Säugetiere und Vögel der mittleren Breiten sind laut Senckenberg-Institut für den Klimawandel gewappnet: Auch 2080 werden die Temperaturen den Toleranzbereich nicht überschreiten

Hiobsbotschaft in der Welt vom 16. Juni 2014:

Der Klimawandel lässt unser Brot schlechter werden
Mehr Kohlendioxid in der Luft lässt Pflanzen besser wachsen. Beim Getreide sinkt jedoch der Anteil wichtiger Spurenelemente. Auch der Proteingehalt sinkt – und die Erntezeiten könnten sich verschieben. […] Die Erkenntnisse der Wissenschaftler verheißen für Bäcker und Brotesser nichts Gutes. Der Weizen aus dem Versuchsfeld und damit auch das daraus gemahlene Mehl enthält fünf bis zehn Prozent weniger Proteine. Obendrein ändert sich auch die Zusammensetzung aus verschiedenen Eiweißen. Und ausgerechnet die für das Backen wichtigen Proteine werden deutlich weniger. Diese Proteine sind für die Klebeeigenschaft des Teigs verantwortlich. Das Brot der Zukunft wird also bröseliger sein, es sei denn, man kompensiert die fehlenden Proteine durch Eiweiße aus anderen Quellen. Dies wiederum hat unmittelbar Auswirkungen auf den Geschmack des Brotes. Denn die Proteine sind wichtige Geschmacksträger. Experimente im Backlabor belegen das düstere Szenario. Wenn man dem Mehl einen Teil der Proteine entzieht, dann wird nicht nur die Backqualität schlechter, sondern auch der Geschmack. Auf der Grundlage der Messergebnisse sagt Remy Manderscheid, dass die Backqualität um ganze 20 Prozent schlechter wird, auch wenn der Proteingehalt des Mehls lediglich um zehn Prozent sinkt.

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Pflanzen wachsen besser, aber Brot bröselt. Unklar ist, wie eigentlich der Geschmack gemessen wird. Über eben diesen sollte man doch eigentlich nicht streiten, heißt es immer. Bei all dem Alarm-Grusel übersieht Die Welt jedoch eine andere Studie aus diesem Jahr von Bloom et al. 2014 in Nature Climate Change. Dort fanden die Autoren, dass eine CO2-Anreicherung zu einer Steigerung des Wachstums und des Proteingehalts führt, wenn auch der atmosphärische Stickstoffgehalt erhöht wird. Letzteres könnte zudem unnötig werden, wenn durch Züchtung die Stickstoffeigenschaften der Pflanzen verbessert werden würden.

Ganz nebenbei: Weshalb reichern eigentlich viele Gemüsebauern bereits heute ihre Gewächshäuser mit CO2 an, vielleicht damit die Gurken und Tomaten möglichst schlecht schmecken und bröseln? Orangen jedenfalls wachsen besser unter CO2-angereicherten Bedingungen und produzieren auch mehr Vitamin C (Idso et al. 2002). Zahlreiche Pflanzen scheinen von einem höheren CO2-Gehalt in der Atmosphäre zu profitieren, wachsen schneller und qualitativer. Falls Sie Lust am Stöbern haben, schauen Sie die Artikelübersichten des NIPCC durch.

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Da sag nochmal jemand, der Klimawandel würde immer nur alles schlechter werden lassen. Der ORF-Regionalsender aus der Steiermark wies am 9. Juli 2014 auf eine ganz unerwartete Entwicklung hin:

Klimawandel lässt FSME-Fälle zurückgehen
Obwohl heuer ein auffällig starkes Zeckenjahr ist, geht die Zahl der FSME-Infektionen in der Steiermark zurück. Experten sehen den Klimawandel als Grund dafür an. Und: Die Zecken sind zwar aktiv, aber nur selten mit dem Virus infiziert. […] Generell wirke sich die Klimaerwärmung positiv auf die FSME-Verbreitung in der Steiermark aus. Seit 15 Jahren sei zu beobachten, dass sich das Virus Richtung Nordwesten, also in kühlere Regionen, ausbreite. Marth dazu: „Beispielsweise haben wir in Berlin lange Jahre nie FSME beobachtet. In den letzten Jahren tritt es verstärkt auf. Und wir sehen auch, dass in der Steiermark das Geschehen vermutlich etwas zurückgeht. Heuer ist es extrem nieder, also es ist absehbar, dass wir heuer nicht allzu viele Fälle zusammenbringen.“

Glück für die Steiermark, Pech für die deutsche Hauptstadt. Trotzdem gibt es auch aus Deutschland Gutes zu berichten. Die Mainzer Regionalseite des Focus schrieb am 8. Juli 2014:

Vogelwelt in Rheinland-Pfalz wird bunter: Auch durch Klimawandel
Immer mehr exotische Vogelarten fühlen sich in Rheinland-Pfalz wohl – laut Experten auch wegen des Klimawandels.
Aus dem Mittelmeerraum wandert zum Beispiel der bunte Bienenfresser ein. „Er ist ein echter Nutznießer des Klimawandels, da er warme Sommer mag“, sagte Michael Schmolz von der Gesellschaft für Naturschutz und Ornithologie Rheinland-Pfalz (GNOR) in Mainz.

