schauen, denn damals hat es bedeutende CO2-Schwankungen gegeben. Und wir haben Glück, anhand von Eiskernen der Antarktis und in Grönland lassen sich CO2-Gehalt und Temperaturentwicklung rekonstruieren.
Genau das hat man auch gemacht. Vor mehr als 10 Jahren veröffentlichte ein schweizerisch-französisches Forscherteam in der Zeitschrift Science eine Untersuchung eines Antarktis-Kerns. Mit dabei war übrigens auch der heutige Vorsitzende der Arbeitsgruppe „Wissenschaftliche Grundlagen“ des Weltklimarats IPCC, Thomas Stocker. Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass das CO2 der Temperaturentwicklung um ca. 800 Jahre hinterherhinkt. Berücksichtigt man diesen wichtigen zeitlichen Zusammenhang, so wird klar, dass die CO2-Entwicklung während dieser Zeit wohl eher eine Reaktion auf die Temperatur darstellt und keineswegs die Ursache der Klimaänderungen sein kann. Aus den Eiskerndaten eine bedeutende Klimapotenz des CO2 abzuleiten ist daher abwegig. Einen plausiblen Mechanismus für die beobachtete Entwicklung gibt es übrigens auch: In warmem Wasser kann sich nämlich weniger CO2 lösen. Da sprudelt das freiwerdende Kohlendioxid zu Beginn der Warmzeit einfach aus dem Meer heraus und sammelt sich in der Atmosphäre. Wenn es dann zu Beginn einer neuen Eiszeit kälter wird, kann sich dieser CO2-Überschuss im nun aufnahmebereiten Meerwasser wieder lösen und die CO2-Konzentration der Atmosphäre sinkt.
Die verzögerte CO2-Entwicklung versuchten einige bekannte Akteure der Klimadiskussion in der Vergangenheit gerne zu verschleiern, darunter auch Al Gore in seinem Oscar-prämierten Film „Eine unbequeme Wahrheit“. Der Fehlschluss ist Mitgrund dafür, dass der Film laut Gerichtsbeschluss an britischen Schulen nicht mehr unkommentiert gezeigt werden darf. Auch Hartmut Graßl wandte den Trick in seinem Buch „Klimawandel – Was stimmt? Die wichtigsten Antworten“ nur allzu gerne an.
Abbildung 1: Die Temperaturkurve hat gegenüber dem CO2 einen Vorlauf von durchschnittlich 800 Jahren, ist also hier Auslöser und nicht Folge der CO2-Veränderungen. Abbildung ergänzt nach Monnin et al. 2001.
Dem Weltklimarat passte die unbequeme zeitliche Abfolge der Ereignisse natürlich so gar nicht ins Konzept. Vielfach wurde argumentiert, dass die Temperatur zwar den Startschuss zur CO2-Erhöhung gegeben hat, danach aber das CO2 als Haupt-Wärmetreiber übernommen hätte. Dies lässt sich jedoch leicht widerlegen, da die Verzögerung von 800 Jahren hartnäckig über den gesamten Verlauf der Eiskernkurven aufrechterhalten blieb. Wenn CO2 auf dem Chefsessel gewesen wäre, hätte das CO2 die Temperatur an irgendeiner Stelle doch überholen oder zumindest gleichziehen müssen, was jedoch nicht passiert ist.
Gerade entsteht der neue IPCC- Bericht und es wäre doch schön, wenn man dieses lästige Problem noch schnell irgendwie loswerden könnte. Da kam dem Weltklimarat eine neue Publikation in nature gerade recht, die den zeitlichen Verzug des CO2 in einen zeitlichen Vorsprung umwandeln wollte. Erstautor der Studie ist der frisch promovierte Jeremy Shakun. Interessant ist jedoch, dass sein Co-Autor und Doktorvater Peter Clark koordinierender Leitautor im neuen IPCC-Bericht ist. Und auch die Co-Autorin Bette Otto-Bliesner ist Leitautorin im neuen Werk des Weltklimarats. Aufgabe des IPCC ist eine neutrale Sichtung und Bewertung der wissenschaftlichen Literatur. Wie kann diese Neutralität gewährleistet sein, wenn letztendlich IPCC-Mitglieder über ihre eigenen Arbeiten gutachten?
