Gastbeitrag von Walter Fett
Auch in der Wissenschaft gibt es Klatsch, beispielsweise den Soziologenklatsch, Medizinerklatsch, Psychoanalytikerklatsch, Universitätsklatsch, aber nicht den Meteorologenklatsch. Das wollte Walter Fett in einem Essay nachholen. – Wozu aber überhaupt Klatsch, wenn er seinem Wesen nach doch vornehmlich Nachteiliges transportiert? Jedoch werden im Klatsch schöpferische Kräfte frei. Er ist zutiefst menschlich und entlastet die sonst schweigende Mehrheit, indem gestaute Ressentiments in wohldosierten Quanten entspannend abgelassen werden, am ergiebigsten in feuchtfröhlicher Runde. Auch dient er der Nivellierung von Macht- und Statusunterschieden! Klatschen ist also nicht nur die – immerhin gehobene – Form des Schwätzens und Stänkerns. Eine gemeinsame Berufsgruppe mit der Vertrautheit der Branche ist am kreativsten. In diesem Sinne, wo auch ein gelegentlicher Mangel an Gerechtigkeit durch Humor ausgeglichen sein sollte, möge auch der hier ausgewählte Abschnitt, der speziell die Klimatologen unter den Meteorologen betrifft, goutiert werden:
„Man klatscht also nur untereinander, so eben auch nur unter Meteorologen. Nun wiederum: in welcher Differenzierung führen sie sich einander vor? Die ursprünglichste und zunächst vorherrschende war die zwischen Meteorologen und Klimatologen. Waren letztere anfangs etwa nichts weiter als nur eine, wenn auch leider notwendige, Untergruppe, gar Nebengruppe der ersteren, ein Sammelbecken für veranschaulichende Buchhalter und deskriptivierende Rechenknechte mit langem Atem? Und waren demgegenüber für Klimatologen die Synoptiker nur kurzatmig hinter dem Wetter Herhechelnde bzw. vom Volk bedrängte Voraushetzende? Doch das hat sich längst geändert: Klimatologen rekrutieren sich fast selbstvermehrend – und zunehmend auch aus fremden Fächern als Quereinsteiger – in ein staatlich über die Maßen gefördertes und damit Budget-gesichertes Terrain von (elfenbein)turmhohem gesellschaftspolitischem Ansehen und von sogar quasi glaubenskirchlicher Anerkennung getragen. Klimatologen – auch vom inzwischen weltumspannenden Mahnen-Gehabe her, das über alle historischen Horizonte hinausweist und darum schon für die Gegenwart unbeschreibliche – innere wie äußere – Zuwendung(en) einfordert: die Zeugen Jehovas der Meteorologie? Gar die Un-Heilpraktiker unserer Wissenschaft? Gibt es inzwischen einen Anerkennungskampf zwischen – versinnbildlicht gesprochen – „Wetter-Fröschen“ und „Klima-Unken“, also den nur Vorübergehendes Ankündigenden und den bedrohlich Bleibendes Verheißenden? Letztlich möchte jedoch keiner von ihnen als Klimakriegsgewinnler angesehen werden.
Im Falle eines Misserfolgs werden z.B. Synoptiker ziemlich umgehend, d.h. bei berufslebendigem Leibe, abgestraft (zumal als chronische Wiederholungstäter), während es langzeitig prognostizierenden Klimatologen allenfalls erst zur Pensionszeit treffen würde – und dann praktisch gar nicht mehr. Es ist ja ohnehin nur von Projektionen (=Vorher[ver]sagen mit Copyright?) die Rede gewesen. Das macht manch solcherart faktenresistente Kollegen mutig bis verlockend leichtsinnig; das bestimmt dann halt gelegentlich auch eine fragliche Nachhaltigkeit ihrer Aussagenqualität und Akzeptanz: für die Synoptiker wohl aber nur ein schwacher Trost. Letztere nun sagen sich aber: Würde unsereins nicht jeden Tag Neues vom Wetter sagen, wer würde dann die täglich und inzwischen ewig gleichbleibenden Klimaprognosen noch hören wollen? Früher konnte der Klimatologe nur nüchtern bilanzierend zurückblicken. Heute schaut er warnend voraus: Neo-Klimatologie (endend erst mit der Post-Klimatologie). Und gegenüber dem oft ernüchternden Blick in die Vergangenheit ist ja der Blick in die Zukunft stets faszinierender und das Ansehen des in die Ferne Weisenden wesentlich erhebender. Schließlich zollt man auch dem Propheten beneidenswert mehr Aufmerksamkeit – und damit auch mehr Forschungsmittel! – als dem Historiker. Nun gut: die Menschen sind nun mal so. Also erstmal über sie klatschen, sie dann halt dem Zeitgeist gemäß respektieren. Schließlich vermögen sowohl Synoptiker (gelegentlich) als auch Klimatologen (dauerhaft) unser Leben zu komplizieren und unsere Hoffnungen zu vergällen.“
Zum Troste der sich besonders betroffen Fühlenden: Auch die Fernseh-, Medizin-, Hydro- und Umweltmeteorologen, die Theoretiker, Bioklimatologen und etliche andere Spezialisten der Meteorologie werden nicht ohne Ironie, doch ebenfalls wohlwollend vergnüglich beleuchtet, wie hier als Vollversion im Essay Meteorologen-Klatsch, veröffentlicht in den Mitteilungen der Meteorologischen Gesellschaft 01/2012 (kostenloses pdf ab Seite 19), zu lesen ist. Das sollten Sie sich auch noch gönnen!