Bereits mehrfach haben wir an dieser Stelle auf den neuen Dokumentarfilm „The uncertainty has settled“ hingewiesen. Der Film von Marijn Poels wurde bereits auf etlichen Filmfestivals mit Preisen ausgezeichnet, eine Hase und Schildkröte Production. Den Trailer haben Sie vielleicht schon auf Youtube gesehen. Es war also nur eine Frage der Zeit, endlich einmal den ganzen Film anzuschauen. Die Kalte-Sonne-Redaktion hatte nun – ausgestattet mit Kaltgetränk und Popcorn – die Gelegenheit, den Film in ganzer Spielfilm-Länge von 90 Minuten zu inspizieren. Um es vorweg zu nehmen: Es hat sich gelohnt!
Zunächst einmal zum Titel. Für das deutsche Publikum wäre hier sicher eine landessprachliche Version sicher nützlich gewesen. „The uncertainty has settled“, was bedeutet das? Man muss den Film erst sehen, um den Sinn des Titels zu erahnen. In der Klimadebatte hieß es lange „The Science is settled“, bei den Klimawissenschaften ist alles fertigeforscht, alles im Griff. Das sollte auch bedeuten, dass man bitte mit dem nervigen Gefrage aufhört. Wenn ein Klimawissenschaftler etwas sagt, hat man das bitteschön ohne zu Murren anzuerkennen. Zurückmaueln unerwünscht. Naja, bis dann wirklich große Klopper ans Licht kamen, wie z.B. Klimamodelle, die nur die letzten 400 Jahre modellieren können, für die Zeit davor aber nichts Hinbekommen. Das kennen Sie ja. Der Titel ist also vermutlich ein Wortspiel: Statt der Wissenschaft ist nun die wissenschaftliche Unsicherheit bestätigt. Das stimmt.
Der Film ist als Roadmovie aufgebaut. Der Journalist (Marijn Poels) reist mit seinem Kameramann Volker Schmidt durch Europa und Nordamerika, um mit Landwirten und Wissenschaftlern über Biotreibstoffe und den Klimawandel zu sprechen. Poelsist lange Kare durch die schwierigen Länder und Krisenherde der Welt gereist, um von dort als Filmer und unabhängiger Medienmann zu berichten. Da war diese Reise durch den „zivilisierten“ Westen sicher eine nette Abwechslung. Poels ist Holländer und sieht aus wie ein struppeliger Greenpeace-Kämpfer, wirkt dabei sehr sympathisch. Er ist Sohn eines linken Teilzeitmissionars, ein echter Europäer – seine Frau stammt ursprünglich aus einem Dorf in Sachsen-Anhalt, in dem auch ein Teil des Films spielt.
Einen Erzähler aus dem Off gibt es nicht. Geredet wird nur vor der Kamera, auf deutsch, englisch und holländisch. Deutsche Untertitel machen es einfach, das Geschehen bequem über den ganzen Film hinweg zu verstehen. Poels konzipierte die Doku in einem langsamen unaufgeregten Erzählstil. Wilde Zusammenschnitte von Naturkatastrophen sucht man in dem Streifen zum Glück vergeblich. Der Protagonist stellt die Fragen, will selber lernen und vermeidet es, seine eigene Ansicht auszubreiten. Durch die Auswahl der Interviewpartner erkennt man aber schnell, dass Poels ernsthaft an einer Diskussion des Themas Energiewende und Klimawandel liegt. Die Öffnung zum Dialog ist ein wichtiger erster Schritt, den nur wenige gehen.
Im Heimatdorf seiner Frau in Sachsen-Anhalt trifft Poels zufällig einen holländischen Landsmann. Frits besaß mehrere große Betriebe in der Stadt, die er aber mittlerweile an seine Kinder weitergegeben hat. Das erlaubt ihm nun im Wohlstand auf dem Lande zu leben. Er ist kein Stadtmensch, sagt er. Zudem ist er Klimaskeptiker. Poels hört aufmerksam zu, sammelt Informationen. In der Entfernung dreht sich eine ganze Batterie Windkraftanlangen. Frits würde gerne eine Baumreihe davor pflanzen, damit er sie nicht mehr sehen muss. Ein Bauer aus der Region bedauert sehr, dass das Windmühlenland nicht ihm gehören würde. Denn ansonsten könte er es bequem an die Windmüller verpachten und müsste nie mehr arbeiten. Andere Bauerskollegen schnitten besser ab und müssen jetzt nur noch Geld zählen, anstatt Kartoffeln zu ernten.
Überhaupt scheint sich die deutsche Landwirtschaft vor allem um Biogas zu kümmern. Mittlerweile gibt es 8000 Biogasanlagen in Deutschland,wobei eine Snage etwa 260 Hektar Land verbraucht. Genau dieses Land fehlt jetzt für die Nahrunsgmittelherstellung. Im Zuge des globalen Nahrungsmittelmarktes wird dadurch perverserweise and Orten wie dem südmaerikanischen Regenwald neues Land gerodet, um dieses Anbaudefizit wieder auszugleichen. Die Biogaserzeugung ist stark subventioniert, lohnt sich nur, weil sie politisch gewollt ist. Marijn Poels trifft den Kieler Agrar- und Nährstoff-Exoerten Prof. Friedhelm Taube Uni Kiel. Im Interview verrät er, wie es dazu kam, dass die Biogas-Subventionen derart überdimnensioniert wurden. Die Subventionen wurden Anfang der 2000er Jahre mehrfach nachgebessert, um die Landwirte endlich ins Biogas zu bekommen. Die zögerten zunächst. Deshalb erhöhte man. Zu einem gewissen Zeitpunkt stieg dann aber der Weizen-Weltmarktpreis so stark an, dass die Politik befürchtete, die Landwirte könnten nun wieder auf Weizenanbau zurückwechseln. Also schüttete man sie so mit Subventionsgeldern zu, dass sie sich auf jeden Fall für das Biogas entschieden. Kurz nach einer neuen Steigerung der Subventionen rauschte dann der Weltmarktpreis für Weizen in den Keller. Blöd gelaufen.