Worum geht es nun in der neuen Publikation eigentlich? Das Forscherteam um Jeremy Shakun wusste natürlich, dass das CO2 der Temperatur im antarktischen Eiskern um 800 Jahre der Temperatur hinterherhinkt. Dies wäre jedoch nicht weiter schlimm, sagen sie, denn es handelte sich hier lediglich um eine lokale antarktische Temperaturentwicklung. Daher stellten die Forscher Temperaturkurven aus zahlreichen anderen Teilen der Erde zusammen, leiteten daraus einen Mittelwert ab – und voilà – plötzlich hinkte die global gemittelte Temperatur der CO2-Entwicklung hinterher. Die Temperatur der Antarktis hatte einfach zu früh „gezuckt“ und wäre nicht repräsentativ. Irgendwie muss die Antarktis schon geahnt haben, dass 800 Jahre später das CO2 ansteigen wird und hat sich in vorauseilendem Gehorsam bereits erwärmt. In Wirklichkeit ist die Erwärmung der Südhalbkugel (Antarktis) und der Nordhalbkugel (Grönland) sehr oft durch einen zeitlichen Verzug gekennzeichnet (siehe z.B. Steig & Alley 2002). Für den Untersuchungszeitraum gegen Ende der letzten Eiszeit hat sich zunächst die Südhalbkugel (Antarktis) erwärmt. Da auf der Südhalbkugel der größte Teil der Ozeane beheimatet ist, entgaste hier während dieser Phase sehr viel CO2. Die Erwärmung der Nordhalbkugel erfolgte durch den typischen Zeitverzug später, hat jedoch im Kern nichts mit der passiven CO2-Entgasung zuvor zu tun (siehe auch Analyse des Papers durch Nir Shaiv). Shakun und Kollegen begehen nun den Fehler und interpretieren einen ursächlichen Zusammenhang zwischen CO2-Anstieg und Erwärmung der Nordhemisphäre. Aufgrund der neuen, fehlinterpretierten zeitlichen Abfolge lasten sie die globale Erwärmung gegen Ende der letzten Eiszeit zu einem großen Teil dem CO2 an. In Zahlen ausgedrückt: Die Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre schnellte damals um 40 Prozent in die Höhe, was laut der Shakun-Gruppe zu einer Erwärmung von rund 3,5 Grad Celsius geführt hätte. Große Zufriedenheit beim IPCC über diese außerordentlich hohe Klimawirkung des CO2. Aber auch einige interessierte Medienvertreter atmeten wohl tief durch, da ihnen die liebgewonnene Klimakatastrophe auf diese Weise noch weiter erhalten bleibt. Sogleich wurde die freudige Nachricht ungefiltert und ungeprüft der Welt verkündet (Spiegel Online, web.de, Stern).
Faktencheck
Es wäre alles schön und gut, wenn nicht mal jemand nachgeschaut hätte, was die Shakun-Truppe in ihrer Studie eigentlich genau gemacht hat. Das Ergebnis ist erschreckend. Willis Eschenbach hat sich die Mühe gemacht, die im Nature-Paper verwendeten Temperaturkurven der verschiedensten Regionen der Erde separat aufzutragen. Die Kurven hat er feinsäuberlich in seiner Analyse auf WUWT abgebildet. Die Überraschung: Er fand riesige regionale Unterschiede. Der Erwärmungsbeginn unterscheidet sich um bis zu 10.000 Jahre. Wie man aus dieser riesigen Datenstreuung ein globales Hinterherhinken der Temperatur gegenüber dem CO2 ableiten soll, wie im Titel der Shakun-Arbeit behauptet wird („Global warming preceded by increasing carbon dioxide concentrations during the last deglaciation“), ist ein echtes Rätsel (siehe Abbildung 2).
Abbildung 2: Gesamtdarstellung der von Shakun et al. (2012) verwendeten Temperaturdaten (in grün). CO2-Kurve aus der Antarktis als schwarze Kreise. Ein konsistenter Vorlauf des CO2 gegenüber der globalen Temperaturentwicklung ist nicht zu erkennen. Die Streuung ist einfach zu groß. Zusatzfrage: Wie würde eigentlich die CO2-Kurve nach 5000 v. Chr. weitergehen? Die Eiskerne reichen doch bis zur Heutezeit!? (die Auflösung gibt es in Abbildung 4) Abbildungsquelle: Willis Eschenbach auf WUWT.
In der Nature-Arbeit selbst werden lediglich schön geglättete Kurven gezeigt, die jedoch wenig mit der Realität zu tun haben (Abbildung 3). Warum haben sich die Gutachter der Zeitschrift Nature bei diesem sensitiven Thema nicht die Zeit genommen, die Datenbearbeitung zu überprüfen? Die Autoren hatten die Daten mit dem Manuskript lobenswerterweise zur Verfügung gestellt. Wie konnte die eklatante Fehlinterpretation durch das Nature-Gutachtersystem flutschen? Wer waren überhaupt die anonym-gebliebenen Gutachter? Möglicherweise IPCC-Kollegen? Wäre diese Information nicht vielleicht wichtig im Sinne der Transparenz?
