In unserem Buch „Die kalte Sonne“ sowie in einer Vielzahl von Blogbeiträgen konnten wir zeigen, dass die aktuellen IPC-Klimamodelle nicht in der Lage sind, die Temperaturentwicklung der letzten 10.000 Jahre wiederzugeben. Während die globalen Temperaturen im Millenniumstakt parallel zur Sonnenaktivität um ein bis zwei Grad schwankten, besitzt die Sonne in den aktuellen Klimasimulationen nur eine fast zu vernachlässigende Klimawirkung. Wenn Modelle jedoch nicht in der Lage sind, die Vergangenheit zu rekonstruieren, sollte auch ihre Prognosefähigkeit für die Zukunft ernsthaft in Frage gestellt werden.
Aus diesem Grund kommentierten wir bereits im Februar 2012 die neuen Modellierungsergebnisse des Hamburger Max-Planck Instituts für Meteorologie (MPI-M) um Jochem Marotzke in kritischer Weise (siehe unser Blogartikel „Zwei Jahre umsonst gerechnet: Schade um die verlorene Rechenzeit“). Zudem berichteten wir im April 2012 über eine neue Studie unter Federführung des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts, in dem gezeigt werden konnte, dass die aktuellen Klimamodelle nicht in der Lage sind, die Temperaturgeschichte der vergangenen 6000 Jahre zu reproduzieren (siehe unser Blogartikel „Neue AWI-Forschung bestätigt: Klimamodelle können die Temperaturen der letzten 6000 Jahre nicht reproduzieren“).
Nun haben sich die Hinweise auf grobe Unzulänglichkeiten in den Modellierungen weiter verhärtet. Ende Juni 2012 erschien im Fachmagazin Climate of the Past Discussions eine neue Studie eines Teams um Oliver Bothe vom MPI-M. Mithilfe von statistischen Methoden verglichen die Wissenschaftler Simulationsergebnisse aus Computermodellen die am MPI-M angefertigt wurden (Jungclaus et al. 2010) mit einer Temperaturrekonstruktion der nördlichen Hemisphäre (Frank et al. 2010). Dabei betrachtete das Team die letzten 1000 Jahre.
Die Ergebnisse waren ernüchternd. Die Kurven aus den verschiedenen Simulationsläufen streuten stark, und auch der Verlauf passte an vielen Stellen nicht mit der Temperaturrekonstruktion zusammen (Abbildung 1). Die Autoren um Oliver Bothe stellen in ihrer Arbeit fest:
„Die fehlende Übereinstimmung in unseren Analysen zeigt auf Basis der von uns untersuchten Datensätze an, dass für die Klimaentwicklung kein „Wahrheits-Status“ sowohl in räumlicher als auch in zeitlicher Hinsicht angenommen werden kann. Daher kann die Genauigkeit von Rekonstruktionen und Simulationen für vor-instrumentelle Zeiten noch immer nicht in verlässlicher Weise bewertet werden.“
Abbildung 1: Hockeystick-ähnliche Temperaturrekonstruktion für die nördliche Hemisphäre nach Frank et al. (2010) (schwarze Kurve) im Vergleich zu Simulationsresultaten (rot: schwache Sonne, blau: starke Sonne). Es ist keine gute Übereinstimmung festzustellen. Abbildung aus Bothe et al. 2012.
Die Modellierungsergebnisse passen also wieder einmal nicht zum rekonstruierten Temperaturverlauf, wie bereits vermutet. Ein interessantes Ergebnis, könnte man meinen. Schaut man sich jedoch die im Paper verwendeten Basisdaten etwas genauer an, wird schnell klar, dass es bereits mit den Grundannahmen der Arbeit massive Probleme gibt.
Als Temperatur-Referenzkurve ziehen Bothe und seine Kollegen eine hockeystick-ähnliche Kurve einer schweizerisch-deutschen Gruppe um David Frank heran, die diese 2010 in Nature für die nördliche Hemisphäre veröffentlicht hatten (Abbildung 2). Wie auch bereits beim unrühmlichen Hockeystick-Vorgänger, sind die Temperaturfluktuationen in der Frank-Kurve während der vorindustriellen Phase des letzten Jahrtausends minimal. Der Temperaturunterschied zwischen Mittelalterlicher Wärmeperiode und Kleiner Eiszeit beträgt nur magere 0,3 Grad. Das ist sogar weniger als Michael Mann und Kollegen im Jahre 2009 in einer Science-Publikation für die nördliche Hemisphäre annehmen. Dort beträgt der Unterschied etwa 0,5°C. Zum Vergleich: Realistischere Rekonstruktionen wie etwa die von Fredrik Ljungqvist aus dem Jahre 2010 nehmen für die (außertropische) nördliche Hemisphäre einen Unterschied von 0,9°C an (siehe zweite Abbildung in unserem Meeresspiegel-Blogartikel).
