Ein Leser schrieb uns, er hätte am 20. April 2016 im Nachmittagsprogramm des ZDF eine Überdosis Klimaalarm erlitten. In einer Sendung wären Orcas („Killerwale“) gezeigt worden, die im arktischen Treibeis aufgrund des Klimawandels die Orientierung verloren hätten und daraufhin in Lebensgefahr gerieten. Oder hatten sie sich einfach nur „verschwommen“, ein gelegentlicher Fehler, der den Orcas vermutlich auch in der Vergangenheit ab und zu unterlaufen ist? Immerhin scheint Treibeis ein beliebtes Jagdrevier für die Burschen zu sein, wie der ZDF-Beitrag in der Folge erklärt.
Der Leser bat uns, den Fall einmal näher zu untersuchen. Challenge accepted. Zunächst stießen wir auf einen Artikel in der Welt aus dem Jahr 2009, in dem das „Verschwimmen“ der Orcas der Ozeanversauerung angelastet wird:
Klimawandel: Infernalischer Lärm in den Weltmeeren
Wissenschaftler berichten von unerwarteten Folgen des Klimawandels: In den Ozeanen wird es immer lauter, weil das Wasser durch die Versauerung zunehmend die Fähigkeit verliert, Schall zu absorbieren. Der wachsende Geräuschpegel schadet aber nicht nur den Meeressäugern, sondern auch den Menschen.
Klingt etwas theoretisch. Spielt dies wirklich so eine große Rolle? Auf IHDSL.de werden dagegen Klimawandel-abgeleitete Stürme als Orca-Killer angeführt:
Auch der Klimawandel scheint durch die Beeinflussung der großen Windsysteme der Erde und damit des Verlaufs der Meeresströmungen zu Walstrandungen zu führen. Mark Hindell und sein Team von der tasmanischen Universität in Hobart untersuchten Walstrandungen an der Küste von Tasmanien zwischen 1920 und 2002 und stellten fest, dass in gewissen zeitlichen Abständen jeweils größere Strandungsereignisse vorkamen.[16] In den Jahren mit einer zehnfachen Anzahl von Strandungsereignissen wurde auch das Auftreten von starken Stürmen registriert, welche die Kaltwasserströmungen vermehrt in Küstennähe leiteten.
Klimawandel in Form von Ozeanversauerung und Stürmen macht den Orcas angeblich zu schaffen. Umso überraschter sind wir dann, dass die Orcas eigentlich als Klimawandelgewinner gehandelt werden, wie ntv 2011 meldete:
Invasion in die Arktis: Orcas verdrängen Eisbären
Während der Klimawandel mehr und mehr die Eisbären in der Arktis bedroht, können Orcas davon profitieren. Durch die Eisschmelze dringen sie in immer nördlichere Regionen vor, wo sie heimischen Arten die Nahrung wegnehmen.
Sogar der WWF sieht die Killerwale als Profiteure des Klimawandels. Am 16. September 2015 berichtete der WWF auf seiner Webseite:
Arktis: Mit Eisschmelze kommen die Killerwale
[…] Der durch den Klimawandel beschleunigte Rückgang des Meereises führ zu schwerwiegenden Veränderungen im arktischen Ozean. Fische in der Barentssee wandern nach Norden ab, bis zu 160 Kilometer pro Dekade. Auch neue Arten stoßen ins zunehmend eisfreie Terrain vor: In der Kanadischen und Norwegischen Arktis werden vermehrt Orcas gesichtet, die oft auch als Killerwale bezeichnet werden. „Wenn neue große Raubtiere wie Orcas einwandern, können sie das gesamte Ökosystem des arktischen Ozeans verändern“, warnt Dr. Sybille Klenzendorf vom WWF-Arktisprogramm. Die neuen Räuber machen Jagd auf andere Meeressäuger von Robben bis zum Grönlandwal. Killerwale kommen in fast allen Weltmeeren vor, sind aber für stark eisbedeckte Lebensräume nicht angepasst und meiden diese bisher. „Im Gegensatz zu arktischen Walen haben Orcas sehr große Rückenflossen, die in stark vereisten Gewässern hinderlich sind. Erst der Rückgang des Meereises ermöglicht den Killerwalen längere und weitere Beutezüge ins Polarmeer.“ Nicht nur Wissenschaftler und Umweltschützer, auch die Inuit zeigen sich besorgt, insbesondere weil Orcas dieselben Tiere jagen, die die Inuit mit Nahrung versorgen.
Was denn nun? Das ZDF erklärt uns, der Klimawandel würde den Orcas schaden, während WWF und andere Organisationen sie als Klimawandel-Gewinner darstellen. Laut WWF sind Killerwale auch nicht an Meeresregionen mit Eis angepasst, trotzdem jagen sie dort munter herum und haben sogar ziemlich pfiffige Jagdmethoden entwickelt. Wikipedia weiß:
Vor Argentinien lassen sich Schwertwale [Orcas] absichtlich stranden, um junge Robben in der Brandung zu fangen. Dazu schwimmen teilweise mehrere Schwertwale in einer Reihe auf den Strand zu, um den Robben den Weg abzuschneiden. Von Antarktis-B-Schwertwalen ist bekannt, dass sie Eisschollen auf Robben und Pinguine überprüfen, die Eisschollen in kleinere Teile zerlegen und dann durch gemeinsames Schwimmen eine Welle erzeugen. Diese wirft das Beutetier von der Eisscholle.
Das ist die Lösung: Orcas können einfach alles gleichzeitig. Sie lieben und hassen den Klimawandel zur gleichen Zeit. Sie passen nicht ins Eis, tun es aber trotzdem. Da kann man sich gerne mal ein Beispiel dran nehmen.