Auch das Frankfurter Senckenberginstitut hatte einige gute Klimanachrichten, die jedoch dem Zeitgeist folgend in eine Klimaalarmmatrix eingebettet werden mussten. Lesen Sie vor allem die fettmarkierten Bereiche der Pressemitteilung vom 9. Juli 2014:

Klimawandel: Temperaturerhöhung trifft besonders Tierarten in den Tropen

Sabine Wendler LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F)
Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen

Frankfurt, am Main, 9.7.2014. Die meisten in den gemäßigten Breiten beheimateten Säugetier- und Vogelarten werden in ihren Lebensräumen auch 2080 noch Temperaturen vorfinden, die innerhalb ihrer Toleranzbereiche liegen. Kritisch wird es aber Richtung Äquator: der Anteil der Tierarten, denen die höheren Temperaturen besonders zusetzen, nimmt gen Tropen zu, wie Forschende des LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrums und der Goethe-Universität herausfanden. Jedoch dürften auch in den gemäßigten Breiten indirekte Effekte der klimawandelbedingten Temperaturerhöhung den Tieren zu schaffen machen. Die Studie erscheint heute in „Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences”.

Arten reagieren auf veränderte Umweltbedingungen klassischerweise mit Aussterben, Anpassung oder Abwanderung. In einer der größten Studien dieser Art haben Forschende des LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrums (BiK-F) und der Goethe-Universität nun gezeigt, dass es auch eine vierte realistische Möglichkeit gibt – Aushalten. Dazu wurden knapp 460 Vogel- und Säugetierarten daraufhin untersucht, welche Temperaturen sie tolerieren. Die Ergebnisse wurden mit Daten zu Verbreitungsgebieten und den dort vorherrschenden heutigen Temperaturen und mit verschiedenen Klimawandelszenarien kombiniert. Die Auswahl stellt einen repräsentativen Ausschnitt der physiologischen Vielfalt der Vogel- und Säugetierarten aus aller Welt dar.

Lässt der Klimawandel die Arten der gemäßigten Breiten kalt?
Global betrachtet werden mehr als 54 % der untersuchten Vogel- und 62% der untersuchten Säugetierarten in über der Hälfte ihres derzeitigen Verbreitungsgebietes zeitweise kritisch hohen Temperaturen ausgesetzt sein. „Es gibt jedoch erhebliche regionale Unterschiede. In den gemäßigten Breiten wird ein Großteil der untersuchten Säugetier- und Vogelarten vermutlich auch im Jahr 2080 in signifikanten Teilen ihres jetzigen Verbreitungsgebiets Temperaturen vorfinden, mit denen sie leben können. Damit sind sie jedoch nicht aus dem Schneider, denn auch andere Faktoren, die mit dem Klimawandel einhergehen, setzen den Tieren zu. So können höhere Temperaturen z.B. zu einem reduzierten Nahrungsangebot führen und Krankheitserreger und Konkurrenten begünstigen“, so Dr. Christian Hof, Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F).

In den artenreichen Tropen wird es für Tierarten besonders eng
Während die in den gemäßigten Breiten lebenden Arten Temperaturerhöhungen wohl weitgehend verkraften können, steigt zum Äquator hin der Anteil von Arten, auf die Temperaturen oberhalb ihrer Toleranzschwelle zukommen – und das, obwohl in Polargebieten und Regionen mit gemäßigtem Klima der erwartete Temperaturanstieg sogar höher ausfallen dürfte. „Vogel- und Säugetierarten, die in tropischen Regionen vorkommen, leben tendenziell bereits am oberen Limit ihres Temperaturtoleranzbereichs. Auch minimale Anstiege der Umgebungstemperatur machen ihnen daher zu schaffen“, so der Leitautor der Studie, Imran Khaliq, Doktorand am BiK-F. Zudem wird in vielen tropischen Regionen mit weniger Niederschlag gerechnet. Ausreichend Wasser ist aber für endotherme Arten, die ihre Körpertemperatur selbst regulieren (Säugetiere und Vögel), notwendig, um Überhitzung zu verhindern.

Vögel passen sich physiologisch an Klimabedingungen an, Säugetiere durch Verhalten
Präzise Vorhersagen sind für Säugetiere besonders schwer zu treffen, da der gemessene Zusammenhang zwischen tolerierten Temperaturen und Verbrei-tungsgebieten bei ihnen geringer ist als bei den Vögeln. Dabei dürfte eine Rolle spielen, dass beide Tiergruppen Extremtemperaturen mit unterschiedlichen Strategien begegnen. Während Vögel sich an hohe Temperaturen eher physiologisch anpassen, kompensieren Säugetiere klimatische Extreme durch Verhalten: Sie bauen beispielsweise Höhlen oder Gänge, in denen besondere Mikroklimate herrschen.

Publikation:
Khaliq, I., Hof, Ch. et al. Global variation in thermal tolerances and vulnerability of endotherms to climate change – Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences. DOI: 10.1098/rspb.2014.1097

Das Institut hätte also auch eine ganz andere Überschrift wählen können, z.B.

Säugetiere und Vögel in mittleren Breiten für den Klimawandel gewappnet: Auch 2080 werden die Temperaturen ihren Toleranzbereich nicht überschreiten.

Diese Überschrift wäre aber natürlich viel zu positiv. Auch würde es wohl kaum neue Forschungsgelder geben, wenn sich das Klimaproblem als weniger dramatisch entpuppt als zuvor angenommen. Bereits im Januar 2013 war die Senckenberg-Pressereferentin Sabine Wendler mit einer frangwürdigen Alarmmeldung negativ aufgefallen. Damals hatte sie behauptet, der Klimawandel verringere die genetische Vielfalt. Ihre Fachkollegen widersprachen (siehe unseren Blogartikel „Ökosysteme reagieren auf Klimaerwärmung durch Zunahme der Artenvielfalt„). Und auch die tropische Flora scheint die vom Weltklimarat befürchtete Erwärmung in den Griff bekommen zu können (siehe unseren Blogartikel „Drei neue Studien dokumentieren: Der Amazonas Regenwald würde sogar die IPCC-Hitzeprognosen gut meistern„). Was steckt also wirklich hinter den seltsamen Senckenberg-Meldungen?