Paläontologen sind Fossilforscher und im Grenzbereich zwischen Geowissenschaften und Biologie angesiedelt. Seit 20 Jahren macht sich die Paläontologie große Sorgen um ihre Zukunft. Andere Disziplinen wurden als nützlicher angesehen, ganz besonders die Klimawissenschaften, in die auch immer größere Fördersummen abflossen. Wie kann man die Paläontologie wieder attraktiv machen und in der Öffentlichkeit präsentieren? Wie kommen die Fossilprofis aus der verstaubten Dinosaurierecke heraus, die seit Erfindung von Pokemon-Go nicht einmal mehr die Kiddies interessiert.
Der Paläontologe Jens Zinke von der Freien Universität (FU) Berlin hat es jetzt einmal versucht. Mit einer provokativen Pressemitteilung vom 24. August 2016 zog er für wenige Tage die weltweite mediale Aufmerksamkeit auf sich. Geschafft hat er dies mit einer kruden These, die Wasser auf die Mühlen der klimaalarmistischen Bewegung war:
Der Klimawandel begann schon vor 180 Jahren
Industrielle Revolution trug bereits spürbar zur Erderwärmung bei, zeigt eine Studie
Der Klimawandel hat schon vor 180 Jahren begonnen und somit viel früher als bisher vermutet. Das fand jetzt ein internationales Forscherteam heraus. Um den frühesten Zeitpunkt der Erderwärmung festzustellen, untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf der nördlichen und der südlichen Erdhalbkugel sowohl zu Land als auch in den Ozeanen sogenannte natürliche Klimaarchive der vergangenen 500 Jahre, also tropische Korallen, Sedimentkerne, Stalagmiten, Baumringe und Eiskerne. Darüber hinaus analysierten sie Modelle über die Klimaentwicklung von mehreren Tausend Jahren. „Die Untersuchungen zeigen, dass schon die frühe Erderwärmung in Zusammenhang mit der steigenden Konzentration von Treibhausgasen als Folge der industriellen Revolution steht“, sagt Dr. Jens Zinke, Paläontologe an der Freien Universität Berlin und Ko-Autor der Studie, die in der Fachzeitschrift Nature erschienen ist.
Zu Beginn der industriellen Revolution sei noch eine vergleichsweise geringe Menge von Treibhausgasen ausgestoßen worden, die aber dennoch nachweislich zum Einsetzen der Erderwärmung beigetragen habe, erklärt Zinke. Vulkanische Eruptionen, die im frühen 19. Jahrhundert häufig vorkamen, haben den Beginn der Erwärmung der Studie zufolge nur in geringem Maße beeinflusst.
Die Untersuchung zeigt, dass die Erwärmung in den 1830er Jahren zuerst in der Arktis und in den tropischen Ozeanen begann, gefolgt von Europa, Asien und Nord-Amerika. Die Erwärmung großer Teile der Südhemisphäre erfolgte scheinbar erst bis zu 50 Jahre später. Die Ursachen dafür könnten nach Einschätzung der Wissenschaftler in den regional sehr unterschiedlichen Ozeanströmungen liegen: Die warmen Wassermassen werden auf natürliche Weise nach Norden abtransportiert und damit weg von der Antarktis. Für genauere Aussagen, etwa zur Erwärmung der Antarktis, sei die Datenlage jedoch noch zu unsicher.
„Bisher basierte ein Großteil der Datenlage auf Untersuchungen der nördlichen Hemisphäre, sagt Jens Zinke. Nun seien zum ersten Mal Klimaarchive vom Land und aus den Ozeanen von der Nord- und Südhemisphäre gleichzeitig analysiert worden. „Wir konnten auf zeitlich sehr detaillierte Klimaarchive sowohl der tropischen und extratropischen Ozeane – also der Ozeane innerhalb und außerhalb der Wendekreise – als auch beider Erdteile zurückgreifen.“
Zinke selbst untersucht tropische Korallen aus dem Indischen Ozean, der Karibik und aus dem Indonesischen Archipel, und rekonstruiert die Ozeantemperaturen der vergangenen 400 Jahre. Seine Daten wurden ebenfalls in die Analyse einbezogen. „Tropische Korallen wachsen bis zu 400 Jahre lang kontinuierlich. Durch ihr schnelles Wachstum von ein bis zwei Zentimetern pro Jahr kann man sie Monat für Monat über viele Dekaden und Jahrhunderte hinweg analysieren“, sagt Jens Zinke.