Abbildung 3: Das haben Jeremy Shakun und seine Kollegen aus der stark streuenden Punktwolke gemacht (rot: Temperatur Antarktis; gelbe Punkte: CO2-Messwerte Antarktis-Eiskern; blau: angebliche globale Temperatur) . Offensichtlich wurde „mit geeigneten statistischen Verfahren“ den Daten ein fragwürdiges Signal entlockt, das der kritischen Überprüfung jedoch nicht standhält (siehe Darstellung der realen Datenbasis in Abbildung 2). Abbildung aus Shakun et al. 2012.
Eschenbach hat zwischenzeitlich noch einmal nachgebohrt und eine weitere interessante Beobachtung gemacht (siehe sein WUWT-Artikel „Shakun Redux: Master tricksed us! I told you he was tricksy!“). Die Kurven in der Shakun-Arbeit beschränken sich auf die Zeit bis 7000 Jahre vor heute, das entspricht 5000 vor Christus. Dies gilt auch für die antarktischen CO2-Daten der Wissenschaftlergruppe. Die mitgelieferten Temperaturdaten gehen jedoch weiter bis in die Heutezeit. Eschenbach hat nun die CO2-Datenlücke mit anderen Eiskerndaten geschlossen und machte eine interessante Beobachtung. Während die Shakun-Temperaturwolke in den letzten 700 Jahren leicht nach unten abknickt, die Temperaturen also offenbar im Durchschnitt abgesunken sind, stieg das CO2 weiter an (siehe Abbildung 4). Wie passt dies eigentlich mit der postulierten starken Klimawirkung des CO2 zusammen? Offensichtlich gar nicht. Man muss davon ausgehen, dass der Shakun-Truppe diese Entwicklung ebenfalls nicht entgangen sein kann. Wie redlich ist es eigentlich, diese wichtige Beobachtung und ihre Konsequenzen in der Publikation nicht anzusprechen?
Abbildung 4: Willis Eschenbach hat die Lücke in der CO2-Kurve nach 5000 v. Chr. mit Daten aus anderen Untersuchungen gefüllt. Wie seltsam: Das CO2 steigt weiter an, obwohl die Temperatur leicht absinkt. Wie kann dies sein? Das passte wohl Shakun et al. 2012 nicht ins Konzept, wurde daher weggeschnitten. Abbildungsquelle: Willis Eschenbach auf WUWT.
Es stellen sich weitere fachliche Fragen, die Don Easterbrook in zwei kürzlichen Artikeln auf WUWT zusammengestellt hat (Teil 1, Teil 2).
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es sich um einen erneuten, verzweifelten Versuch handelt, das geliebte CO2-Katastrophenmodell doch noch zu retten. Bereits im Fall der legendären Hockey Stick Kurve wurde mit statistischen Tricks die Wirklichkeit ad absurdum geführt. Nachdem dies gescheitert ist, versuchen IPCC-nahe Forscher derzeit die Kleine Eiszeit fast ausschließlich mit Vulkanausbrüchen zu erklären. Die Shakun-Arbeit setzt diese Reihe fort. Es zeigt zudem noch einmal deutlich, dass Richter (lies: IPCC-Berichtautoren) nicht über ihre eigenen Taten (lies: wissenschaftliche Arbeiten) richten sollten. Was im Rechtswesen selbstverständlich ist, wird in den politisch sensitiven Klimawissenschaften nicht einmal hinterfragt. Verwundert kratzt man sich am Kopf und staunt.
Und es gibt eine weitere interessante Parallele zur Hockey Stick Saga. Michael Mann erhielt damals seinen Doktortitel für seine Hockey-Stick-Forschung, wurde danach rasend schnell zum Professor und ins IPCC-Management befördert. Auch Jeremey Shakun führte die jetzt in Nature publizierte Arbeit als Teil seiner Doktorarbeit durch, die er 2010 einreichte (siehe S. 64 in der Doktorarbeit bzw. S. 80 des pdf). Ursprünglich war die Arbeit wohl zur Publikation in Science gedacht. Wurde sie dort eingereicht, möglicherweise abgelehnt und hatte dann bei nature mehr Glück? Und was wird jetzt aus Jeremey Shakun? Wird er eine ähnlich steile Karriere hinlegen wie Mann?
Die Diskussionen zu dieser Arbeit werden weitergehen. Wir werden die Entwicklung aufmerksam verfolgen und diesen Artikel entsprechend aktualisieren.
Siehe auch englischprachiger Artikel auf notrickszone.com.
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