In der Antarktis bricht ein Stück Eis ab. Medien in der ganzen Welt berichten eifrig. Wie konnte das nur passieren? Das muss wohl der Klimawandel sein. Ja, die globale Erwärmung schlägt auch in der Antarktis voll zu und zeigt dort ihre hässliche Fratze. Jeder von der Eiskante abrechende Eisberg ist ein Mahnmal der Klimakatastrophe. Amen.
Nun sind aber auch in der vorindustriellen Vergangenheit regelmäßig Eisstücke in Meers geplumpst. So funktioniert halt das Gletscher-Förderband: Schnee lagert sich im Kontinentinneren ab, der dann als Eis langsam Richtung Küste gleitet. What’s new? Und um wieviel hat sich die Antarktis in den letzten Jahren und Jahrzehnten eigentlich erwärmt? Man liest und hört in der Presse so wenig darüber. Wir wollen dieses Informatonsdefizit einmal zum Anlass nehmen, die Temperaturgeschichte des großen weißen Kontinents näher unter die Lupe zu nehmen.
Paul Homewood hat einmal die per Satellit (UAH) ermittelte Entwicklung in der Südpolregion für die vergangenen 35 Jahre aufgetragen:
Es ist keine Erwärmung zu erkennen. Es war früher kalt und es ist heute kalt. Kein Trend. Vielleicht hat das Thermometer auf der Amundsen-Scott-Basis am Südpol eine Erwärmung aufgezeichnet? Paul Homewood generierte auf Basis der GISS-Daten die folgende Kurve:
Nein, auch im Bereich der Südpolstation ist keine Erwärmung erkennbar, und das gilt gleich für die letzten 50 Jahre. Im nächsten Schritt verlassen wir das Festland und schauen uns an, ob sich wenigstens der Ozean rund um die Antarktis erwärmt hat. Bob Tisdale hat die Temperaturkurve auf Basis der KNMI Climate Explorer-Daten zusammengestellt:
Wiederum keine Erwärmung. Im Gegenteil, der Südliche Ozean hat sich während der letzten 35 Jahre sogar abgekühlt. Marshall et al. bestätigten im Juni 2014 den Abkühlungstrend in einem Paper in den Philosphical Transactions A. Im Abstract heißt es:
In recent decades, the Arctic has been warming and sea ice disappearing. By contrast, the Southern Ocean around Antarctica has been (mainly) cooling and sea-ice extent growing.
Im Hauptteil der Arbeit führen die Autoren näher aus:
Over the last few decades, the two polar regions of our planet have exhibited strikingly different behaviours, as is evident in observed decadal trends in surface air temperature shown in figure 1. The Arctic has warmed, much more than in the global average, primarily in winter, while Arctic sea-ice extent has decreased dramatically. By contrast, the eastern Antarctic and Antarctic plateau have cooled, primarily in summer, with warming over the Antarctic Peninsula and Patagonia . Moreover, sea-ice extent around Antarctica has modestly increased.
Im gleichen Jahr erschien in Annals of Glaciology auch eine Arbeit von Ekaykin et al., die die Temperaturentwicklung der Zentral-Antarktis für die vergangenen 350 Jahre rekonstruierten. Die Forscher fanden einen charakteristischen Zyklus von 30-50 Jahren. Interessanterweise war es in den 1940er Jahren bereits einmal wärmer als heute. Im Folgenden die Kurzfassung des Papers:
Multiple climate shifts in the Southern Hemisphere over the past three centuries based on central Antarctic snow pits and core studies
Based on the results of geochemical and glaciological investigations in snow pits and shallow cores, regional stack series of air temperature in central Antarctica (in the southern part of Vostok Subglacial Lake) were obtained, covering the last 350 years. It is shown that this parameter varied quasi-periodically with a wavelength of 30–50 years. The correlation of the newly obtained record with the circulation indices of the Southern Hemisphere (SH) shows that the central Antarctic climate is mainly governed by the type of circulation in the SH: under conditions of zonal circulation, negative anomalies of temperature and precipitation rate are observed, whereas the sign of the anomalies is positive during meridional circulation. In the 1970s the sign of the relationship between many climatic parameters changed, which is likely related to the rearrangement of the climatic system of the SH. The data suggest that during the past 350 years such events have taken place at least five times. The stable water isotope content of the central Antarctic snow is governed by the summer temperature rather than the mean annual temperature, which is interpreted as the influence of ‚post-depositional‘ effects.
Geht man in der Zeit noch weiter zurück, gibt es weitere Überraschungen. Während der letzten Zwischeneiszeit, der Eem-Warmzeit vor 130.000 Jahren, war es in der Ostantarktis 3,5° bis 4°C wärmer als heute. Dies berichteten Parennin et al. in einer Publikation aus dem Februar 2015 in Climate of the Past Discussions.
In diesem Zusammenhang interessant ist eine Arbeit von Conway et al., die 1999 in Science erschienen war. Die Autoren erkannten damals, dass sich der westantarktische Eisschild vor allem während des mittel bis späten Holozäns zurückzog, also während der letzten 5000 Jahre. Die Wissenschaftler vermuten, dass der Schmelzprozess bereits im frühen Holozän vor 10.000 Jahren angestoßen wurde und nun auch ohne äußere Einflüsse bis in die Heutezeit einfach weiterlaufen würde. Hier die Kurzfassung:
Past and Future Grounding-Line Retreat of the West Antarctic Ice Sheet
The history of deglaciation of the West Antarctic Ice Sheet (WAIS) gives clues about its future. Southward grounding-line migration was dated past three locations in the Ross Sea Embayment. Results indicate that most recession occurred during the middle to late Holocene in the absence of substantial sea level or climate forcing. Current grounding-line retreat may reflect ongoing ice recession that has been under way since the early Holocene. If so, the WAIS could continue to retreat even in the absence of further external forcing.
Schließen möchten wir heute mit einer kuriosen “Entdeckung”. Am 13. Mai 2014 brachte Spiegel Online eine erschreckende Klimaalarmgeschichte:
Eisschmelze: Unumkehrbare Kettenreaktion in der Antarktis befürchtet
[…] „Ein großer Teil der Eiskappe in der Westantarktis ist in einem Stadium des unumkehrbaren Rückzugs„, sagt Nasa-Wissenschaftler Eric Rignot von der University of California, Irvine. In den bisherigen Berechnungen des Weltklimarats zum Anstieg der Meeresspiegel sei das Phänomen nicht ausreichend berücksichtigt. In einer Studie, die in Kürze im Fachmagazin „Geophysical Research Letters“ erscheinen soll, untersuchten Forscher um Rignot den Rückgang aller sechs großen Gletscher der Antarktis.
Schaurig ist’s übers Eis zu gehen… Wer bringt uns diese schlimmen Nachrichten? Weiß Eric Rignot eigentlich was er da tut? Festhalten: Rignot ist nämlich gar kein Klimawissenschaftler. Er ist Elektroingenieur. Nur für den Fall, dass demnächst mal wieder jemand meckert, ein Diplom im einen oder anderen Fach würde nicht zur Beteiligung an der Klimadiskussion befähigen…