Mojib Latif hatte Recht: Wohl keine Erwärmung in den nächsten Jahren

Von Frank Bosse

In  Mojib Latifs Arbeit „Is the Thermohaline Circulation changing“ (Latif et al. 2006) kommt er mit seinen Co- Autoren zu dem Schluss, dass die thermohaline Zirkulation einem Auf und Ab unterworfen ist.  Die thermohaline Zirkulation, umgangssprachlich auch globales Förderband genannt, ist ein Bündel von Meeresströmungen, die Ozeane miteinander verbinden und sich dabei zu einem Kreislauf globalen Ausmaßes vereinen. Im Nordatlantik wird die thermohaline Zirkulation als MOC (Meridional Overturning circulation) wahrgenommen: Bestandteile sind hier der Golfstrom und der Nordatlantikstrom.

In seiner Arbeit untersucht Latif den rhythmischen Wechsel des Druckluftunterschieds zwischen dem Islandtief und dem Azorenhoch, Nordatlantische Oszillation (NAO) genannt, in den Monaten Dezember-März (NAO DJFM). Latif und Kollegen stellen nun dieser atmosphärischen „Druckschaukel“ den Unterschied der Wasseroberflächentemperaturen  (SST- sea surface temperatures) zwischen Teilen des Nordatlantiks und des südlichen Atlantiks gegenüber. In Abbildung 3 der Arbeit ist  die Winter-NAO (DJFM) [Nordatlantische Oszillation, Dezember-März] dargestellt (Schattenlinie) und der definierte SST-Dipol-Index, der ein Ausdruck der Meridionalen Overtuning Circulation (MOC) sei. In der Bildunterschrift wird erklärt, dass die Winter-NAO mit ca. einem Jahrzehnt die MOC anführt und wohl der treibende Faktor der MOC ist.

 

 

Abbildung 3 aus Latif et al. (2006)

 

Schreibt man die Beobachtung bis Ende 2012 bzw. 2013 für die NAO und die Meeresoberfächentemperatur fort, ergibt sich das nachfolgende Diagramm. Zusätzlich wurden in das Bild die Temperaturen der nördlichen Hemisphäre (NH, rot) 11-jährig geglättet aufgenommen.

Nordatlantische Oszillation (NAO, grau), Temperatur der nördlichen Hemisphäre (HadCRUT4 NH, rot), Latif’s “atlantischer Dipol” Parameter der Meeresoberflächentemperatur (Atlantic Dipole SST, blau, ungeglättet und 11-jährig geglättet)

 

Gut zu sehen ist, dass sich der Peak der NAO in 1992 mit 14 Jahren Verzögerung wie bereits 2006 vorhergesagt im Peak des atlantischen Dipols und in den Temperaturen der NH manifestiert. Der weitere Verlauf der NAO lässt den Schluss zu, dass sowohl der SST-Dipol als auch die Temperaturen der NH nicht weiter steigen werden, bis mindestens 2020.

In einer weiteren Arbeit aus 2008 legt das Team um Latif nach: Sie wagen eine Vorhersage und erklären:

„Our results suggest that global surface temperature may not increase over the next decade, as natural climate variations in the North Atlantic and tropical Pacific temporarily offset the projected anthropogenic warming.”

Oder hier nochmal Latif im Originalton auf deutsch in einem kürzlichen Interview im Deutschlandfunk auf die Frage, warum es denn in den letzten Jahren gar nicht mehr wärmer geworden ist:

Latif: Ja, das ist völlig normal. Ich selber habe ja in einer Studie im Magazin „Nature“ schon darauf hingewiesen 2008, dass es so eine Atempause geben wird. Das sind einfach die natürlichen Klimaschwankungen, die arbeiten mal mit, mal gegen die globale Erwärmung. Aber langfristig pendelt sich das aus und langfristig wird einfach die Temperatur ansteigen. Deswegen noch mal: Nächstes Jahr, übernächstes Jahr, das bedeutet gar nichts, selbst wenn die Temperatur nicht weiter steigen würde. Wir haben immer 2050, 2100 im Blick, das heißt die langfristige Entwicklung.

Ehring: Trauen Sie sich denn eine mittelfristige Prognose für die nächsten Jahre zu?

Latif: Nein. Da sind wir noch ganz am Anfang. Wie gesagt, ich habe es nur einmal probiert 2008, das scheint ja ganz in Ordnung gewesen zu sein, bisher jedenfalls. Wir haben gesagt, bis 2015 wird die Erderwärmung nicht weitergehen. Ich denke mal, dann werde ich mich aufraffen mit meinen Kollegen zusammen und dann werden wir wieder neue Prognosen machen. Mal sehen, wie es dann aussehen wird.

Es sei hier der Versuch unternommen, diese Aussagen zu verifizieren. Dazu wird die Temperaturentwicklung (HadCRUT4) von 1960-2012 untersucht und das mit dem Wachstum der CO2-Konzentration in der Luft verglichen. Ziel war es, diese Wirkung aus den beobachteten Daten herauszufiltern. Es handelt sich bei dieser Größe nicht um die Klimasensivität bis zum Gleichgewicht (die ECS- equilibrium climate sensitity ) sondern um die im klimatischen Sinne kurzzeitige Antwort der Temperaturen auf den Antrieb durch CO2 (die TCR- transient climate response). Es zeigt sich, dass dieser Wert bei ca. 1,4 liegt, eine Verdopplung des CO2-Gehaltes also eine Temperaturerhöhung von 1,4 Grad Celsius nach sich zieht.

