Von Sebastian Lüning und Klaus-Eckart Puls
Am 23. Juni 1988 trat ein bis dahin relativ unbekannter Klimamodellierer der NASA bei einer Anhörung des US-Kongresses zum Klimawandel auf und überzeugte die Politiker, dass die Erde kurz vor einer Klimakatastrophe stünde. Mit Schweißperlen auf der Stirn erklärte James Hansen den Volksvertretern damals den Ernst der Lage. Bei seiner Mission geholfen hatte sicher auch, dass dies einer der heißesten Tage des Jahres war – und dass einige von Hansens Kollegen heimlich die Klimaanlage ausgeschaltet hatten. So liest man es jedenfalls. In der Folge wurde der Weltklimarat IPCC gegründet. Auf diese Weise wurde James Hansen einer der wichtigsten Väter des Klimaalarmismus. Eigentlich müsste man schon Großvater sagen, da Hansen mittlerweile schon über 70 Jahre alt ist, was ihn aber nicht davon abhält, noch immer als Direktor des NASA Goddard Institute for Space Studies in New York City tätig zu sein.
Kürzlich erinnerte sich Hansen an seinen damaligen Anhörungs-Auftritt und schrieb, er habe ein Geständnis abzulegen. Seine Aussagen wären nicht vollkommen akkurat gewesen. Oho, fragt man sich. Jetzt sind wir aber gespannt. Ja, sagt Hansen, er wäre noch zu optimistisch gewesen. Es wäre heute alles noch viel schlimmer als damals befürchtet!
Jetzt sitzen wir aber tief in der Tinte. Wir haben Schuld auf uns geladen. Da hilft nur noch beten und Buße tun. Am besten bestrafen Sie sich damit, einen kompletten James Hansen-Klimaalarm-Vortrag als Video anzuschauen. Da können Sie zum Beispiel den vom April 2012 an der ETH Zürich nehmen. Schön gruselig.
Aber halt. Wir sollten vorher noch kurz Hansens Behauptung überprüfen. Ist natürlich nur eine reine Routineprüfung. Ein leitender Mitarbeiter der NASA wird uns doch keinen Bären aufbinden wollen, oder? Dazu nehmen wir eine Erwärmungsvorhersage, die Herr Hansen 1988 erstellt hatte und vergleichen sie mit den Messwerten, wie sie danach real gemessen wurden. Stammleser werden sich erinnern: Vor etlichen Monaten brachten wir an dieser Stelle einen Gastbeitrag von Jan-Erik Solheim (siehe „Was ist eigentlich aus James Hansens Temperaturvorhersage von 1988 geworden? Zeit für eine Überprüfung“). Das Ergebnis war eindeutig: Hansens Prognose schoss meilenweit über das Ziel hinaus. Hansens Behauptung, dass er damals zu optimistisch war, ist ein schlechter Witz. Die Temperaturen sind bei weitem nicht so aggressive angestiegen, wie Hansen sich das damals gedacht hatte (siehe auch Roger Pielke Sr. und C3 Headlines).
Wenn wir schon mal dabei sind, prüfen wir auch gleich eine andere Prognose mit, die Hansen 1986 einem Reporter der St. Joseph Gazette in den Block diktiert hatte. Innerhalb von nur 15 Jahren würden die globalen Temperaturen auf ein Niveau hochschnellen, das es in dieser Höhe in den letzten 100.000 Jahre nicht gegeben hätte. Hatte er recht? Heute, 27 Jahre später, hat sich die Erde gegenüber 1986 um etwa 0,3°C erwärmt. Und die letzten 15 Jahre ist es kein bisschen wärmer geworden – das wissen Sie ja schon (siehe auch Beitrag von Klaus-Eckart Puls). Auch diese Prognose von Hansen ist also grandios gescheitert, denn ähnliche Temperaturen wie heute hat es etwa alle tausend Jahre gegeben, zuletzt zur Zeit der Mittelalterlichen Wärmeperiode. Während des holozänen Klimaoptimums vor 5000 Jahren war es sogar ein Grad wärmer als heute. Hansen – setzen – sechs.
