Kiribati geht unter – oder vielleicht doch nicht?

In Vorbereitung auf die UN-Klimaonferenz in Doha hat sich Die Zeit an Kiribati erinnert. Die Sintflut in der Südsee ist immer eine tolle Story. Das schürt Urängste und Schuldgefühle. Eine Supersache. Klappt immer. Die Zeit macht sich also ans Werk und schreibt am 16.11.2012:

KLIMAWANDEL: Die sterbenden Inseln von Kiribati

Für Kiribatis Präsidenten ist der Untergang des Inselstaats nur eine Frage der Zeit. Nicht nur der Klimawandel gefährdet das Land, längst leben zu viele Menschen dort.

Hunderte Meter lange Sandstrände, Kokospalmen im Wind, keine Industrie, kaum Autos – auf den ersten Blick erfüllt der schmale Pazifikstaat Kiribati alle Klischees eines Südseeparadieses. Der Schein trügt aber. Die mit Fäkalien verseuchten Strände stinken, Abfall türmt sich überall, Autowracks liegen an der Straße. Die 30 Kilometer lange durch Dämme verbundene Inselkette Tarawa, die als Hauptstadt dient, ist überbevölkert. Es gibt kaum Jobs, alles ist teuer und die meisten Menschen sind bitterarm. Die Folgen des Klimawandels geben dem Land den Rest. Unberechenbare Stürme häufen sich. Erosion frisst das spärliche Land. Der Untergang scheint vorprogrammiert. […] Der Präsident macht sich keine Illusionen. Sein Land gehe unter, sagt er. Große Hoffnungen in die UN-Klimakonferenzen, deren nächste am 26. November in Doha (Katar) startet, setzt er nicht. Vielmehr hat er für das Volk schon 2.400 Hektar Land ein paar Flugstunden weiter auf den Fidschi-Inseln gekauft. „Wir müssen uns vorbereiten.“ Mitte des Jahrhunderts, ist er überzeugt, dürfte seine Inselkette untergehen.

Kiribati wird untergehen, lässt Die Zeit den Präsidenten sagen. Selber hütet sie sich davor, dies zu bestätigen. Denn eine wissenschaftliche Studie hatte 2010 gefunden, dass das genaue Gegenteil der Fall ist. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Fläche von Kiribati nämlich sogar vergrößert, wie der Focus damals berichtete:

„Eine Studie von Meeresforschern der neuseeländischen Auckland University hatte unlängst gezeigt, dass die Fläche vieler Südseeinseln – darunter solche in Tuvalu und auch in Kiribati – in den vergangenen 60 Jahren sogar zunahm. Eine von ihnen wuchs sogar um 30 Prozent, und die drei am dichtesten besiedelten Inseln Kiribatis Betio, Bairiki und Nanikai gewannen zwischen 12,5 und 30 Prozent an Fläche. Nur vier kleinere Inseln verloren Teiles ihres Lands an die See. Laut dem Studien-Hauptautor Paul Kench wird mehr Material von dem Korallenriff angespült, das die Eilande gewöhnlich umgibt. Weil die Korallen dem steigenden Meeresspiegel hinterher wachsen, gibt es für den Prozess laufend Nachschub.“ 

Vermutlich kennt auch Die Zeit diese Studie. Trotz Meeresspiegelanstieg haben sich viele pazifische Koralleninseln in den letzten Jahren und Jahrzehnten vergrößert, insbesondere in Kiribati. Die zitierte Studie von Paul Kench und Arthur Webb erschien im Fachmagazin Global and Planetary Change. Aus welchem Grund verschweigt Die Zeit diese Studie ihren Lesern? Hätte dies die Vorfreude auf den Doha-Klimagipfel getrübt? Journalistenethisch ist dies nicht korrekt. Stattdessen stellt Die Zeit dem Präsidenten von Kiribati einen kostenlosen Werbeblock zur Verfügung, in dem er nun endlich Hilfsgelder einfordert. Die Zeit schreibt:

Präsident Tong ist einer der Wortführer in der Klimaschutzdebatte. „Die Länder, die es in den vergangenen Jahrzehnten zu Reichtum gebracht haben, haben eine Verpflichtung“, sagt er.  Sein Land braucht Geld zum Überleben, um die Küsten zu verstärken, um Schutzwälle zu bauen, um Dörfer vom Strand weg zu verlegen, und um die Menschen auszubilden, damit sie in fremden Ländern Chancen haben. Aber Geld komme kaum, sagt der Präsident. „So ist die menschliche Natur: Man ist schockiert, wenn man ein Desaster sieht, aber wenn man das Elend der Betroffenen nicht wirklich fühlt, kümmert sich niemand. Regierungen haben kein Mitgefühl, sie haben Wahlen.“

Hier geht es vor allem um Geld, und da kommt die vermeintliche Klimakatastrophe sehr gelegen, um die Gelder fließen zu lassen. Wir haben uns mit Kiribati, Bangladesch und anderen vermeintlich untergehenden Inseln bereits in unserem Blogbeitrag „Bangladesch und die Pazifikinseln wachsen trotz steigendem Meeresspiegel: Klimamodellierer benötigen dringend Nachhilfe in Geologie“ eingehend beschäftigt. Vielleicht nimmt sich auch einmal Die Zeit die Zeit, in diesen Artikel reinzuschauen. Das wäre schön.

 

Der Zeit-Beitrag ist übrigens auch auf ntv zu bestaunen.
Siehe auch Blogartikel auf Donner + Doria.