Tropfsteine stellen ein ausgezeichnetes Klimaarchiv dar. Lage für Lage wird der Kalk übereinander getürmt und speichert dabei wichtige Informationen über das jeweils herrschende Klima. Ein deutsches Forscherteam um Manfred Mudelsee hat nun die methodenbedingte Unschärfe dieser Rekonstruktionstechnik näher unter die Lupe genommen. Die Ergebnisse veröffentlichte die Gruppe Ende Mai 2012 im Fachmagazin Climate of the Past Discussions. Insbesondere ging es dabei um Messungenauigkeiten der Sauerstoff-Isotopen, die Interpretation der isotopen-chemischen Veränderungen als Klimaparameter wie Temperatur und Niederschlag sowie die Altersdatierung über die Uran-Thorium- und Radiokarbon-Methode.
Für ihre Studie analysierten die Forscher Schwankungen der Sauerstoff-Isotopen in drei Tropfsteinen aus zwei Karst-Höhlen im Sauerland, der Bunker Höhle und der Atta Höhle. Die in den Tropfsteinen gespeicherten Informationen decken die vergangenen 9.000 Jahre ab. Zum Vorschein kamen charakteristische Zyklen im Jahrhundert- bis Jahrtausend-Maßstab.
Über die Klimazyklen in der Bunker Höhle berichteten wir bereits in einem separaten Blogartikel (siehe Klimatanz in der Bunkerhöhle während der letzten 10.000 Jahre im Takte der Sonne). Die hier nachgewiesenen klimatischen Schwankungen verliefen interessanterweise parallel zu den Temperaturänderungen im Nordatlantik. Letztere wurden von einem Team um Gerard Bond vor mehr als zehn Jahren dokumentiert, wobei auffiel, dass sich die Klimawechsel synchron zu Änderungen der Sonnenaktivität ereigneten.
Mudelsee und seine Kollegen verglichen die Isotopenkurven der drei Tropfsteine und fanden die wichtigsten klimatischen Schwankungen in allen untersuchten Exemplaren in ähnlicher Weise wieder. Dies belegten sie mit statistischen Methoden. Während es Unterschiede im quantitativen Verlauf der Kurven gab, stimmten die Trends weitgehend überein. Dies weist auf die Beteiligung von lokalen Einflüssen hin, wohingegen das allgemeine Grundsignal durch einen überregionalen Faktor bestimmt wurde. Die Tropfstein-Methode konnte sowohl in der zeitlichen Auflösung als auch in der Reproduktion von Trends positiv punkten.
Im untersuchten Tropfstein-Klimaarchiv fanden die Forscher auch die Mittelalterliche Wärmeperiode sowie die Kleine Eiszeit wieder. Der Zeitpunkt der Mittelalterlichen Wärmeperiode variierte dabei jedoch zwischen den unterschiedlichen Tropfsteinen und Höhlen. Auch in Punkto Höhe des Wärmeplateaus gab es auffällige Unterschiede. In einem Tropfstein war die Mittelalterliche Wärmeperiode wärmer, in einem anderen kälter und in einem dritten auf einem ähnlichen Niveau wie heute. Auch dies weist auf den zusätzlichen Einfluss lokaler Klimafaktoren hin.
Die Ausprägung der Kleinen Eiszeit war in den untersuchten Tropfsteinen hingegen konsistenter. Die Autoren interpretieren die Erwärmung von der Kleinen Eiszeit bis zur heutigen Modernen Wärmeperiode als Fortsetzung der natürlichen Schwankungen, welche ab 1850 jedoch durch anthropogene Einflüsse verstärkt wurde.
Abbildung: Atta Höhle (Wikipedia)
Anmerkung: In der ursprünglichen Version des Blogartikels war fälschlicherweise die Uran-Blei anstatt Uran-Thorium als Altersdatierungsmethode genannt worden. Dieser Fehler ist jetzt korrigiert. Danke an Manfred Mudelsee und Georg Hoffmann für den Hinweis. Die Kritik an der Zykleninterpretation ist hingegen nicht überzeugend, insbesondere da ein anderes Paper am z.T. gleichen Probenmaterial einen klaren Zusammenhang mit der solar-getriebenen Bond-Zyklik nachweisen konnte.