Der Experte bemängelt die ökonomische Ineffizienz der Biogaserzeugung. Was könnte man mit dem vielen Geld nicht alles Gutes tun. In Ländern wie Tunesien könnte die Lndwirtschaft nachhaltig verbessert werden und Migrationsgrpnde beseitigt werden. Lieber setzt man weiter stur auf Biogas, um einen Gesichtsverlust zu vermeiden. 40% der Maisanbaufläche in Deutschland werden heute für Biogas verbraucht. Eine Tonne CO2-Vermeidung über Biogas kostet den Steuerzahler und Stromkunden 300-400 Euro. Eine Tonne CO2-Vermeidung über Wärmedämmung kostet jedoch nur 20 Euro also ein Fünzehntel. Wer kein Biogas macht, ist einfach blöd. Milchbauern machen derzeit pro Kuh 1000 Euro Verlust pro Jahr, ein kostspieliges Hobby. Will man so die Methanemissionen der Kühe senken?
Wir wollen Ihnen hier nicht den ganzen Film verraten. Im Laufe seiner Reise trifft Marijn Poels auch auf Hans von Storch, dem man gerne zuhört, da er seine Worte gut wählt und beim Klimwandel relativ ausgewogen positioniert ist. Er ist sich nicht sicher, ob der Klimawandel das wichtigste aktuelle Problem der Menschheit ist. Auf jeden Fall solle man seine Energie auch auf eine ganze Reihe anderer Herausforderungen lenken. Recht hat der Mann. Weitere Interviewpartner sind Freeman Dyson, stolze 93 Jahre alt, von der Princeton University. Er erklärt, dass die Computermodellierer zu früh zu viel Geld bekommen haben. Dann hätten sie sich verrannt und konnten dann aus der Kiste nicht mehr ohne Gesichtsverlust heraus. Es würde ihnen schwer fallen, objektiv zu bleiben.Es wäre aber klar, dass die Modelle gescheitert sind. Beobachtungen und Simulationen stimmen einfach nicht überein. Und ohne Klimaalarm gibt es kein Geld von der Regierung. Dyson kritisiert die Herdenmentalität der Wissenschaftler. Zuviel Loyalität, zu wenig eigenes Mitdenken.
Poels hatte auch beim Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung um ein Interview gebeten. Das wurde ihm allerdings verweigert. Weshalb? Kritisches Mitdenken und Fragenstellen unerwünscht. Im Laufe des Films wird sich Poels darüber klar, dass er als Laie keine Chance hat, die Wahrheit zum Klimawandel zu erfahren. Es steht Aussage gegen Aussage. Wem soll man glauben, wer erzählt Mist? Freeman Dyson gibt Poels einen guten Rat mit auf den Weg. Er solle den Beobachtungen vertrauen, nicht theoretischen Modellen. Ein gutes Konzept.
Gegen Ende verrennt sich der Filmemacher etwas und bringt auch noch einen russischen Vertreter der abiogenen Kohlenwasserstoffe. Dies wird die meisten Zuseher zu sehr verwirren.* Natürlich gibt es nicht-biologische Kohlenwasserstoffe. Aus vielen Vulkanen strömt Methan aus, Planeten haben Methanatmosphären und so weiter. In Russland glaubt man sogar, einige abiogene Ölfelder zu haben, z.B. im Kaukasus. Trotzdem ist es schon etwas ärgerlich, wenn Vladimir Kutcherov im Interview erzählen darf, man müsse nur 50 Jahre warten und die bereits leergeförderten Ölfelder wären dann alle wieder voll. Quatsch hoch drei. Das Öl und Gas der meisten entdeckten Felder stammt aus ehemaligen Tier- und Pflanzenresten. Da kann man auch 500 Jahre warten, und es füllt sich kaum etwas nach. Magengrummeln gibt es auch bei einigen Statements von Piers Corbyn, der zu ausführlich im Film zu Wort kommt und z.B. den aktuellen CO2-Anstieg als zeitverzögerten Effekt der Mittelalterlichen Wärmeperiode deutet. Höchst abenteuerlich.
Poels endet seinen Film mit einer Abwandlung des Goethezitats ‚Da steh ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor‘. Der Film hilft auf jeden Fall, das Interesse am Thema zu wecken. Eine systematische Behandlung der wichtigsten Klimafragen gehörte nicht zum Konzept. Das ist aber auch nicht so schlimm, denn man kann diese Themen auch in unserem Buch und Blog nachlesen. Wir möchten Ihnen den Film wärmstens empfehlen. Demnächst auch in einem Kino in Ihrer Nähe. Hier die aktuellen Vorführungstermine (2017), an denen auch der Filmemacher persönlich teilnehmen wird:
*Nachtrag, 2. Juli 2017: Mittlerweile wird der Film in einer verbesserten Version aufgeführt, ohne die abiogenen Kohlenwasserstoffe als Schlussthema. Eine gute Entscheidung, die das Hauptaugenmerk auf das wichtige Thema der Energiewende fokussiert.