Das ist für Alarm-Hansen natürlich ziemlich ärgerlich. Jedoch sitzt er nicht umsonst an entscheidenden Schalthebeln in seinem Institut, das eine wichtige Erdoberflächen-Temperaturdatenreihe herausgibt, nämlich die GISS-Temperaturen. Und eben diese archivierten Temperaturdaten haben sich nun auf mysteriöse Weise verändert. Die Originaldaten wurden noch einmal nachbearbeitet, wodurch die heißen 1930er Jahre nach unten „korrigiert“ und die Temperaturen der letzten paar Jahre nach oben gehoben wurden (siehe unseren Blogartikel „Die wunderbare Welt der Temperaturdaten-Korrekturen: Und plötzlich hatte sich der Trend ins Gegenteil verkehrt…“ sowie real-science.com). Richtig plausibel erklären lässt sich das kaum. Wenn die realen Daten nicht so wollen wie sie sollen, dann müssen Sie halt entsprechend „korrigiert“ werden.
Hansen hatte in der Vergangenheit auch behauptet, er hätte einen guten Beweis dafür, dass die Erwärmung der letzten Jahrzehnte auf jeden Fall vom CO2 kommen müsse: Die untere Atmosphäre würde sich in den Tropen besonders schnell erwärmen. Auf Atmosphärendiagrammen sah das dann wie ein roter Punkt aus, der dann „Hotspot“ getauft wurde. Das wäre sozusagen der Fingerabdruck einer anthropogenen Beeinflussung. Dann kam aber das böse Erwachen. Die realen Messungen konnten den Hotspot nicht bestätigen. Und schlimmer: Die tropische Atmosphäre hat sich offenbar in den letzten 15 Jahren sogar leicht abgekühlt. Eine weitere schlimme Pleite für Hansen.
Da wundert es doch sehr, dass Hansen in einer Arbeit in der Zeitschrift PNAS aus dem Jahr 2000 plötzlich behauptet, dass die Erwärmung der letzten Jahrzehnte eigentlich kaum vom CO2 stammt, sondern vor allem anderen von menschengemachten Treibhausgasen wie etwa Methan (CH4) und Lachgas (N2O) herrührt. Dann ist das CO2 also doch nicht so wichtig? Die Methankonzentration in der Atmosphäre steigt interessanterweise momentan kaum noch an. Die Lachgaskonzentration hingegen wächst noch ungebremst.
Ein weiteres Steckenpferd von Hansen ist das Extremwetter. Er sieht in fast jedem größeren Sturm, jeder Dürrekatastrophe und jeder Überflutung die Handschrift des Menschen. Dazu bedient er sich der Analogie des gezinkten Würfels, eine Idee die sein enger Kollege Stefan Rahmstorf auch nach Deutschland importiert hat. Während früher die Seiten des Würfels gleichmäßig mit allen Wettersituationen ausgestattet waren, wären jetzt die Hitzewellen auf viel mehr Seiten vertreten, daher würden sie auch häufiger vorkommen. Wenn Sie Lust haben, schauen Sie sich mal einen solchen Würfel-Auftritt auf Video an. Da werden Sie dann auch sehen, wie Hansen auf seine abenteuerlichen Thesen kommt: Er schaut sich einfach zu wenig Daten an. Hansen reichen zum Erkennen eines Extremwettertrends ein paar Jahrzehnte. Wissenschaftlich ist dies grober Unfug, denn Extremwetter lässt sich lediglich im Kontext von einem oder besser mehreren Jahrhunderten interpretieren.
