Hand aufs Herz: Könnten Sie auf der Landkarte genau zeigen, wo sich die Malediven befinden? Nicht wenige unserer Mitmenschen würden die Inselgruppe wohl zunächst im Pazifik verorten. Hobbyschnorchler wissen es besser: Die Malediven liegen etwa tausend Kilometer südwestlich von Indien im Indischen Ozean. Das haben Sie gewusst? Dann hier die etwas schwerere Zusatzfrage: Kennen Sie den Namen des maledivischen Präsidenten? Das ist schon schwieriger. Bekannter als das aktuelle Staatsoberhaupt ist auf jeden Fall sein Vorgänger, Mohammed Nasheed. Der hatte im Kampf gegen die vermeintliche Klimakatastrophe eine internationale Bühne gefunden, die ihn weltberühmt machte. In der Neuen Zürcher Zeitung erinnerte Markus Hofmann am 11. April 2012 an Nasheeds skurrilen Auftritte:
Mohammed Nasheed ist eine eindrückliche Person. Ich erinnere mich gut, wie er im Dezember 2009 am Klimagipfel in Kopenhagen wie eine Bienenkönigin die Journalisten, Kameraleute und Fotografen um sich scharte, wo immer er auftauchte. Der kleingewachsene, zierliche Mann ist eine eher unscheinbare Erscheinung. Doch er strahlt Charisma aus – und als Präsident der vom Klimawandel bedrohten Malediven war er damals ein gefragter Staatsmann.
Und Nasheed, der wegen seiner jahrelangen demokratischen Opposition auch “Mandela der Malediven” genannt wird, weiss, wie er auf seine Anliegen aufmerksam machen kann. Er führte zum Beispiel höchst medienwirksam eine Kabinettsitzung unter Wasser durch und wies so auf die Gefahr hin, die den Malediven durch den Anstieg des Meeresspiegels droht. Inzwischen ist Nasheed nicht mehr Präsident.
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Im Laufe seiner Klimaaktivistenkarriere ließ ich Nasheed unter anderem im Dokufilm “The Island President“ auf Zeluloid bannen. Den Trailer zu dem Streifen gibt es auf Youtube:
Eine Polizeimeuterei im Februar 2012 beendete Nasheeds Präsidentenkarriere schließlich spektakulär. So richtig zufrieden waren die Malediver nicht mit Nasheed. Trotz des lauten Trommelns in den Medien blieben die erhofften Klimawandelreparationszahlungen aus. Und dies hatte unter anderem auch wissenschaftliche Gründe. Kieler Forscher fanden nämlich heraus, dass der Meeresspiegel in Teilen des Indischen Ozeans seit der Mitte des letzten Jahrhunderts um bis zu 5 Zentimeter abgesunken ist (siehe S. 200 in „Die kalte Sonne“).
So richtig hatten die Insulaner auch gar nicht an Nasheeds Inseluntergangsszenarien geglaubt. Wie anders wäre sonst zu erklären, dass auf den Malediven reihenweise neue Luxusresorts an der Küste gebaut werden, kurz vor dem vermeintlichen Untergang der Insel? Zudem sind elf neue regionale Flughäfen auf den einzelnen Inseln geplant. Vieles deutet mittlerweile daraufhin, dass die Meldiver die Nase von ihrem Expräsidenten kräftig voll hatten. Investoren hatten sich nämlich angesichts der Katastrophenszenarien von den Malediven abgewandt. Wer will sein Geld schon in von der Sintflut gefährdete Projekte investieren. Es wundert daher nicht, dass im August 2012 die Kehrtwende in der staatlichen Öffentlichkeitsarbeit stattfand. Der neue Präsident des Inselreiches beendet die Panikmache. Nein, die Inseln werden nicht untergehen. Auf der maledivischen Webplattform HaveeruOnline war zu lesen:
President Mohamed Waheed Hassan Manik today said though Maldives faces the dangers of climate change, the country would not be submerged in the Indian Ocean. Speaking to Sri Lankan businessmen this morning during his current visit to Sri Lanka, President stressed that Maldives can be sustained through efforts to avert the dangers of climate change. „First of all, I want give you a bit of good news. The good news is that the Maldives is not about to disappear,“ President Waheed said countering the claims by his predecessor that the Maldives would be be completely submerged in the near future. He added that foreign investors were concerned with the talks of a submerged Maldives.
