Nachdem die Sonne jahrelang nahezu ignoriert wurde, beschäftigen sich jetzt immer mehr wissenschaftliche Studien mit der Klimawirkung von Sonnenaktivitätsschwankungen. Anfang März 2013 erschien hierzu in der Fachzeitschrift Climate of the Past eine neue Studie eines Teams um Takurou Kobashi vom japanischen National Institute of Polar Research in Tokio, in der sich die Wissenschaftler mit der grönländischen Temperaturgeschichte der letzten 800 Jahre beschäftigten (Abbildung 1). Im Temperaturverlauf sind deutlich die Mittelalterliche Wärmeperiode, die Kleine Eiszeit und die Erwärmung hin zur heutigen Modernen Wärmephase zu erkennen.
Abbildung 1: Temperaturentwicklung Grönlands während der vergangenen 800 Jahre (blaue Kurve). Zum Vergleich sind Temperaturen für die gesamte nördliche Hemisphäre dargestellt. Quelle: Kobashi et al. 2013.
Im Vergleich zu Temperaturrekonstruktionen der nördlichen Hemisphäre fällt in den Grönlanddaten jedoch auf, dass bei genauerem Hinsehen viele Ausschläge in die jeweils entgegengesetzte Richtung zeigen. Nehmen Sie zum Beispiel den Zacken um das Jahr 1810 in Abbildung 1. In Grönland bildete sich ein kurzer Wärmezacken, während der gleiche Zeitraum in der nördlichen Hemisphäre ein Kältezacken war. Was könnte diese gegenläufige Entwicklung erklären?
Takurou Kobashi erinnerte sich möglicherweise an das Dalton-Minimum zu dieser Zeit, einer Phase geringer Sonnenaktivität. Global kam es hier in vielen Teilen der Erde zu einer Abkühlung. Nicht so in Grönland, hier wurde es wie gesagt wärmer. Daraufhin überprüfte das Forscherteam systematisch, wie die grönländischen Temperaturen im Bereich von Jahrzehnten auf Sonnenaktivitätsschwankungen reagierte. Mit statistischen Methoden konnten die Wissenschaftler dabei zeigen, dass die grönländischen Temperaturen in diesem Zeitmaßstab leicht gegenläufig auf die Sonne reagierten (Abbildung 2): Je stärker die Sonne strahlte, desto kälter wurde es in Grönland. Und wenn die Sonne dann einige Jahrzehnte in ihrer Aktivität nachließ, wurde es wieder wärmer. Betrachtet man die Nordhemisphäre als Ganzes, so ist der Zusammenhang genau anders herum: Je stärker die Sonne, desto wärmer wurde es. Auf diese Weise kommen die gegenläufigen Zacken zustande. Kobashi und sein Team fanden weiterhin heraus, dass die Sonderrolle Grönlands wohl durch systematische Verschiebungen in der Nordatlantischen Oszillation (NAO) bzw. der Arktischen Oszillation (AO) bewirkt werden.
Wohlgemerkt gelten diese Zusammenhänge für Zeitmaßstäbe von etlichen Jahrzehnten. Erhöht man den Zeitmaßstab auf einige Jahrhunderte, so benimmt sich Grönland genau wie der Rest der Welt und erwärmte sich stets, wenn die Sonnenaktivität hoch war. Auf diese Weise konnten sich hier auch die bekannten Millenniumszyklen ausbilden, zu denen auch die Mittelalterliche Wärmeperiode, Kleine Eiszeit und Moderne Wärmeperiode gehören.
Abbildung 2: Temperaturen in Grönland (blau, warm nach oben) und Sonnenaktivität (rot, sonnenaktiver nach unten) für die vergangenen 4000 Jahre. Quelle: Kobashi et al. 2013.