Beispiel Dürren: Im Jahr 1988 prognostizierte Hansen eine Anhäufung von Dürren für die damals folgende Dekade und darüber hinaus. Wie das Schicksal so spielt, trat das genaue Gegenteil ein. In den 1990er Jahren gab es in den USA dann ganz besonders wenige Dürren, weit unter dem Durchschnitt. Auch kurios: Hansen sagte eine Art klimatische Dauer-Dürre für den US-amerikanischen Westen und Texas voraus, gepaart mit Dauer El Nino-Bedingungen. Dummerweise ist es aber gerade der El Nino, der empirisch nachgewiesen den Regen in die Region bringt. Mittlerweile gehen die Kollegen auf die Barrikaden und weisen Hansen öffentlich darauf hin, dass Hansens kühne Thesen durch keines ihrer Modelle gedeckt ist und auch mit der Dürrestatistik nicht übereinstimmen.
Trotz aller Prognosefehlschläge wird Hansen noch immer von Teilen der Fachwelt umgarnt und mit Preisen überschüttet. So erhielt er im April 2012 die Edinburgh Medaille. Vorträge zu solchen Anlässen nutzt Hansen gerne, um der versammelten Festgemeinde mitzuteilen, dass der Planet kurz vor dem Exitus steht. Aus diesem Grund würde er es begrüßen, wenn die industrielle Zivilisation zusammenbrechen würde und die heutige Macht der souveränen Einzelstaaten auf eine Art Weltregierung, also eine Art globale Ökodiktatur übergehen würde. Gerne verwendet Hansen drastische Vergleich. So setzte er die anthropogene Erwärmung mit 400.000 Hiroshima-Atombomben pro Tag gleich und sah in Kohletransporten auf der Schiene die Todeszüge aus der Nazizeit wieder aufleben.
Sein früherer Vorgesetzter und Betreuer bei der NASA, John S. Theon, hat sich mittlerweile öffentlich von Hansen distanziert und ihn als Aktivisten und Schande für die NASA bezeichnet. Eines ist klar. Hansen hat in den Klimawissenschaften viel Schaden angerichtet und der Wissenschaft durch seinen Extremismus keinen Dienst erwiesen. Der australische Geologe Bob Carter verglich in einem Beitrag auf Quadrant Online Hansens Rolle in den Klimawissenschaften treffend mit dem Lyssenkoismus, einer 25-jährigen Phase der wissenschaftlichen Verirrung in den Agrarwissenschaften in der ehemaligen Sowjetunion. Wikipedia schreibt:
„Der Lyssenkoismus war eine von dem russíschen Agrarwissenschaftler Trofim Denissowitsch Lyssenko begründete pseudowissenschaftliche Theorie, die unter anderem auf den überholten Anschauungen des Lamarckismus aufbaute. Das zentrale Postulat des Lyssenkoismus lautete, dass die Eigenschaften von Kulturpflanzen und anderen Organismen nicht durch Gene, sondern nur durch Umweltbedingungen bestimmt würden. Das war schon damals mit dem Stand der Wissenschaft in keiner Weise zu vereinbaren.
Lyssenko gewann jedoch in der stalinistischen Sowjetunion vor allem zwischen 1940 und 1964 eine tonangebende Stellung, da es ihm gelang, den Diktator Stalin als Förderer zu gewinnen. Die dadurch verursachten schweren Ernteeinbußen wurden angeblichen Saboteuren zugeschrieben. Damit verbunden war ein Feldzug gegen die sogenannte „faschistische“ und „bourgeoise“ Genetik sowie gegen jene Biologen, die sich mit dieser Disziplin befassten.
Alles schon einmal dagewesen. Da kann einem der arme Kerl Hansen sogar schon fast wieder ein wenig leid tun. Auch Hansen hat mittlerweile gemerkt, dass man ihm nicht mehr bedingungslos folgt. Im Oktober 2011 zeigte er einen leisen Anflug von Realismus, als er öffentlich eingestand, dass die Öffentlichkeit langsam auf die klimaskeptische Seite überwechselt.
James Hansen-Foto oben rechts: Bill Ebbesen / Lizenz: This work has been released into the public domain by its author, Bill Ebbesen at the English Wikipedia project. This applies worldwide.