Falls Sie die Malediven auf der Karte lokalisieren konnten, wollen wir den Schwierigkeitsgrad jetzt noch etwas steigern: Wissen Sie, wo das Chagos-Archipel liegt? Für alle, die an dieser Stelle passen müssen, kommt hier die Antwort: Die Chagos-Inseln liegen 500 km südlich der Malediven. Im Februar 2012 veröffentlichte ein Team um Richard Dunne im Fachmagazin Global and Planetary Change eine Untersuchung zur Meeresspiegelentwicklung von Chagos für die vergangenen 25 Jahre. Das überraschende Resultat: Küstenpegelmessungen zeigen keinen statistisch signifikanten langfristigen Anstieg des Meeresspiegels. Kurzfristig gibt es sehr wohl bedeutende Schwankungen des Meeresspiegels von bis zu 10 Zentimetern. Im Mittel ist der Meeresspiegel im vergangenen Vierteljahrhundert jedoch konstant geblieben und hat sich keinen Millimeter bewegt. Die Autoren schlussfolgern in der Kurzfassung ihrer Arbeit, dass die Inseln des Chagos Archipels wohl auch in den kommenden 200 Jahren noch ein sicheres Zuhause für seine Bewohner bilden wird:
Collectively, these results suggest that this has been a relatively stable physical environment, and that these low-lying coral islands should continue to be able to support human habitation, as they have done for much of the last 200 years.
Gehen wir jetzt an die Küste des Indischen Ozeans, nach Bangladesch. Die tiefliegende Küstenebene wird oft als Kandidat für eine baldige Flutung gehandelt, wenn der Meeresspiegel noch ein paar Zentimeter anteigen sollte. Auch hier werden die geologischen Zusammenhänge in schlimmster Weise ausgeblendet. Das Ganges-Brahmaputra Delta hat sich in den letzten 10.000 Jahren in beeindruckender Weise aufgebaut, obwohl der Meeresspiegel in dieser Zeit um 120 Meter angestiegen ist und der Deltabereich durch die enorme Auflast jährlich um ein bis zwei Millimeter absinkt. Einige Autoren gehen sogar von Absinkbeträgen von 5 mm/Jahr aus.
Das Geheimnis dieser Robustheit sind die enormen Mengen an Sediment, die über die Flusssysteme in den Mündungsbereich transportiert werden. Pro Jahr gelangen etwa 10 Milliarden Tonnen Gesteinsschutt in das Delta, die Meeresspiegelanstieg und Absinken des Sedimentkörpers mehr als ausgleichen. Durch regelmäßige Überflutungen des Hinterlandes verbreitet sich das Material quer über die Fläche des Deltas. Auf diese Weise hat sich das Delta im Lauf der letzten Jahre, Jahrzehnte und Jahrhunderte weiter ins Meer ausgedehnt, ein Prozess der anhält.
Unterstützt wird dieser Trend durch Landgewinnungsmaßnahmen niederländischer Ingenieure, wie Stefan Ohm auf Scilogs 2008 berichtete:
Dennoch ist es umso erstaunlicher, dass neues Land, durch tatkräftige Mithilfe niederländischer Ingenieure, vor der Küste Bangladeschs entsteht. Diese beraten und unterstützen Projekte, die eine Polderlandschaft im Delta der drei Ströme erschaffen sollen. Das neu geschaffene Land in solchen Poldern ist sehr fruchtbar und würde den Reisbauern dabei helfen, wenigstens den Nahrungsmitteldruck auf das arme Land zu lindern. Erste Projekte, die neues Land eindeichen und entwässern, wurden bereits gestartet. Die Ingenieure nutzen dabei die Sedimente, die durch die drei Ströme aus dem Himalaja transportiert werden, so dass sich das Land quasi von selbst aufbaut.
Trotzdem wurden an einigen Küstenpegeln in Bangladesch erhöhte Meeresspiegelanstiegsraten von bis zu 9 Millimeter pro Jahre festgestellt. Schlägt der Klimawandel hier voll und erbarmungslos zu? John Pethick von der Newcastle University und Julian Orford von der Queen’s University in Belfast haben diese Thematik näher unter die Lupe genommen. Ihre Ergebnisse erschienen jetzt im Dezember 2013 im Fachmagazin Global and Planetary Change. Zu ihrer Überraschung fanden Pethick und Orford heraus, dass der lokale Meeresspiegel an den drei untersuchten Küstenpegeln in Südwest Bangladesch vor allem deshalb so stark steigt, weil Flussufer kürzlich befestigt wurden, die den Gezeitenhub stark erhöht haben. Dies spiegelte sich jetzt auch in der Erhöhung des mittleren Meeresspiegels so wie der Flutgezeitenhöhe wider. Der Klimawandel spielt nach Angaben von John Pethick bislang keine größere Rolle bei den hohen Anstiegswerten.
Atoll Foto Malediven: NASA / public domain.