Und wieder eine neue Klimaklage, diesmal zusammen mit Greenpeace. Die Zeit berichtete am 1. November 2018:
Drei Bauernfamilien aus dem Alten Land, von der Nordseeinsel Pellworm sowie aus dem Spreewald in Brandenburg haben vor dem Verwaltungsgericht Berlin gemeinsam mit Greenpeace eine Klage gegen die Bundesregierung eingereicht, damit die deutschen Klimaziele 2020 doch noch eingehalten werden. Eigentlich sollten die Treibhausgas-Emissionen bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 gesunken sein. Bisher sind davon erst 32 Prozent geschafft. Familie Blohm, die einen Bioobsthof in Guderhandviertel im Alten Land betreibt, sieht ihre Existenz gefährdet. Wir haben mit Johannes Blohm gesprochen.
Die Bundesregierung wird sich vielleicht sogar über die Klage gefreut haben, denn dann muss sie nicht mühsam demokratische Kompromisse suchen, sondern das Gericht übernimmt einfach die Aufgabe in autokratischer Weise. Inwiefern leidet der norddeutsche Obstbauer unter dem Klimawandel, möchte man gerne wissen. Die Zeit frage nach und Bauer Blohm antwortet:
Johannes Blohm: Mit der Wärme kommen beispielsweise viel mehr Schädlinge. 2016 mussten wir auf vier Hektar all unsere Kirschbäume abroden, weil sie von Kirschfruchtfliegen befallen waren. Die kamen bislang nur in viel südlicheren Gefilden vor. Und bei jeder Ernte haben wir viel mehr Apfelwickler, also Schmetterlingsraupen, die sich ins Fruchtfleisch graben. Ein befallener Apfel wird innen braun, der Schimmel greift aufs ganze Obst in der Kiste über. Wir müssen dann alle Äpfel entsorgen. Gerade für Biohöfe sind die Schädlinge ein Riesenproblem, wir können ja keine Pestizide einsetzen. Biokirschen haben heute schon keine Zukunft mehr.
Mehr Schädlinge wenn es warm ist. Da fragt man sich natürlich, wie es die südeuropäischen Obstbauer schaffen, so leckere Früchte zu erzeugen. Nicht ganz überzeugend, Herr Blohm. Die Zeit fragt weiter:
EV: Sie bauen auf 23 Hektar vor allem Äpfel an. Haben Sie wenigstens vom Hitzesommer profitiert? Die Ernte fiel in diesem Jahr doch gut aus?
Blohm: Wir haben gerade erst abgeerntet, den Ertrag müssen wir noch schätzen. Doch wir wissen schon, dass es Einbußen gibt. Viele Äpfel haben Sonnenbrand, also dunkle Flecken und ledrige Haut. So kauft uns die keiner ab. Auch die Trockenheit war ein Problem. Im Frühjahr 2017 hatten wir dafür Starkregen, Hagel und Sturm. Da bildete sich Staunässe, die Erde ist aufgeweicht und die Bäume sind regelrecht abgesoffen und dann umgekippt. Wir beobachten seit zehn Jahren immer mehr solcher Wetterextreme.
Im Meckern ist Johannes Blohm ziemlich gut. In Wirklichkeit war 2018 ein absolutes Rekordjahr für die Apfelernte. So ein wenig erinnert Blohm an ein verhätscheltes Millionärskind, das alles hat, aber dann wegen eines Flecks auf dem Ferrari ungehalten wird. Die Rückfragen der Zeit sind jedoch zum Glück ausgezeichnet:
EV: Könnten das nicht Launen der Natur sein?
Blohm: Mein Vater betreibt den Hof seit 30 Jahren, seit 1560 steht unsere Familie in den Kirchenbüchern, aber solche Extreme haben wir noch nie erlebt. Früher hagelte es vielleicht ein Mal in fünf Jahren, das war schon schlimm genug. Jetzt hagelte es drei Jahre in Folge. Und dass der Meeresspiegel steigt, merken wir auch längst.
EV: Inwiefern?
Blohm: Weil die Pole schmelzen und mehr Wasser in die Elbe fließt, gelangt durch den Druck auch mehr Salz ins Elbwasser. Begießen wir damit die Äpfel, legt sich eine Salzschicht auf die Früchte. Wenn der Pegel weiter steigt, wird auch das Hochwasserrisiko bei Sturmfluten zunehmen. Wir liegen hier einen halben bis einen Meter unterm Meeresspiegel, die Deiche könnten bald nicht mehr ausreichen.
Genau das ist das Problem. Aus subjektivem Empfinden wird einfach in unwissenschaftlicher Weise verallgemeinert. Beispiel Hagel: Als Hagel wird fester Niederschlag bezeichnet, der aus Eis besteht und einen Durchmesser von mindestens 5 mm hat. Die meisten Hageltage in Deutschland gibt es zwischen Mai und August. Aufgrund der relativ geringen räumlichen Ausdehnung von Hagelstreifen und der kurzen Dauer der Hagelschauer von wenigen Minuten ist Hagel ein nur äußerst schwierig quantitativ zu erfassendes meteorologisches Phänomen. Eine offizielle deutsche Zeitreihe der Hagelentwicklung der letzten Jahrzehnte gibt es daher noch nicht, wobei der DWD derzeit noch nach Lösungen sucht.
In einer Diplomarbeit der Universität Münster (pdf hier) dokumentiert Jan Deepen eine hohe jährliche Variabilität von Hagelereignissen in Deutschland, wobei der Hagel-Trend in den letzten 80 Jahren rückläufig ist. Ähnlich sieht es das Climate Service Center Germany. Mittlerweile fanden internationale Studien, dass die Häufigkeit von Hagel offenbar weitgehend unabhängig von der Entwicklung der Durchschnittstemperatur ist und Hagel in China trotz Erwärmung in den letzten 50 Jahren seltener geworden ist (Xie et al. 2008, 2010). Auch in der Tschechischen Republik hat die Hagelhäufigkeit während der letzten 100 Jahre offenbar abgenommen (Brazdil et al. 2016). Aufgrund der schlechten Beobachtungsdatenbasis entwickelten Mohr et al. 2015 ein Modell für Europa, das für die vergangenen 60 Jahre jedoch keinen Trend fand.
Blohms Geschichte zum Meeresspiegel und seinen Auswirkungen auf seine Äpfel sind so kurios, dass wir sie einfach mal so stehen lassen und darüber schmunzeln. Hinsichtlich der Sturmfluten möchten wir auf die Faktendarstellung der Webseite Klimawandel in Deutschland hinweisen.