Abbildung 2: Hockeystick-ähnliche Temperaturkurve aus Frank et al. (2010).
Die Verwendung einer Hockeystick-ähnlichen Temperaturkurve in einer Vergleichsstudie wie sie von Bothe und Kollegen durchgeführt wurde, ist höchst fragwürdig. Mittlerweile muss es als erwiesen angesehen werden, dass es in den vergangenen Jahrtausenden signifikante Temperaturschwankungen von mindestens einem Grad gegeben hat, lange bevor menschengemachtes, industrielles CO2 die Bühne betrat. Da die Kohlendioxidkonzentration während dieser Zeit weitgehend stabil war, kann CO2 offensichtlich keine großen Klimaveränderungen in der vorindustriellen Zeit verursacht haben. Aus diesem Grund scheinen flache, ereignislose Temperaturkurven bei Modellierern besonders beliebt zu sein. Warum haben die Autoren nicht die realistischere Temperaturrekonstruktion von Fredrik Ljungqvist verwendet? Die Diskrepanz zwischen Modell und Realität wäre sehr viel deutlicher gewesen.
Aber es gibt auch größere Probleme mit dem in der Bothe-Studie verwendeten Klimamodell. Eine Gruppe um Johann Jungclaus hatte dieses im Jahr 2010 in der gleichen Zeitschrift veröffentlicht. Jungclaus ist übrigens auch in der Bothe-Studie als Co-Autor beteiligt. In der Modellierung nehmen die Autoren in guter IPCC-Manier eine hohe Klimasensitivität für das CO2 an. Die Sonne hingegen hat kaum eine Wirkung. Zwar unterscheiden sie eine „starke“ und eine „schwache“ Klimawirkung der Sonne. Jedoch werden in keinem der beiden Szenarien Solarverstärker angenommen, die allerdings auf jeden Fall notwendig wären, um die solar-synchrone Temperaturachterbahn der geologischen Vergangenheit zu erklären. Die Jungclaus-Gruppe unterscheidet die zwei Sonnenwirkungen lediglich auf Basis unterschiedlicher Rekonstruktionen der Sonnenaktivität. Letztendlich kann die Sonne damit allerdings nur wenige zehntel Grad Einfluss nehmen, was viel zu wenig und unrealistisch ist, wenn man sich näher mit den Daten der Vergangenheit beschäftigt hat. Im Prinzip müsste die korrekte Bezeichnung im Jungclaus Paper „schwache“ und „sehr schwache“ Sonnenwirkung lauten.
Aber wie bekommt das Team um Jungclaus dann eigentlich die leichte Abkühlung während der Kleinen Eiszeit im Modell hin? Hier werden sehr starke und ständig spuckende Vulkane bemüht. Auch dies sehr unrealistisch. Nachdem der ursprüngliche Hockeystick kollabiert war, waren Vulkane die einzige Rettung, um die Temperaturen ohne Sonne runter zu bekommen. Eine höchst fragliche Methode wie wir in unserem Blogartikel „Die Kleine Eiszeit als weltweite Kältephase: Welche Rolle spielten die Vulkane?“ zeigen konnten. Nach der Jungclaus-Interpretation spielt die langandauernde, bekannte Sonnenflaute nur eine untergeordnete Rolle für das Klimageschehen. Was für ein großer Zufall, dass sich die Kälte der Kleinen Eiszeit just während einer Phase mit sehr geringer Sonnenaktivität abspielte. Und auch die etwa neun anderen „Kleinen Eiszeiten“ in den vorangegangenen Jahrtausenden fielen stets in solar inaktive Perioden. Es wäre schlicht unwissenschaftlich, jedes Mal Vulkane als Erklärung aus dem Hut zu zaubern. Jungclaus und Kollegen versuchen die große Vulkanabhängigkeit in ihrem Paper übrigens nicht zu verbergen und schreiben explizit:
„Vulkanausbrüche sind notwendig um Variationen des vorindustriellen Klimas zu erklären, wie etwa die Kleine Eiszeit.“
Fazit: Zwar ist es zu begrüßen, dass die Bothe-Gruppe Probleme bei den Modellen im Realitätsabgleich einräumt. Jedoch sind die in der Studie verwendeten Basisdaten höchst fragwürdig. Sowohl die hockeystick-ähnliche Temperaturkurve als auch die vulkanlastigen, sonnenfeindlichen Simulationsmodelle erscheinen wirklichkeitsfremd.