Schwarzweißmalerei ist unsere Sache hier im Blog nicht. Gerne gehen wir die Dinge differenziert an, diskutieren pro- und kontra, erkennen legitime Argumente der Gegenseite an, sparen aber auch nicht an berechtigter Kritik. So wollen wir es auch mit dem WWF halten. Der WWF ist für seine Unterwanderung des IPCC bekannt, wobei Aktivisten natürlicherweise die schlechtesten Schiedsrichter in einem Gremium abgeben, das eigentlich eine seriöse Aufbereitung der Literatur leisten soll. Aber der WWF kümmert sich auch um lobenswerte Projekte. Am 17. August griff Bernhard Bauske im WWF-Blog das weltweite Platiktütenproblem auf. Unzählige Plastikfetzen treiben mittlerweilen auf den Weltozeanen durch die Gegend. Täglich verheddern sich Meerestiere darin, eine Riesenschweinerei. Lesen Sie im WWF-Blog:
Müll-Meditationen: Tütentraining
[…] Nun schleppe ich meinen Einkauf also in einer Plastiktüte nach Hause. Wird diese Tüte im Meer schwimmen und den Meeresbewohnern den Garaus machen? Immerhin gelangen jedes Jahr grob geschätzt etwa 10 Millionen Tonnen Plastikmüll in die Meere. Als Strandgut lassen diese Plastikteile vormals weiße Südseestrände aus der Ferne betrachtet aussehen wie ein buntes Bällebad. Schlimmer noch: Seehunde verheddern sich in Netzen, Vögel sterben an zu viel Plastik im Magen und Lederschildkröten verwechseln im Meer schwimmende Plastiktüten mit Quallen, ihrer Nahrung.
Ganzen Artikel im WWF-Blog lesen.
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Wer hätte das gedacht: China pustet möglicherweise doch nicht so viel CO2 aus wie angenommen, wie Nature am 19. August 2015 meldete:
China’s carbon emissions overestimated
Analysis could force climate scientists to revisit estimates of global cycle.
China’s carbon emissions may be significantly lower than previously thought — about 14% less in 2013 than estimated by the Chinese government and others, according to research published this week in Nature (Z. Liu et al. Nature 524, 335–338; 2015). The analysis draws on data from more than 4,200 Chinese mines — including new measurements of the energy content of coal — among other sources.Weiterlesen in Nature. Siehe auch Beitrag in der New York Times.
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Am 12. August 2015 veröffentlichte der Geesthachter Klimawissenschaftler Hans von Storch in seinem Klimazwiebel-Blog ein lesenswertes Statement zur Rolle der Wissenschaft in der Gesellschaft. Darin erinnert er seine Klimaforscherkollegen an die Grundprinzipien guter Wissenschaft, die Falsifizierungsmöglichkeiten zulassen und eine Einmischung in die politische Emtscheidungsfindung vermeiden:
Mein Name ist Hans von Storch, ich bin ein deutscher Wissenschaftler, ausgebildet als Mathematiker, seit 40 Jahren tätig im Bereich Klima-Wissenschaften, seit 20 Jahren Direktor des Institut für Küstenforschung (Helmholtz Zentrum Geesthacht – HZG). Seit mehr als 20 Jahren arbeite ich zusammen mit den Sozialwissenschaftlern und seit diesem Jahr bin ich nicht nur Mitglied der Fakultät für Naturwissenschaften, sondern auch der Sozialwissenschaften an der Universität Hamburg. Meine Schwerpunkte sind die statistische Analyse, Klima-Modellierung, und die postnormale Wissenschaft des Klimawandels.
Zurzeit gehöre ich zu Forschungsteams am HZG, an der Universität Hamburg und an der Ocean University of China. Ich werde noch im Laufe des Jahres von meiner Aufgabe als Direktor des HZG in den Ruhestand treten.
Wenn man über das Thema „Hinweise für die Wissenschaft bei der Beratung von Öffentlichkeit und Politik“ spricht, sollte man zuerst beachten, dass dies viel mit dem kulturellen Umfeld zu tun hat, in dem die Problemwahrnehmung und die Rolle der Wissenschaft stattfindet. Was ich hier sage, bezieht sich – ausschließlich – auf die westliche Welt.
Wissenschaftliche Erkenntnisse sind eine Ressource für die Öffentlichkeit, sowohl bei der Herstellung von Verständnis für komplexe Entwicklungen und Ansichten, als auch bei Entscheidungsfindungen. Wissenschaft ist der Prozess, der diese Erkenntnisse generiert. Sie bestehen aus den jeweils besten zurzeit gegebenen Erklärungen im Rahmen des akzeptierten Verständnisses von Dynamiken, Zusammenhängen usw. Als solches sind wissenschaftliche Erkenntnisse grundsätzlich vorläufig, und sie werden nur solange als gültig akzeptiert, bis sie falsifiziert worden sind.
In der Tat ist Wissenschaft bereit, ihr Verständnis zu überarbeiten, wenn es neue Beobachtungen gibt, die mit dem jeweiligen wissenschaftlichen Verständnis nicht übereinstimmen oder wenn Widersprüche innerhalb des heutigen Verständnisses auftreten. Vergebliche Versuche von Falsifikation stärken die Gültigkeit von wissenschaftlichen Erklärungen, wohingegen das Unterlassen solcher Bemühungen deren Gültigkeit schwächt. Falsifikation zu versuchen, ist ein notwendiger Schritt, um die Plausibilität wissenschaftlicher Erkenntnisse zu vergrößern.