Das passt sehr gut zu neueren Arbeiten (siehe den Beitrag  „Hinweise auf eine niedrigere CO2-Klimasensitivität verdichten sich: Drei neue Arbeiten erteilen den IPCC-Katastrophenszenarien eine Absage„), die die ECS bei 1,6-2,0 errechnen, jedenfalls deutlich unter dem Wert, den das IPCC bisher ansetzt, nämlich 3,2. Besonders interessant ist hier der Verlauf der Abweichungen der Residuen von der Temperaturantwort auf die nahezu lineare CO2- Steigerung:

Der Verlauf der 11-jährig geglätteten Residuen (blau), also der von der Wirkung des CO2- Anstieges bereinigte Verlauf der globalen Temperaturen  und der Verlauf der ebenfalls 11-jährig geglätteten MOC (rot), gemäß Latif et al. beschrieben durch den SST-Dipol, entwickeln sich parallel. Benutzt man jährliche Werte, also mit den hochfrequenteren Einflüssen durch ENSO und Vulkane stärker beaufschlagt, ergibt sich, dass die MOC die Abweichungen zu ca. 52% bestimmt. Differenzen gibt es bis etwa 1980, hier könnten z.B. Aerosole verstärkt abkühlend gewirkt haben. Der Verlauf der MOC wird wohl bestimmt durch die Winter-NAO mit einem Vorlauf von ca. 10 Jahren. Jedenfalls ist die Beschreibung des Temperaturverlaufes wie er beobachtet wurde nicht möglich, ohne die MOC  in Betracht zu ziehen. Sie liefert einen großen Anteil an der Temperaturentwicklung. Tut man dies, erklären sich Teile des  rasanten Anstiegs der globalen Temperaturen 1975 bis 2000 und das Verharren seitdem (bis wahrscheinlich 2020+): Der Effekt ist auf die Schwankungen der meridionalen Strömungen Süd-Nord zurückzuführen, die auch größtenteils bewirken, dass die Nordhalbkugel insgesamt schon seit Beginn von flächendeckenden Beobachtungen 1870 wärmer ist als die Südhalbkugel  (vgl. hierzu Kang & Seager).

Eine Konsequenz ist dann  jedoch auch, dass der Einfluss von CO2 auf längere Zeiten betrachtet wahrscheinlich bei 1,6-2,0 Grad Celsius pro CO2- Verdopplung liegt (ECS), auf kürzere Intervalle bis etwa 50 Jahre geblickt ist er noch niedriger (TCR). Extrapoliert man die Steigerung der CO2- Konzentration wie sie seit 1960 erfolgte (ca. 0,6% pro Jahr) kämen wir dann allerdings nur auf ca. 1,1 Grad Celsius Erwärmung durch die TCR in 2100 gegenüber 1960, also etwa 0,08K pro Dekade bei einer vermutlichen CO2- Konzentration von +74% zu 1960.

Es könnte an der Zeit sein, über die folgende Vorhersage des IPCC aus 2007 nachzudenken:

„For the next two decades, a warming of about 0.2°C per decade is projected for a range of SRES emission scenarios. Even if the concentrations of all greenhouse gases and aerosols had been kept constant at year 2000 levels, a further warming of about 0.1°C per decade would be expected.”

Der aufmerksame Leser hat vielleicht den Beitrag „Wer ist Schuld am Kältewinter? MPI-Studie weist eher auf die schwache Sonne anstatt des arktischen Meereises hin. Die Sonne im März 2013“ hier im Kalte-Sonne-Blog gelesen. Dort wurde die Frage gestellt, ob die Winter-NAO vielleicht mit der Sonnenaktivität verbunden sein könnte und auf die Arbeit von Lockwood et al. (2010) verwiesen. Die Autoren konnten einen gut begründeten Zusammenhang dokumentieren. Die Forschung ging weiter und im vergangenen Jahr fand eine Tagung des britischen MetOffice exklusiv zu der Frage „Solarer Einfluss auf die NAO!?“ statt, über die ausführlich berichtet wurde. Ausgehend von den UV- Messungen des Satelliten Sorce untersuchten die beteiligten Forscher den Mechanismus der Beeinflussung der Winter-NAO durch den solaren Output an ultravioletter (UV) Strahlung. In der Zusammenfassung kommen sie zu dem Ergebnis, dass Modelle diesen Zusammenhang sehr wahrscheinlich widerspiegeln.

Die Kette könnte sich dann so darstellen: Die UV-Strahlung der Sonne ist an ihre Aktivität gebunden. Zwischen dem Maximum und dem Minimum des letzten Sonnenzyklus war diese Variation 4 bis 6 Mal größer als angenommen. Eine schwache Sonne bewirkt eine negativere Winter- NAO durch schwächere UV-Abstrahlung. Mit einer Verzögerung von etwa 10 Jahren steuert die NAO die MOC und damit auch die Temperaturen der gesamten Nordhemisphäre der Erde. Mit der schwachen Sonne im aktuellen Solaren Zyklus SC24 und dem vermuteten weiteren Abflauen der Aktivität kämen dann eher kühlere Zeiten auf uns zu. Über die Quantitäten kann man wohl noch nichts sagen: Dafür gibt es kein Modell, und wir müssen uns auch ein wenig überraschen lassen. Bisher betrachtete das IPCC weder die Zyklen der MOC noch solare Einflüsse jenseits der Gesamtstrahlung der Sonne. Dass dies zu Fehlern in der Projektion führt, sollte auf der Hand liegen. Sie werden mit jedem Jahr mit ausbleibender Erwärmung deutlicher.