Kohlendioxid ist König. Der IPCC kann sich daher kaum vorstellen, dass irgendein natürlicher Klimafaktor an die Klimapotenz des CO2 heranreichen könnte. Da war es logisch, dass eine Forschergruppe um Friederike Wagner 2002 im Fachmagazin PNAS eine Arbeit herausbrachte, die ein bedeutendes Abkühlungsereignis vor 8200 Jahren mit dem Rückgang der atmosphärischen CO2-Konzentration zu erklären suchte. Die Kohlendioxidwerte hatte man damals anhand von Spaltöffnungen an Blättern rekonstruiert. In der Kurzfassung der Arbeit war damals zu lesen:
By applying the inverse relation between numbers of leaf stomata and atmospheric CO2 concentration, stomatal frequency analysis of fossil birch leaves from lake deposits in Denmark reveals a century-scale CO2 change during the prominent Holocene cooling event that occurred in the North Atlantic region between 8,400 and 8,100 years B.P. In contrast to conventional CO2 reconstructions based on ice cores from Antarctica, quantification of the stomatal frequency signal corroborates a distinctive temperature–CO2 correlation. Results indicate a global CO2 decline of ≈25 ppm by volume over ≈300 years. This reduction is in harmony with observed and modeled lowering of North Atlantic sea-surface temperatures associated with a short-term weakening of thermohaline circulation.
Mehr als zehn Jahre später hat sich die Einschätzung der Situation nun um 180° gedreht. Da man den Spaltöffnungen als Basis für CO2-Konzentrationen allgemein mißtraut, hat man im grönländischen Eisschild lieber noch einmal einen Eiskern gezogen, um die CO2-Werte dieser Zeit direkt in den im Eis eingeschlossenen Luftbläschen nachzumessen. Die Überraschung war groß, als anstatt eines drastischen Rückgangs vielmehr eine leichte Zunahme der CO2-Konzentration vor 8200 Jahren festgestellt wurde. Die beobachtete Kältephase hat daher offenbar rein gar nichts mit dem CO2 zu tun. Die spektakulären Ergebnisse der Polarforschergruppe bestehend aus Jinho Ahn, Edward Brook und Christo Buizert befinden sich derzeit im Druck in den Geophysical Research Letters. Hier die Kurzfassung der Arbeit im englischen Original:
Atmospheric CO2 records for the centennial scale cooling event 8200 years ago (8.2 ka event) may help us understand climate-carbon cycle feedbacks under interglacial conditions, which are important for understanding future climate, but existing records do not provide enough detail. Here we present a new CO2 record from the Siple Dome ice core, Antarctica, that covers 7.4-9.0 ka with 8- to 16-year resolution. We observe a small, about 1-2 ppm, increase of atmospheric CO2 during the 8.2 ka event. The increase is not significant when compared to other centennial variations in the Holocene that are not linked to large temperature changes. Our results do not agree with leaf stomata records that suggest a CO2 decrease of up to ~25 ppm and imply that the sensitivity of atmospheric CO2 to the primarily northern hemisphere cooling of the 8.2 ka event was limited.
Wenn es nicht das omnipotente CO2 gewesen ist, was mag dann zur außergewöhnlichen Kälte geführt haben? Leser unseres Blogs wissen es bereits. In unserem Blogartikel „Wurde die Kältephase vor 8200 Jahren durch eine Sonnenflaute ausgelöst?“ hatten wir drei Studien zitiert, die die Abkühlung im Zusammenhang mit einer reduzierten Sonnenaktivität interpretiert hatten. Hierzu gehört unter anderem eine Arbeit einer Forschergruppe von der Universität Innsbruck um Werner Kofler, die sie 2005 im Fachjounal The Holocene veröffentlicht hatten. Möglicherweise wurde der solare Taktgeber durch Änderungen in der atlantischen thermohalinen Zirkulation verstärkt, schrieben die Autoren damals. Zuvor hatte 2004 auch ein schweizerisches Wissenschaftlerteam in einem Paper in den Quaternary Science Reviews über die Beteiligung der Sonne an diesem Temperaturabsturz spekuliert. Zu dieser Gruppe gehörte auch Raimund Muscheler und Jürg Beer, die bereits Co-Autoren einer Pionier-Arbeit aus dem Jahr 2001 unter Federführung von Gerard Bond waren. Die Studie hatte einen starken Rückgang der Sonnenaktivität vor 8200 Jahren dokumentiert und einen signifikanten Zusammenhang zwischen Klima und Sonne postuliert.