Sickerstellen!

Von Frank Bosse

Dieser Schreckensruf erschütterte in den letzten Tagen die Klimaszene. Wenn etwas einsickert droht ein Damm zu brechen oder ein Dach ist undicht. Was ist also gemeint? Mit dem Blick auf das offizielle NASA- Diagramm der Temperaturen gab es seit einiger Zeit Dutzende von Arbeiten, die den stark verlangsamten Anstieg der Temperaturen seit Beginn des aktuellen Jahrtausends zu erklären versuchten. Sie nannten den nahezu konstanten Abschnitt aus Bild 1 den Hiatus oder die Pause.

 

 

Abb. 1: Die globalen Temperaturen mit einem 5-jährigen gleitenden Mittelwert (rot). Quelle: NASA/GISS

 

Einigen Hardcore-Propagandisten konnte dies nicht gefallen und so schrieb ein Team um den Psychologen Stephan Lewandowski eine Arbeit die das „Einsickern“ von Argumenten und Formulierungen aus dem Umfeld nicht ganz so gläubiger Betrachter in den heiligen Gral der Klimawissenschaften beklagt. Die „Pause“ dient in der genannten Arbeit als Beispiel dafür.  Die Verwendung eines einfachen gleitenden Mittelwertes wie in der Abbildung der NASA und die Bezeichnung „Pause“ für das Plateau nach 2000 ist nach Lewandowski u.a. schon ein Sakrileg.

Das wollten einige realistischere Vertreter der Klimawissenschaften so nicht gelten lassen.  Richard Betts, der Chef des britischen MetOffice, schrieb auf einem Blog eine geharnischte Kritik an der Arbeit. Er fasst seinen Standpunkt zusammen mit den Worten:

„Die Autoren lassen jeden Nachweis für ihre Spekulationen vermissen. Ihre Schlussfolgerungen sind m.E. falsch.“

Er betont, dass Klimawissenschaften nicht nur den Nachweis der menschgemachten Erwärmung antreten sollen und die natürlichen Schwankungen bestenfalls als Rauschen zu betrachten hätten sondern es um die Erforschung des Klimasystems insgesamt geht und damit auch um die natürliche Variabilität, die wohl für die  „Pause“ verantwortlich zeichnet.

Demgegenüber vertritt Stephan Rahmstorf vom PIK eine ganz andere Meinung: Es gibt keine Pause und die Verwendung solcher Vokabeln in der Wissenschaftswelt ist Abweichlertum. So droht Rahmstorf ganz offen: „Ich kann nur jedem Kollegen empfehlen, den Aufsatz von Lewandowsky et al zu lesen“. Es ist schon interessant, dass mehr als 60 Arbeiten von Klimawissenschaftlern über etwas geschrieben wurde, das es angeblich gar nicht gibt!

Mit allerlei Spielereien wird versucht, die GISS- Abbildung 1 zu relativieren, z.B. indem völlig zutreffend gezeigt wird, dass der Trend des Anstieges der globalen Temperaturen seit 1970 keinen Unterschied aufweist wenn man als Endpunkt das Jahr 2000 oder das Jahr 2014 wählt. Aber was sagt das genau?

Abb.2: Die Trends seit 1970 für die Beobachtungen nach GISS und den Mittelwert der  Klimamodelle

 

Die dunkelblaue Kurve in Abb. 2 zeigt die Steigungen der Trends mit dem konstanten Anfangsjahr 1970. Tatsächlich ist der Wert bis 2014 mit ca. 0,16K/Dekade recht genau gleich zum Anstieg bis 2000. Es wird nur vergessen zu erwähnen, dass er 2006-2007 nahezu 0,18K/Dekade betrug und seitdem zurückgeht. Dies ist nur zu erklären, wenn sich die Temperaturen genau so verhalten wie Abb. 1 es zeigt. Das ist natürlich statistisch nicht signifikant aber eben klar sichtbar, vor allem wenn man wie die NASA eine Glättung der jährlichen Werte vornimmt. Im oben verlinkten Blogartikel von Rahmstorf vermeidet er daher eine solche sinnvolle Operation, die sehr oft angewendet wird, z.B. wenn man die globalen Temperaturen von den El Nino-Schwankungen befreien will.

Und die Abb. 2 zeigt noch mehr: Das Auseinanderklaffen zwischen Modellprojektionen und  der Realität. Die CMIP5-Modelle sind die, die für sämtliche Vorhersagen der klimatischen Zukunft im letzten Bericht des IPCC benutzt wurden. Sie sind nach wie vor der „Stein der Weisen“ der Klimafolgenforscher. Und genau da liegt auch deren Problem mit der „Pause“: Das Verhalten des realen Klimasystems wie es Bild 1 zeigt, passt nicht zu den Rufen nach sofortiger Verhinderung des Kollapses wie er in Bild 2 mit Hilfe der Modelle (rot) annonciert wird. Dort nämlich nimmt der Trend auch zukünftig immer mehr zu und das blaue reale Dümpeln mit der Abwärtsrampe zum Ende hin lockt wohl keinen Entscheider hinter dem Ofen vor. Wie weit sich die Modellwelt inzwischen vom „richtigen Leben“ entfernt hat zeigt dieses Bild:

Abb. 3: Die prozentuale Überschätzung des Erwärmungstrends seit 1970 durch Modelle ab 2000.

 

Die Überschätzung der Erwärmungstrends seit 1970 wächst recht gut linear an. In 2000 wurde der Trend noch gut (mit nahe 100% Genauigkeit) abgebildet, inzwischen sind wir bei stolzen 29% Überschätzung denn wir haben keinen Trend von 0,21 K/ Dekade Erwärmung.  Auch ein noch etwas wärmeres Jahr 2015 als 2014, wie es sich durch einen gerade eingetretenen  El Nino andeutet, kann an der wachsenden Kluft nur Marginales ändern. Dazu sind die Trends seit 1970 nämlich zu lang.

Es scheint sich also wirklich ein Dammbruch oder ein undichtes Dach durch Sickerstellen anzukündigen: Im Gebäude der Lewandowskis, Rahmstorfs und Co. Denn die Welt der Wissenschaft funktioniert nicht so, wie die es gerne hätten: Ein Wissenschaftler wird sich nicht vorschreiben lassen, dass er das Wort „Pause“ oder „Hiatus“ beim Anblick von Abbildung 1 nicht benutzen soll, denn das sei „Lingua non Grata“. Wenn offensichtliche Sachverhalte nicht mehr benannt werden dürfen, weil es nicht in die politisch motivierte Gedankenwelt einiger Katastrophen-Propheten passt, dann hat dies mit Religion mehr zu tun als mit Wissenschaft. Hans von Storch drückte es auf einer Veranstaltung der Leibnitz- Gesellschaft in Geesthacht im September 2014 so aus:

„Jede Woche wird eine neue Sau durch das Dorf getrieben, und man kann recht gut vorhersagen, aus welchem Hause die entsprechende Publikation kommt. Viele dieser Studien sind auch gemeint als Unterstützung für die vermeintlich gute Sache, für die große Transformation, die die Welt zu einem besseren Ort macht, für Ökosysteme und für Kinder und Kindeskinder….Insofern beschädigt sich Wissenschaft durch laufende Kompetenzüberschreitungen und dem Gefallen an dramatisierenden Zuspitzungen selbst.“