Die öffentliche Akzeptanz von wissenschaftlichen Erkenntnissen als überlegener Art von Wissen ist das Kapital der Wissenschaft: Wenn auf Versuche der Falsifikation zu verzichtet wird, wenn die wissenschaftlichen Methodiken nicht implementiert (und Normen a la Merton (CUDOS)), und wenn man dieses Wissen dazu nutzt, die eigenen gesellschaftlichen Interessen voran zu treiben, dann ist das ein Verbrauch dieses Kapitals.
Wissenschaftler sind soziale Akteure, in ihr kulturelles Umfeld eingebettet; sie haben ihre Werte und Präferenzen, und einige haben wohlgemeinte Ziele. Sie werden von diesen Werten und Präferenzen geleitet bei der Wahl ihrer Interessengebiete und bei der Formulierung ihrer Hypothesen, und letztlich auch bei der Entscheidung, ob die jeweilige empirische Evidenz für die Annahme oder Ablehnung ihre Hypothesen ausreicht. In ihrer Eigenschaft als Wissenschaftler sind sie „Fachidioten“, das heißt, sie kennen ihren eigenen engen Wissensbereich besonders gut; wohingegen ihr Verständnis für andere Gebiete, und das gilt auch für die gesellschaftlichen Probleme, so gut ist wie das eines Friseurs, eines Taxifahrers und eines Journalisten. Tatsächlich sind Wissenschaftler oft vorbelastet von Vorurteilen, weil sie glauben, dass ihr eigener Bereich von besonderer Bedeutung ist.
Wissenschaftler sind auch ganz normale Bürger und somit berechtigt, an öffentlichen Debatten und öffentlichen Entscheidungen teilzunehmen. Dabei sollten sie aber vermeiden, das oben genannten Kapital der Wissenschaft als ein Argument für die Unterstützung eigener Vorlieben zu verwenden.
Innerhalb der Umweltwissenschaften ist es heute üblich geworden, die Ausnutzung des eigenen wissenschaftlichen Verständnisses als Hauptargument für bestimmte Entscheidungsfindungen zu nutzen. Das hat den Effekt, dass die Öffentlichkeit „resistent“ wird gegen die Kakophonie der neuesten wissenschaftlich unterstützten Behauptungen, dass diese oder jene katastrophale Entwicklung eintritt, wenn dies oder jenes unterlassen wird. Dies ist das zu erwartende Ergebnis einer nicht nachhaltigen Verwendung des oben genannten Kapitals der Wissenschaft.
Um das Verhältnis von Wissenschaft und Politik in Ordnung zu bringen, ist es notwendig, dass die Wissenschaft wieder „verwissenschaftlicht“ wird und die Politik wieder „politisiert“. Die spezifischen Charakteristika dieser beiden gesellschaftlichen Akteure – Wissenschaft und Politik – müssen in einem gesellschaftlichen Entscheidungsprozess bestimmt werden. Von der Wissenschaft wird erwartet, dass sie die besten Erklärungen für komplexe Entwicklungen bietet, unabhängig davon, ob diese Erklärungen die eine oder andere politische Präferenz unterstützen. Die Politik auf der anderen Seite muss Entscheidungen treffen, mit allen Konsequenzen in Bezug auf die reale Welt, Entscheidungen, die für die Öffentlichkeit akzeptabel sind – im Sinne von Werten, Präferenzen und Vorstellungen.
Ein guter Schritt vorwärts wäre, wenn wir uns darauf einigen könnten, dass Wissenschaftler nicht sagen „aufgrund meiner Wissenschaft muss die Politik so oder so entscheiden“ und dass Politiker nicht sagen „Ich entscheide so, weil die Wissenschaft es mir so sagt“. Sie sollten lieber sagen: „Die jeweiligen politischen Entscheidungsoptionen gehen einher mit diesen und jenen Folgen in meinem Kompetenzbereich“ und „Wenn ich die erwartenden Gesamtkonsequenzen mit den Werten meiner Wähler abwäge, favorisiere ich diese oder jene Option“.
Mein Vorschlag ist, dass die wissenschaftliche Gemeinschaft versucht, eine nachhaltige Kommunikation zwischen Wissenschaft, Gesellschaft und Entscheidungsträgern zu verfolgen. Das bedeutet, dass unser Wissen eine bedeutende Randbedingung für die Entscheidungsfindung darstellt, aber nicht gesellschaftliche Entscheidungen bestimmt. Unser Wissen informiert die Entscheidungsträger über wissenschaftlich erwartete Konsequenzen möglicher Entscheidungen für Teile der realen Welt. Unterschiedliche wissenschaftliche Bereiche bieten die Randbedingungen für unterschiedliche Bereiche der realen Welt. Schließlich jedoch balancieren politische Entscheidungen die gesellschaftlichen Präferenzen und Werte aus. Dabei ist die Rolle der Wissenschaft grundsätzlich begrenzt und muss begrenzt bleiben.
Mit Dank an Pierre Gosselin von Notrickszone.