Wenn es nach den Vorstellungen einiger professioneller Katastrophisten geht, dann wird der Klimawandel in den kommenden Jahrzehnten zu einem wahrhaftigen Massaker führen. Keine schöne Vorstellung. Aber für eine schicke Schlagzeile in der Bildzeitung passt es allemal. Am 13. Mai 2013 meldete Deutschlands größte Tageszeitung:
Schock-Studie: Klimawandel raubt jedem dritten Tier Lebensraum
Über 50 Prozent der häufigsten Pflanzenarten und 35 Prozent der Tierarten werden bis 2080 die Hälfte ihres Lebensraumes verlieren. Der Grund: Steigende Temperaturen bis zu vier Grad bis zum Ende des 21. Jahrhunderts – durch den Ausstoß von Treibhausgasen. Das berichten Wissenschaftler der Universität von East Anglia (Großbritannien) in der Fachzeitschrift „Nature Climate Change“. In der Studie betrachteten die Wissenschaftler 48 786 Arten. Besonders gefährdet sind Pflanzen, Amphibien und Reptilien. Sie können sich nicht schnell genug an die veränderten Lebensbedingungen anpassen.
Bild suggeriert uns hier unterschwellig, dass es ein großes Artensterben geben wird. Aber wie passt dies eigentlich mit den Ergebnissen früherer Studien zusammen, die eher eine Zunahme der Artenvielfalt mit steigenden Temperaturen vorhersagten (siehe unseren Blogartikel „Ökosysteme reagieren auf Klimaerwärmung durch Zunahme der Artenvielfalt„)? Die Bildzeitung berichtet unbeirrt weiter:
Afrika unterhalb der Sahara, Zentralamerika, das Amazonas-Gebiet und Australien sind am stärksten betroffen.
Klimawandel-Massaker im Amazonas? Auch hier scheint in der Argumentation einiges schief zu laufen. In den vergangenen Monaten gab es gleich drei neue Studien, die dem Amazonas eine robuste Gesundheit auch in Zeiten des Klimawandels bescheinigten. Der Regenwald reagiert offenbar viel toleranter und resistenter auf Temperaturanstiege als noch zuvor angenommen (siehe unseren Blogbeitrag „Drei neue Studien dokumentieren: Der Amazonas Regenwald würde sogar die IPCC-Hitzeprognosen gut meistern„). Die Bildzeitung schreibt weiter:
Auch in Deutschland sind einheimische Pflanzen von der Klimaerwärmung bedroht: Die Fichte ist beispielsweise an kühle und luftfeuchte Bedingungen gewöhnt, durch zunehmend trockenere und wärmere Luft ist sie anfälliger für Schädlinge.
Oh, die Fichte. Sie wird sich ganz besonders gefreut haben, dass die Temperaturen in Deutschland seit nunmehr 15 Jahren kein einziges Zehntelgrad angestiegen sind. Hat der Bildredakteur gar nicht mitbekommen, dass es der Fichte wie auch nahezu allen anderen Baumarten in Deutschland mittlerweile sehr viel besser geht als noch vor einigen Jahren (siehe unseren Blogbeitrag „Die Nachricht die keine Zeitung im Titel sehen will: Dem deutschen Wald geht es wieder besser„)? Vorschlag zur Güte an Bild: Um diese Recherchepanne auszugleichen, wie wäre es mal mit einer Titelschlagzeile wie „Auferstanden von den Halbtoten: Der deutsche Wald lebt!“, oder etwa „Deutscher Wald ist einfach geil: Mit jedem Tag etwas stärker“. Stöbern wir zuvor jedoch noch etwas weiter im aktuellen Bild-Artikel:
Dr. Rachel Warren, Autorin der Studie, erklärte, dass ihre Prognosen vermutlich noch optimistisch sind, da in der Untersuchung nur die steigenden Temperaturen berücksichtigt werden. Wirbelstürme oder Überschwemmungen als Auswirkungen des Klimawandels wurden außen vor gelassen.
Wie meint Dr. Rachel das eigentlich? Mittlerweile ist doch eigentlich Konsens, dass es auch bei einer weiteren Erwärmung wohl nicht zu häufigeren Wirbelstürmen kommen wird (siehe unsere Blogbeiträge „Neue Klimamodellierung findet langfristige Abnahme der Hurrikan-Häufigkeit“ und „Björn Lomborg: Wirbelstürme lassen sich nicht durch Senkung der CO2-Emissionen bändigen„). Vielmehr scheint die Wirbelsturmhäufigkeit mit natürlichen Zyklen zusammenzuhängen, vor allem den Ozeanzyklen und der Sonnenaktivität (siehe Poore et al. und unseren Blogbeitrag „Natürliche Variabilität: Wirbelstürme an der mexikanischen Pazifikküste pusteten im Takt des solaren Schwabe-Zyklus„).
Neben Bild sind eine ganze Reihe anderer Medien auf die fragwürdige Studie in Nature Climate Change hereingefallen, darunter RTL, Der Standard und der Focus. Gibt es im modernen Medienalltag denn wirklich keine Zeit mehr für einen kritischen Faktencheck?