Die Ergebnisse der internationalen Studie, die unter der Leitung von Dr. Nerilie Abram von der Australian National University in Canberra durchgeführt wurde, liefern wichtige Erkenntnisse hinsichtlich des Einsetzens von menschlichem Einfluss auf das Klima der Erde. Sie zeigen, dass der Klimawandel nicht allein ein Phänomen des 20. und 21. Jahrhunderts ist, sondern dass man mindestens 180 Jahre zurückblicken muss, um die Erwärmung unseres Planeten und seine Ursachen zu erfassen. Damit beeinflussen sie auch Vorhersagen über den zukünftigen Klimawandel.
Jens Zinke ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geologische Wissenschaften der Freien Universität Berlin und Mitglied des internationalen Past Global Changes 2000 Year (PAGES 2K)-Konsortiums, unter dessen Schirmherrschaft das 25-köpfige Forscher-Team aus Australien, den USA, Europa und Asien zusammengearbeitet hat.
Die Publikation: Nerilie J. Abram, Helen V. McGregor, Jessica E. Tierney, Michael N. Evans, Nicholas P. McKay, Darrell S. Kaufman & the PAGES 2k Consortium, Early onset of industrial-era warming across the oceans and continents, in Nature 536, 411–418 (25 August 2016) doi:10.1038/nature19082
Wir haben hier bewusst die vollständige Pressemitteilung wiedergegeben. Zunächst einmal haben die Forscher etwas „entdeckt“, was bereits lange bekannt war: Gegen Ende der Kleinen Eiszeit hat sich die Erde erwärmt. Genau genommen „wiedererwärmt“. Die Kleine Eiszeit war eine natürliche Kältephase, kälter als kaum eine andere Zeit der vergangenen 10.000 Jahre. Da wäre es schon schlimm, wenn die Erde im Klima der Kleinen Eiszeit stehengeblieben wäre. Die Wiedererwärmung ist daher zunächst ein natürlicher Rebound, ein Zurückschnellen hin zu „Normaltemperaturen“. Wenn man klimahistorisch zurückblickt, wird die Zyklik klar: Römische Wärmephase, Kälte der Völkerwanderungszeit, Mittelalterliche Wärmeperiode, Kleine Eiszeit und Moderne Wärmeperiode. Das hätte Dr. Zinke doch eigentlich in seiner Pressemitteilung mitdiskutieren müssen. Er zog es jedoch vor, den Kontext zu verschweigen. Die Wiedererwärmung nach der Kleinen Eiszeit nun dem CO2 anzulasten ist ein dolles Ding. Kein Wort zu einer möglichen Aufteilung von natürlichen vs. anthropogenen Klimafaktoren.
Auf WUWT, Climate Audit und Judith Curry’s Climate etc. wurde das Paper kräftig auseinandergenommen. Nic Lewis bemängelt, dass das Paper den Kühleffekt von anthropogenen Schwefeldioxid-Aerosolen nicht korrekt einbezieht und allein das erwärmende CO2 berücksichtigt. Die Erwärmung 1830-1870 kann schlüssig und vollständig mit dem natürlichen Rebound erklärt werden. Hier Nic Lewis‘ Schlussfolgerungen auf Climate Audit:
It appears that the claim in Abrams et al. that the diagnosed early onset – about 180 years ago in some regions – of industrial-era warming is of anthropogenic origin is based on inappropriate evidence that does not substantiate that claim, which is very likely incorrect. Most of the evidence given for the anthropogenic origin claim, which is entirely model-simulation based, ignores the industrial era increase in aerosol forcing, the dominant negative (cooling) anthropogenic forcing; the remaining evidence appears to be invalidated by a simulation discontinuity in 1850. The only evidence provided that includes even the post 1850 increase in anthropogenic aerosol forcing – half of the Figure 3a multi-model ensemble simulations – is affected by the simulations from 1850 on being started with the ocean significantly warmer than it was in 1849.
Recovery from the heavy volcanism earlier in the century and an upswing in Atlantic multidecadal variability, superimposed on a slow trend of recovery in surface temperature from the LIA as the ocean interior warmed after the end of the particularly cold four hundred year period from AD 1400–1800, appears adequate to account for warming from the late 1830s to the final quarter of the 19th century. It is unlikely that anthropogenic forcing, estimated to be very low until the 1870s, played any part in warming before then. The heavy volcanism in the first four decades of the 19th century likely caused the warming onset dates diagnosed from the proxy data, at least, to be up to several decades earlier than they would have been in its absence.
Ironically, should the study’s finding of anthropogenic warming starting as early as circa the 1830s be correct, it would imply that anthropogenic aerosol forcing is weaker than estimated in IPCC AR5, and therefore that observational estimates of climate sensitivity (both transient and equilibrium) based on AR5 forcing values need to be revised downwards. That is because total anthropogenic forcing would only have become positive enough to have had any measurable impact on temperatures in the 1830s if AR5 best estimates significantly overstate the strength of anthropogenic aerosol forcing.